Konfirmationsjubiläum – Predigt über Kol 3,9-17

Predigt am 19.5.19 von Andreas Hansen über Kol 3,9-17

Vor der Predigt singen wir das Lied 56 im neuen Anhang: Ich sing dir mein Lied

Ihr habt den neuen Menschen angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat. Da ist alles und in allen Christus.
So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.
Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Bei meiner Konfirmation saß ich zwischen zwei Stühlen. Buchstäblich, so war es. Die Stühle für unsere Gruppe waren abgezählt, und der erste setzte sich einen Stuhl zu früh hin – schwupp, war der leere Stuhl weg. Mich traf es, zwei Stunden zwischen zwei Stühlen zu sitzen.
Das passt gut dazu, wie man sich mit 14 fühlt. Kein Kind mehr und noch nicht erwachsen, voller Fragen, zutiefst unsicher über sich selbst und wohin der Weg gehen soll. Ich hab keine Ahnung, was der Pfarrer damals sagte, aber ich möchte den Konfis und uns allen zusagen, was ich hier im Kolosserbrief höre: Ihr habt den neuen Menschen angezogen. Ganz gleich, ob ihr cool seid oder schüchtern, stark oder schwach, ihr seid okay. Ihr gehört zu Jesus Christus. Ihr seid schon „in Christus“, wie Paulus schreibt. Ich muss das nicht irgendwie selbst schaffen, ein Christ zu sein – es ist mir gegeben.  Ich bin gut genug, weil Gott mich will. Der Grund ist gelegt, und ich kann immer wieder darauf zurückkommen. Paulus oder sein Schüler schreibt den Brief, um der Gemeinde die Furcht zu nehmen. Es ist gut. Ihr habt den neuen Menschen angezogen. Ihr seid in Christus.

Wir schauen zurück auf die Vierzehnjährigen, die wir waren, und staunen, was alles geworden ist. Bestimmt gibt es auf dem Weg glückliche Zeiten, Erfolge, gute Entscheidungen, Freundschaft und Liebe. Vielleicht gab und gibt es auch Unglück, Enttäuschung und Misserfolg, leidvolle und belastende Erfahrungen. Aber weder das Eine noch das Andere, weder Glück, Erfolge und gute Taten, noch Unglück, Misserfolge oder Versagen definieren mich, beschreiben, wer ich bin, meine Identität. Evangelischer Glaube beschreibt uns von Jesus Christus her. Wir sind zu allererst Menschen, die Gott liebt und bejaht.
Und darum spricht Paulus seine Gemeinde und uns so an. Er nennt uns die Auserwählten Gottes, die Heiligen und Geliebten.
Hören Sie, wie schön wir sind! Gott sieht uns an als etwas Besonderes. Wir sind seine Auserwählten. Wir gehören zu seinem heiligen Volk, das ihm so sehr am Herzen liegt. Eltern sehen ihre Kinder oder Großeltern ihre Enkel als etwas Besonderes an. So und noch viel mehr sieht Gott uns liebevoll an. Gott sieht uns an und darum sind wir schön. Wir haben ein Ansehen. Wir sind die Auserwählten Gottes, die Heiligen und Geliebten.

„So zieht nun an … herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“ 
Puh! Wer soll denn das schaffen? Da hören wir Erwartungen, die uns überfordern. In den Mühen des Alltags verlieren wir so oft die Geduld und die Freundlichkeit, sind leicht beleidigt, verletzend, nachtragend. Eigentlich schreibt der Apostel an die Gemeinde damals, aber Streit, Rechthaberei, Rücksichtslosigkeit gibt´s überall, auch in der Kirche.
Aber bitte hören Sie nicht den hohen Anspruch, dem wir so oft nicht gerecht werden!    Bitte hören Sie vielmehr die Zusage, was Christus mit uns vorhat, wozu wir bestimmt sind!                     Obwohl wir ihm so wenig entsprechen,           nimmt Christus uns an. Wir  sind dazu bestimmt und begabt, dass wir wertschätzend miteinander umgehen. Wenn mir jemand zutraut, dass ich meine Sache gut mache, und das auch zeigt, das hilft enorm. „herzliches Erbarmen“ heißt: keine und keiner muss perfekt sein; ich ertrage, dass der andere meinen Erwartungen nicht entspricht; ich sage, was mich stört, ohne den anderen klein zu machen. Gott sieht uns liebevoll an und erwartet Gutes. So lernen wir, uns selbst und andere anzusehen. Wir haben die Verheißung und das Ziel, dass wir Christus ähnlich werden.

Und weil Gott so groß von uns denkt, weil wir ihm lieb sind und so ein hohes Ansehen bei ihm haben, darum lädt Paulus uns ein, die Beziehung zu Gott zu pflegen – Spiritualität kann man das nennen. Das ist eine fröhliche Sache, dass wir mit Gottes Wort umgehen, dass wir alles im Namen des Herrn tun, also im Gespräch mit Gott sind, und dass wir vor allem singen, singen, singen. „Spiritualität“ klingt für Sie vielleicht weltabgewandt oder vergeistigt und weltfremd. Das Gegenteil ist der Fall: Gottes Wort Hören, Beten, Singen hilft uns, die Welt und uns selbst wach und kritisch zu sehen. Ein spiritueller Mensch will sich informieren, was in der Welt geschieht, und wählen gehen und sich einsetzen. Wir lassen uns berühren von den Fragen, vom Leid in der Welt, und doch vertrauen wir alles Gott an. Wir sehen unsere eigenen dunklen Seiten und doch wissen wir uns von Gott angenommen. Spiritualität ist wie ein guter Humor, eine Haltung. In allem rechnen wir mit Gott. Alles sehen wir in seiner Hand. Darum hören und beten und singen und handeln wir. 
„Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben.“ Wer singt, betet doppelt, heißt es. Wir leihen uns die Lieder derer, die vor uns glaubten, und wir singen mit denen, die mit uns glauben. Wer für Gott singt, dankbar im Herzen, ist ganz ihm zugewandt, nah bei Gott und auch ganz nah bei sich selbst.
„Die Töne, den Klang hast du mir gegeben.“ Gottes Geist öffnet uns Herz und Mund. Dann erahnen wir singend und hörend die Schönheit, mit der Gott uns umgibt.
„Du Quelle des Lebens, du Hüter des Lebens, du Wunder des Lebens, dir sing ich mein Lied.“

Amen