Predigt am 10.7.16 von Andreas Hansen über Röm 6,3-8
Vor der Predigt wird ein Kind getauft mit dem Taufspruch 1.Samuel 10,7: Tu, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir, und das Lied EG 591 Kind, du bist uns anvertraut, wird gesungen
„kannst der Macht der Liebe trauen. Taufen dich in Jesu Namen. Er ist unsre Hoffnung. Amen.“ Wir haben auch gesungen: „Kampf und Krieg zerreißt die Welt.“ Bei dieser Zeile zucken wir zusammen, nicht wahr? Unsere Welt ist zerrissen, aber wollen wir daran denken, wenn ein Kind getauft wird? Hoffentlich bleibt unserem Täufling, hoffentlich bleibt allen unseren Kindern und Enkeln Kampf und Krieg erspart. Und doch: sie werden erfahren, was uns alle betrifft.
Unsere Kinder werden wie wir erleben, wie bedroht das Leben ist, wie leicht Leben zerbrechen kann. Menschen, die wir lieb haben, werden krank, und wir müssen zusehen, wie sie leiden und sterben, unfassbar. Unsere Kinder werden wie wir Böses und Schuld erleben und dass wir selbst auch Böses tun und in Schuld verstrickt sind. „Wie viele Sklaven halten Sie?“ fragt die Wirtschaftswisssenschaftlerin Evi Hartmann. Der weltweiten Verflechtung können wir uns kaum entziehen. Unsere Kinder werden wie wir oder schlimmer die Konflikte unserer Welt erleben. Und sie werden wie wir fragen: Gibt es überhaupt einen sinnvollen und guten Weg?
Wir sehen Abgründe von Leid und Schuld und ungelöste Fragen. Wie werden unsere Kinder und Enkel damit leben?
„ kannst der Macht der Liebe trauen. Taufen dich in Jesu Namen. Er ist unsre Hoffnung. Amen.“ Wir taufen unsere Kinder, weil wir der Liebe Gottes vertrauen. Wir setzen unsere Hoffnung auf Jesus. Der Apostel Paulus schreibt von der Taufe, wenn er beschreibt, wie zerrissen die Welt ist und in was für einer Spannung wir leben. Hören wir einige Verse aus seinem Brief an die Gemeinde in Rom.
Römer 6,3-8
Wisst ihr nicht, was es heißt, auf Jesus Christus getauft zu sein? Wisst ihr nicht, dass wir alle durch diese Taufe mit einbezogen worden sind in seinen Tod? Durch die Taufe sind wir mit Christus gestorben und sind daher auch mit ihm begraben worden. Weil nun aber Christus durch die unvergleichlich herrliche Macht des Vaters von den Toten auferstanden ist, führen wir unser Leben im Anbruch der neuen Schöpfung. Denn wenn sein Tod gewissermaßen unser Tod geworden ist und wir auf diese Weise mit ihm eins geworden sind, dann werden wir auch im Hinblick auf seine Auferstehung mit ihm eins sein. Wenn wir mit Christus mitsterben, wird unser altes Ich mit ans Kreuz geschlagen. Es ist nichts mehr wert und muss verschwinden. Wir waren ein einziger Filz von Sünde, aber dieser Filz ist aufgelöst, und wir sind der Herrschaft der Sünde nicht mehr unterworfen. Weil wir in der Taufe gestorben sind, gilt auch für uns: wir sind von der Herrschaft der Sünde befreit. Und da wir mit Christus gestorben sind, vertrauen wir darauf, dass wir auch mit ihm leben werden.
Erinnern Sie sich an Auris Taufspruch, „Tu, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir!“ und an die Geschichte hinter diesem Spruch: Saul wird zum König gesalbt. Er spürt Gottes Geist, eine Kraft, die ihn neu macht. Aus dem Sohn eines Bauern wird ein König. Er wird sich bewegen wie ein König. Er wird reden wie ein König. Er wird selbstbewusst und frei wie ein König anderen gegenüber treten, entscheiden und handeln. „Tu, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir!“ Saul wird in die Rolle des Königs annehmen.
Auch wir sind Königskinder. Wir heißen Christen nach Jesus, dem Christus, wörtlich dem Gesalbten, also dem König. Wir haben Anteil an seiner Königs-würde. Selbstbewusst und frei sollen wir unsere Rolle als Christen annehmen.
Wenn ein Schauspieler sich eine Rolle aneignet, wenn er den König darstellen will, wird er sich bewegen, reden, er wird sogar fühlen und denken wie ein König. Es muss ganz seine Rolle werden. Er muss darin aufgehen.
Wir sind Christen. Wir sind eins mit Jesus Christus. Paulus denkt bei der Taufe damals eher an die Taufe Erwachsener, und die werden ganz im Wasser untergetaucht und dann aus dem Wasser gehoben. „Wir sind in seinen Tod getauft“ schreibt Paulus. Wir sind mit Christus gestorben und mit ihm begraben.“ Dafür ist das Untergehen im Wasser ein Bild.
Und dann wird es ganz schwer zu übersetzen. Paulus schreibt nicht einfach weiter in der gleichen Form. Wir sind ja noch nicht mit Christus auferstanden. Aber weil Christus auferstanden ist, leben wir schon jetzt auf das neue Leben hin. Wir führen unser Leben im Anbruch der neuen Schöpfung. Wir sind ganz eins mit Jesus Christus, „zusammen-gewachsen“ sagt Paulus wörtlich, und doch haben wir das neue Leben noch nicht.
Der Terror in Bagdad, die Schüsse in Dallas, die Ertrunkenen im Mittelmeer – das alles erschreckt uns und zeigt uns die zerrissene Welt. Gar nicht königlich erhaben sind wir oft, sondern ratlos und traurig. Die Not der Welt bedrängt uns, und auch das, was wir selbst an Leid erfahren. Wir kennen die dunkle Seite. Unser König ist mitten in dieser zerrissenen Welt. Er hängt am Kreuz und trägt eine Dornenkrone.
Aber wir sind auch mit dem lebendigen Christus verbunden. Wir feiern trotz allem das Leben. Wir leben von Ostern her. Wir leben im Anbruch der neuen Schöpfung, in der Hoffnung, dass Gott alle Tränen abwischen wird. Darum feiern wir in der Taufe das neue Leben.
Und noch so eine Spannung: „Wir waren ein einziger Filz von Sünde“ – Paulus schreibt wörtlich vom „Leib der Sünde“.
Leib sagt Paulus nicht abwertend. Leib sind wir mit allen Beziehungen: zu unseren Mitmenschen, zu Gottes Schöpfung. Die Sünde, der Widerspruch gegen Gott geschieht in der Art, wie wir uns zu andern verhalten, in unseren Beziehungen. Wir leben ganz oft auf Kosten anderer. Ein kleiner Teil der Menschen ist reich und viele im Elend. Wir leben auf Kosten der Schöpfung und verbrauchen vieles, was wir gar nicht nötig haben. Auch ganz persönlich: Wir verdrängen, verletzen, verachten andere. Oft haben wir nur unseren Vorteil im Sinn. Das Leid und das Unrecht nehmen wir nicht wahr. Ein „Filz“: Wir sind oft Opfer und Täter in einem. Wir werden in böse Beziehungen hineingezerrt und machen doch auch von uns aus mit. Die Frage, wer angefangen hat, führt nicht weiter. Paulus schreibt nicht von Sünde, um uns schlecht zu machen. Er sieht, wie die Sünde Leben zerstört und uns trennt von Gott. Er schreibt von ihrer unheimlichen Macht: Ich will ja das Gute und mache doch das Böse (vgl 7,18-20). Ohne Christus müsste er verzweifeln. „aber dieser Filz ist aufgelöst, und wir sind der Herrschaft der Sünde nicht mehr unterworfen.“
Die Spannung ist groß: Wir sind von der Herrschaft der Sünde befreit und spüren doch die Macht des Bösen in der Welt und in uns selbst. Wir sind eins mit Christus und widersprechen ihm doch.
Uns bleibt nur, dass wir, wie Luther sagte, täglich in die Taufe kriechen. Wir halten uns täglich, immer, an die Zusage: Dass Christus Ja zu uns sagt, dass wir Gottes Kinder sind, Königskinder, dass nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, dass wir leben werden mit Christus.
„Tu, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir!“ In dieser königlichen Freiheit lasst uns leben und handeln, spielen und singen und feiern. Amen