Lk 12,35-38

Predigt am 31.12.14 von Andreas Hansen über Lk 12,35-38

Gottesdienst zum Altjahresabend 2014

Eure Hüften sollen umgürtet und eure Lichter angezündet sein! Und ihr sollt Menschen gleich sein, die auf ihren Herrn warten, um ihm sogleich zu öffnen, wenn er von der Hochzeit aufbricht und kommt und anklopft. Selig sind die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie zu Tisch bitten und ihnen aufwarten. Auch wenn er in der zweiten oder erst in der dritten Nachtwache kommt und sie so findet, selig sind sie!

„Ich habe überlegt, ob ich im weißen Bademantel komme.“, sagt der Kollege. „Wie bitte?“ Wir gratulieren einander im Lehrerzimmer und finden es witzig, dass wir beide heute Geburtstag haben. „Und warum der weiße Bademantel?“ „Na, wegen Udo Jürgens. Der wird doch heut 80. Hat mit uns Geburtstag.“ Er erklärt mir, der weiße Bademantel am Ende des Konzerts ist Jürgens´ Markenzeichen. „Ach so!“ „Eure Hüften sollen umgürtet sein“, und noch einmal das gleiche Wort: der Herr „wird sich gürten und sie zu Tisch bitten“. Darum fällt mir der Bademantel mit dem Gürtel wieder ein. Ich hab es nie gesehen. Vermutlich trug Jürgens seinen Bademantel gar nicht eng umgürtet. Er sollte ja Entspannung signalisieren.

„Mitten im Leben“ titelte die Badische Zeitung vor ein paar Tagen, als Udo Jürgens plötzlich gestorben ist. Ausgerechnet so hieß seine aktuelle Tournee. Manche wünschen sich ein schnelles Ende, mitten aus dem Leben heraus. Menschen in früherer Zeit fürchteten einen bösen schnellen Tod. Sie wollten für den Tod bereit sein.

„Eure Hüften sollen umgürtet sein! Die Lampen sollen brennen! Seid bereit wie die Diener für den Herrn. Er wird kommen, irgendwann in der Nacht, vielleicht weit nach Mitternacht. Er soll euch wach antreffen, wenn er vom Fest heimkommt. So ist das eben mit Dienern oder Sklaven.“ Die Zuhörer wissen, was Dienst bedeutet. Sie verstehen, was Jesus meint. „Selig seid ihr, wenn er euch wach und bereit antrifft. Dann werdet ihr staunen! Der Herr wird sich umgürten. Er wird sich eine Schürze anziehen, euch zu Tisch bitten und euch bedienen.“ „Was? Von was für einem Herrn erzählst du, der seine Diener und Sklaven bedient? Das gibt es doch nicht! Aber – das könnte uns schon gefallen, dass wir uns entspannt zurücklehnen und verwöhnen lassen.“ Jesus zeigt seinen Jüngern, was für ein Herr er ist. Sie setzen sich zum Essen, und er steht auf, bindet sich ein Tuch um, gießt Wasser in eine Schüssel und wäscht ihnen die Füße. Wie ein Diener kniet er vor ihnen nieder.

„Eure Hüften sollen umgürtet sein!“ So hören die Juden beim Passafest. Immer werden sie bei diesen Worten an die Nacht denken, in der alles anders war, die Nacht vor dem Auszug aus der Sklaverei. Jahr für Jahr erleben sie es wieder, als wäre es heute. Sie sind bereit aufzubrechen. Sie warten auf den Weg in die Freiheit. Aber es wird ein langer, schwerer Weg sein. Die Hüften sind umgürtet, die langen Gewänder mit einem Gürtel gerafft, die Zipfel hochgezogen, damit man ausschreiten oder sogar rennen kann. Sie sind bereit aufzubrechen, auf den langen Weg durch die Wüste, in das Land, wo Milch und Honig fließen.

Lasst die Hüften umgürtet, seid wach, seid bereit! Und andrerseits: Der Herr wird sich gürten und euch bedienen. Seid getrost! Entspannt euch! Beides sagt Jesus. Wir dürfen getrost, sein, zuversichtlich, entspannt, und zugleich erinnert der Gürtel: Seid bereit!

„Lasst die Hüften umgürtet!“ Wofür sollen wir im neuen Jahr bereit sein? Bereit für die Herausforderungen, bereit für Menschen, bereit für meinen Weg. Bereit aufzuspringen und loszulaufen, zu tun, was notwendig ist. Nicht sitzen bleiben und warten, bis ein anderer etwas tut. Bereit uns an unserem Ort mit unseren Gaben einzusetzen. Wach und bereit für Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Wach und bereit, den Hetzreden, der Angstmache, dem Hass zu begegnen. Das neue Jahr liegt vor uns. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Vieles, was 2014 geschehen ist, lässt uns noch nicht los. Was wird aus den Konflikten in der Ukraine, in Syrien und dem Irak? Wie kann den vielen Menschen in Not geholfen werden? Wir wissen nicht, ob unser Land weiterhin in Frieden und Wohlstand bleibt, während andere von Krieg und Not geschüttelt werden. Wir denken an diesem Abend auch an das, was uns persönlich im Jahr 2014 betroffen hat, was wir durchstehen und ertragen mussten, und was schön war und uns glücklich macht. Wir wissen nicht, was kommen wird. „Seid wach und bereit!“ sagt Jesus. „Lasst die Hüften umgürtet!“ Jesus sagt nicht, dass uns Konflikte und Leid erspart bleiben. Er macht uns nicht eine heile Welt vor. Wach sollen wir sein, bereit uns einzusetzen, bereit für unsere Aufgaben, bereit für notwendigen Streit, bereit für schwere und leidvolle Tage, bereit, wenn wir an unsere Grenzen stoßen, bereit einzugestehen, was wir falsch machen, wo wir schuldig geworden sind, bereit aber auch, dankbar das Gute zu genießen, bereit zu hoffen auf das, was Gott uns verheißt, das Land, wo Milch und Honig fließen, wo wir in Frieden leben.

„Lasst die Hüften umgürtet wie Diener, die ihren Herrn erwarten!“ Was für ein Herr kommt uns entgegen! „Setzt euch! Lasst euch umsorgen. Seid ganz ruhig. Ihr tragt ja die weißen Kleider eurer Taufe. Ich bin bei euch alle Tage!“ Wir wissen nicht, was 2015 auf uns zukommt, und können doch getrost unsern Weg gehen. Wach, bereit und doch voll Zuversicht. Eine „entspannte Spannung“.

Jesus erzählt von dem Herrn, der sich die Schürze umbindet und seine Diener zu Tisch bittet. Der Hausherr kommt und macht es seinen Dienern gemütlich. Sie dürfen aufatmen und Kraft schöpfen. Jesus selbst ist der gute Herr. Er bittet uns an seinen Tisch und dient uns. Wir beten, singen und hören. Wir atmen auf und schöpfen Kraft. Er ist wirklich bei uns. Jesus erzählt von der „entspannten Spannung“, vom Glauben, der bereit ist aufzubrechen und zugleich ruhig wartet. Freundlich reicht er seine Gaben: „Nehmt und esst! Glaubt es nur, was ich euch gebe!“ „Ja, gib uns Brot des Lebens, Jesus! Hilf unserem schwachen Glauben auf! Lass uns so in das neue Jahr gehen: Bereit für dich, bereit für unsere Mitmenschen, bereit für alles, was kommt. Du bist bei uns.“ Amen