Luise und Judith leiten eine Jungschar. Luise kann schön erzählen, Judith fallen tolle Spiele ein. Ihre Gruppe liebt die beiden. Sie sind begabt und haben auch schon die Jugendleiterkarte, die Juleika.
Karin besucht Menschen im Altenheim. Sie hat ein Gespür für die alten Leute, Geduld zuzuhören und eine liebevolle Art.
Wenn Michael nicht im Gottesdienst ist, fragen die Leute, ob er krank ist. Manche sitzen besonders gern in seiner Nähe, denn er singt so, dass sie mitsingen können.
Herta betet. Sie ist pflegebedürftig und kann nicht viel tun, aber sie betet für die Konfirmanden ihrer Gemeinde, für die Menschen auf der Flucht, für die Kranken. Sie hat das Charisma des Gebets.
Heiner und Edith kennen die Flüchtlinge. Sie sprechen sie an und inzwischen kommen sie mit ihren Fragen zu ihnen. Sie kennen die Probleme, die Formulare, die Behörden und sogar ein paar Worte Arabisch.
Seit Arnold seine Krankheit hat, hat sich sein Leben verändert. Er geht jetzt viel behutsamer mit sich und anderen um. Er braucht Pausen und freut sich an Dingen, die er früher übersehen hat. Manchmal sagen ihm andere, wie gut es tut, mit ihm zu reden.
Kurt kann organisieren. Er hat alles und alle im Blick. Er weiß, wen man fragen muss und wen man nicht vergessen darf. Er findet eine Lösung, wenn es Probleme gibt. Auf ihn hören die anderen. Er hat die Gabe zu leiten.
So wunderbar und so vielfältig sind die Gaben. Vielleicht haben Sie sich wiedererkannt in Judith, Karin, Heiner, Kurt oder Edith. Bestimmt haben Sie diese und noch ganz andere Begabungen und Fähigkeiten. Gottes Geist wirkt in uns und durch uns.
Aber Luise und Judith waren seit ihrer Konfirmation nur wenige Male im Gottesdienst. Sie fühlen sich dort nicht zuhause. Karin will ihren Glauben praktisch leben. Darum geht sie ins Altenheim, nicht in die Kirche. Michael fragt sich, was wohl aus der Kirche wird. Vieles hat sich verändert und ist ihm fremd. Herta ist in Gedanken oft bei der Gemeinde aber sie fühlt sich allein gelassen. Heiner und Edith hätten gern, dass sich ihre Gemeinde viel mehr für die Flüchtlinge engagiert. Arnold genießt die schöne Kirchenmusik, aber er kann es nicht ab, wenn er von der Kanzel herab belehrt wird. Kurt war mal im Kirchengemeinderat, aber dann hat er sich über den Pfarrer geärgert. Jetzt hilft er noch manchmal bei Gemeindefesten.
So wunderbar und so vielfältig sind die Gaben. So unterschiedlich sind die Weisen zu glauben. Was ist das, was wir vorhin im Glaubensbekenntnis die heilige christliche Kirche nannten? Sehr heilig sind wir nicht. Viele wissen nicht, ob sie sich selbst zur Kirche dazu rechnen sollen. Manche sprechen den anderen ab, Christen zu sein. Andere halten jeden Wahrheitsanspruch für übergriffig: Jeder muss schließlich für sich selbst herausfinden, was er glaubt.
Paulus schreibt an die Christen in Korinth:
Es gibt viele verschiedene Gaben, aber es ist ein und derselbe Geist, der sie uns zuteilt. Es gibt viele verschiedene Dienste, aber es ist ein und derselbe Herr, der uns damit beauftragt. Es gibt viele verschiedene Kräfte, aber es ist ein und derselbe Gott, durch den sie alle in uns allen wirksam werden. Bei jedem zeigt sich das Wirken des Geistes auf eine andere Weise, aber immer geht es um den Nutzen der ganzen Gemeinde. Dem einen wird durch den Geist die Fähigkeit geschenkt, Einsichten in Gottes Weisheit weiterzugeben. Der andere erkennt und sagt mit Hilfe desselben Geistes, was in einer bestimmten Situation zu tun ist. Einem dritten wird – ebenfalls durch denselben Geist – ein besonderes Maß an Glauben gegeben, und wieder ein anderer bekommt durch diesen einen Geist die Gabe, Kranke zu heilen. Einer wird dazu befähigt, Wunder zu tun, ein anderer, prophetische Aussagen zu machen, wieder ein anderer, zu beurteilen, ob etwas vom Geist Gottes gewirkt ist oder nicht. Einer wird befähigt, in Sprachen zu reden, die von Gott eingegeben sind, und ein anderer, das Gesagte in verständlichen Worten wiederzugeben. Das alles ist das Werk ein und desselben Geistes, und es ist seine freie Entscheidung, welche Gabe er jedem Einzelnen zuteilt.
Die Christen von Korinth streiten. Sie wollen einander übertreffen. Sie geben an mit ihren Geistesgaben. Für sie ist der Beweis des Geistes dann erbracht, wenn etwas Außergewöhnliches geschieht, etwas, das an Wunder grenzt. Die einen schwören auf ekstatische Erfahrung. Ergriffen von religiösem Gefühl jubeln und beten sie wie in einem Rausch. Glaube ist ein Erlebnis voll Kraft, Gefühl, Begeisterung. Andere betonen die Erkenntnis des Glaubens. Sie setzen sich auseinander mit den geistigen Strömungen ihrer Zeit und sind stolz auf ihre Erleuchtung. Wieder andere wollen sich in Heilungen und praktischen Erfolgen ihren Glauben beweisen. Jeder von ihnen hält sich und seine Gruppe für die allerbesten Christen.
Paulus lehnt diesen religiösen Leistungssport ab. Glaube bleibt nie ohne Erfahrung. Er findet immer eine Form, einen Ausdruck, eine Sprache. Gottes Geist wirkt in uns und durch uns, in jedem Glaubenden. Aber der Heilige Geist ist nicht eine Art Doping, das uns hilft, die anderen zu überholen. Es ist der Geist Jesu Christi, der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Der Geist Gottes wirkt in allen, die an Jesus glauben.
Paulus betont die Vielfalt und die Gemeinschaft.
Der Geist wirkt so bunt und unterschiedlich, wie wir Menschen sind. Er wirkt auch so unfertig und manchmal sogar widersprüchlich, wie wir. Paulus schreibt: es ist seine freie Entscheidung, welche Gabe der Geist jedem Einzelnen zuteilt. Es ist derselbe Geist Gottes, der Judith die Gabe gibt, eine Jungschar zu leiten und Herta die Gabe, für andere zu beten. Vom Geist gewirkt, eine Erfahrung, ein Ausdruck unseres Glaubens kann auch sehr alltäglich sein. Es kann geistlich sein, wenn wir zu unseren Kollegen im Betrieb fair sind, wenn wir mit unserem Kind Hausaufgaben machen, auch wenn wir Geschirr spülen.
Gott mischt sich in unser Leben ein, Gott, der Heilige Geist. Er schafft und schenkt Leben, Vertrauen, Liebe und Hoffnung mitten in unserem Leben. Wir sind es nicht. Wir schaffen es nicht. Darum haben wir keinen Grund einander zu übertrumpfen. Aber Gott ist in uns. Jede und jeder kann und soll Glauben auf ihre und seine Weise erfahren und gestalten. Keiner ist näher bei Gott als andere. Alle sind wir „geistlich“. Darum ist unser Glaube und ist die Kirche so vielfältig und bunt.
Aber wie kommen wir zusammen? Das ist heute die große Herausforderung. Viele Gemeinden fragen sich: Wie bekommen wir ein Wir-Gefühl? Wie nehmen wir einander besser wahr? Wie wächst die Gemeinschaft? In Visitationen, im Gemeindebeirat oder beim Kompass-Prozess – immer wieder beschäftigt uns die Frage.
Paulus betont die Vielfalt und die Gemeinschaft. Der Geist schafft die Kirche. Er bringt uns zusammen. Wir leben alle aus derselben Quelle. Wir leben, weil Gott uns will, weil er uns liebt und weil keine Macht der Welt uns von seiner Liebe trennen kann.
Es ist derselbe Geist, der verschiedene Gaben schenkt. Es ist derselbe Herr, Jesus Christus, der uns mit verschiedenen Diensten beauftragt. Es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt.
Karin, Michael, Arnold und wir alle sind so unterschiedlich in unseren Gaben und Erfahrungen. Aber keiner von uns glaubt für sich allein. Jeder von uns braucht andere, die mit uns glauben. Wir brauchen die Erfahrung derer, die vor uns glaubten. Wir brauchen Menschen, die uns Vorbild und Begleiter sind, unsere Paten, Eltern, Großeltern, Freunde, Lehrer. Wir brauchen Mitglaubende, die uns trösten, segnen und Gottes Wort zusagen. Wir brauchen andere, die mit uns beten und singen, hören, reden und feiern. Das alles schenkt uns Gottes Geist. Wir sind schon reich beschenkt und nehmen das so oft nicht wahr.
Gott gebe uns offene Augen und Herzen für die Menschen, die mit uns glauben, für seine Kirche, so vielfältig und bunt, so fragwürdig und schwach oft, und doch so reich beschenkt. Gott bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus, unserem Herrn. Amen