Johannes 14,23-27 Pfingsten

Predigt am 24.5.15 von Andreas Hansen über Joh 14,23-27

Pfingsten

Eine Freundin erzählt – es muss etwa 1975 sein: Ihre Augen leuchten, als sie von der Fahrt nach Taizé erzählt. Tausende Jugendliche aus vielen Ländern. Ein Dorf aus Zelten und Baracken rund um die Kirche. Alle leben extrem einfach. Alle helfen mit. Die Stimmung total gut. Echt eine super Gemeinschaft. Sie schwärmt. Und die Gottesdienste sind so anders mit ihren Gesängen und der Stille. Die Brüder von Taizé in ihren weißen Gewändern einfach mittendrin. Sie hat sogar mit Frere Roger gesprochen – ein toller Mann! Ich höre ihr zu und bin ein wenig neidisch. Andrerseits wundere ich mich, wer da alles in der Gruppe mit dem Lehrer Pater Vidal nach Taizé fährt. Ein paar ziemlich ausgeflippte Typen sind dabei. Denen geht es doch bestimmt nicht um Glauben! Ob ich zu denen gehören will? Außerdem geht mir der Personenkult um Frere Roger auf die Nerven.

Später bin ich doch selbst in Taizé, mit einer anderen Gruppe. Laut singend laufe ich unter all den Leuten auf der Straße. Im Zelt geht es viel um politische Themen. In der Kirche sind Tag und Nacht Leute, vor allem junge. Sie beten, lesen, reden leise miteinander. Ich staune über die vielen Menschen. Es sind Suchende und auch tief überzeugte, fromme Leute, viele, die für den Frieden oder gegen Atomkraftwerke demonstrieren. Es fällt nicht auseinander, im Gegenteil. Innige Christusfrömmigkeit und politisches Engagement gehören in Taizé zusammen. Eine starke Bewegung, eine geistliche Kraft, wie an Pfingsten.

Petrus und Johannes laufen durch die Straßen Jerusalems. Wieder einmal ist die Stadt überfüllt, Festpilger aus allen Teilen des Imperiums sind da. Es ist wieder Schawuot, das Wochenfest, Pfingsten. Sie kommen an dem Haus vorbei, wo sie sich damals versteckt hatten, bis dann an Pfingsten alles anders war. „Weißt du noch? Wie lange ist das jetzt her?“ „16 Jahre, oder vielleicht 17? Eine Ewigkeit. So kommt es mir vor.“ „Das hätt ich mir nicht träumen lassen, was inzwischen alles geschehen ist. Die Gemeinde in Alexandria ist fast so groß wie unsere hier und Antiochia ist noch größer. Dort nennen sie sich jetzt Christen. Sogar in Rom gibt es welche von uns.“ „Ja, das hätt ich mir nicht träumen lassen, Johannes. Das hätt ich mir nicht träumen lassen, dass ich fast täglich in Versammlungen herumsitze und die meiste Zeit damit verbringe, Streitereien in den Gemeinden zu schlichten. Mal zetern die griechischen Witwen, dass sie bei der Fürsorge zu kurz kommen. Mal wird ein Gemeindeleiter angezeigt. Und diese Heidengemeinden in Antiochia und überall – mich wundert es nicht, wenn sie uns wegen denen noch aus den Synagogen rauswerfen.“ „Ach, reg dich nicht so auf, Petrus! Schau, dort drüben, das Haus des Hohen Priesters. Weißt du noch, wie wir dort vor dem Rat standen und du gesagt hast: „Wir können nicht schweigen über Jesus! Wir müssen von ihm erzählen. Er lebt! Er ist bei uns. Wir folgen seinen Worten.“ Du warst super damals. Und was daraus geworden ist! So schön ist es, wenn wir seine Auferstehung feiern und das Brot brechen!“ „Jaja, viele sind dabei. Aber nur Ärger überall. Manchmal denke ich, wir haben Jesus vergessen. Oder hat er uns vergessen?“

Pfingsten: die alte Dame Kirche feiert heute Geburtstag, aber viele haben sie vergessen. Sie selbst ist auch recht vergesslich geworden. Sie feiert gern schöne Feste und Gottesdienste. Davon versteht sie etwas. Sie hat viele Kinder, Enkel und Urenkel, in Rom und Wittenberg, in Taizé und beim Kirchentag, an vielen Orten, auch hier in Kenzingen. Manchmal weht die Kinder ein pfingstlicher Geist an. Dann spüren sie etwas von der Kraft und Begeisterung der ersten Christen. Dann sind sie eins mit Christus und zugleich nah dran an den Menschen und ihren Fragen. Aber oft ist da auch kein Feuer, keine Kraft, kein Geist. Dann vergessen sie, dass sie alle zu der alten Dame Kirche gehören und miteinander die eine Kirche Christi sind. Würden wir heute gern das Feuer und den Sturmwind von Pfingsten spüren? Oder ist es uns ganz recht etwas ruhiger?

Jesus Christus sagt im Johannesevangelium: Wer mich liebt, wird mein Wort bewahren, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und uns bei ihm eine Bleibe schaffen. Wer mich nicht liebt, bewahrt meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht meines, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich euch gesagt, als meine Bleibe noch bei euch war. Der Fürsprecher aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht! (Joh 14,23-27 Zürcher)

Jesus schafft sich eine Bleibe. Die Wohnung ist noch nicht breitet. Sie wird gebaut. Gott und Jesus machen Wohnung bei uns – so sagt es Jesus. Jesus schafft sich eine Bleibe, nicht wie ein vornehmer Gast, den man gerne mal sonntags für ein Stündchen aufnimmt und freundlich wieder verabschiedet. Jesus will bleiben. Er will bei uns wohnen, sonn- und werktags. Er will uns nah sein. Er liebt uns und so zieht er ein. Wenn sich jemand in unserem Leben breit macht, hat das Folgen. Genau darauf legt er es an. „Wer mich liebt, wird mein Wort bewahren.“ sagt Jesus. Dietrich Bonhoeffer kommentiert: „Wenn Gott und Christus in uns Wohnung machen, dann müssen alle anderen Herren, denen wir Raum in unserem Herzen gegeben haben, weichen.“ Bin ich dazu bereit? Sind wir dazu bereit?

„Du Heilger Geist, bereite ein Pfingstfest nah und fern!“ Ich muss gestehen: Das singe ich mit gemischten Gefühlen. Ein Sturm, ein Feuer, wie damals? Manchmal wünsche ich mir mehr Begeisterung in unserer Kirche, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, eins mit Christus, engagiert in den Fragen unserer Zeit, ein wenig wie in Taizé oder beim Kirchentag. Andrerseits ist da ein starker Wunsch, alles so zu lassen, wie es ist. Da ist ja auch vieles in unserer Kirche, was gut ist und was wir genießen. Einerseits wünsche ich mir eine mitreißende Gemeinschaft. Andrerseits habe ich auch gerne meine Ruhe, meinen Glauben ganz für mich. Das ist die Stärke und die Schwäche unserer Volkskirche, dass jede und jeder individuell seinen und ihren Weg gehen kann. Wir sind offen – und unverbindlich.

Aber kann die Kirche, können wir als Christen in ruhigen Gewässern bleiben, fern von den Stürmen? Auf die Dauer wohl kaum. Darum können wir auch nicht jeder für sich Christen sein. Kirche gibt es nur in der wir-Form.

Jesus sagt: „Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!“ Wohin geht der Weg der Kirche? Wie wird sie aussehen in 20, 30 oder 50 Jahren? Vielleicht weht ein pfingstlicher Wind durch unsere Kirche. Vielleicht sind dann viele begeistert, wie damals an Pfingsten. Vielleicht gibt es auch ganz andere Stürme, die uns durchschütteln, vieles umwerfen und Leid bringen. Wie es auch kommt, Jesus verspricht seiner Kirche seinen Geist, seinen Frieden. Luther schreibt: „Die Wohnung, in der der Herr wohnt, steht mitten in den Dornen. Willst du Christus haben, so musst du einen Widersacher haben. Dort gibt es keinen Frieden, als dass du sein Wort ergreifst und ihm vertraust.“

„Du Heilger Geist bereite ein Pfingstfest.“ Wir können nicht sagen, wohin der Weg der Kirche führt. Aber wir haben Jesu Wort: „Ich werde bei euch wohnen. Ich sende euch den Geist. Ich gebe euch meinen Frieden.“ „Du Heilger Geist bereite ein Pfingstfest nah und fern.“ Ja, komm Heiliger Geist, erneuere deine Kirche und fange bei mir an. Amen

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