Joh 3,1-8 Trinitatis

Predigt am 31.5.15 von Andreas Hansen über Joh 3,1-8

Trinitatis, Fest des dreieinigen Gottes

Jesus ist allein mit seinen Jüngern und fragt sie: „Für wen halten mich die Leute?“ Sie erzählen: „Manche sagen, mit dir ist Johannes der Täufer zurückgekehrt. Andere meinen, du bist Elia. Oder mit anderen Propheten vergleichen sie dich.“ „Und ihr, für wen haltet ihr mich?“ Simon ergreift wie immer als erster das Wort: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ „Glücklich bist du, Simon Petrus, denn das hat dir nicht menschliche Klugheit, sondern mein Vater im Himmel offenbart.“ (nach Mt 16,13-17)

Simon denkt: „Es genügt nicht, dich einen besonderen Menschen zu nennen, einen Propheten wie die anderen, einen Menschen mit besonderen Gaben zu heilen und zu reden. Das alles bist du ja wirklich: ein besonderer Mensch, ein Prophet, ein Mensch mit wunderbaren Gaben von Gott. Du feierst, lachst und singst mit uns. Du kannst zornig und traurig sein wie wir. Ich verstehe dich nicht immer und ich bin nicht immer deiner Meinung, aber ich hänge an dir wie an keinem anderen Menschen.“ So ungefähr geht es Simon durch den Kopf. Aber da ist noch mehr, noch etwas anderes, etwas in einer ganz anderen Dimension: „Ich glaube an dich, Jesus, wie ich an Gott glaube. Ich glaube, du bist eins mit Gott. Wie kann ich das sagen? Du bist der Sohn Gottes, der Christus.“

So denkt und glaubt Simon Petrus. So glauben wir Christen. Was Petrus ausspricht, ist der Kern unseres Glaubens: Jesus ist der Herr. Gott und Jesus sind eins. Jesus ist Gottes Sohn. Und Jesus antwortet: „Nicht aus dir selbst kommt dieser Glaube. Nicht durch eigene Klugheit hast du das erkannt. Gott hat dir offenbart und geschenkt, dies zu glauben. Denn Gott wird nur durch Gott erkannt.“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes beginnen wir den Gottesdienst. Wir wurden getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir loben in unserm Bekenntnis, Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist. Trinität, der Glaube an den drei-einen Gott ist weit mehr als eine Formel oder eine Spezialität für gelehrte Theologen. Selten gebrauchen wir das Wort Trinität, Dreieinigkeit. Aber was es meint, ist unverzichtbar für unseren Glauben. Gott begegnet uns. Gott wird uns ein Gegenüber, ein Du. Gott offenbart sich. Ein Funke springt über, wie zwischen Liebenden. Eine Beziehung entsteht, ein lebendiger Austausch, ein Vertrauen. Das geschieht durch den Heiligen Geist. Jesus ist selbst getragen vom Vertrauen zu seinem Vater im Himmel. Er nimmt uns hinein in diese Beziehung. So glauben wir. So sehr liebt Gott die Welt, dass er sich uns schenkt in seinem Sohn Jesus Christus und uns zu Kindern Gottes macht. Es ist immer der eine einzige Gott, der sich uns in Jesus durch den Geist offenbart. Die Einzigkeit Gottes ist für Juden, Christen und Muslime zentral wichtig. Zwischen der Einzigkeit Gottes und dem Glauben an den dreieinigen Gott sehen wir Christen keinen Widerspruch.

Der Evangelist Johannes erzählt: Einer der führenden Männer des jüdischen Volkes, ein Pharisäer namens Nikodemus, suchte Jesus einmal bei Nacht auf. »Rabbi«, sagte er zu ihm, »wir wissen, dass du ein Lehrer bist, den Gott gesandt hat. Denn niemand kann solche Wunder tun wie du, wenn Gott nicht mit ihm ist.« Jesus entgegnete: »Ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.« – »Wie kann ein Mensch, wenn er alt geworden ist, noch einmal geboren werden?«, wandte Nikode-mus ein. »Er kann doch nicht in den Leib seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!« Jesus erwiderte: »Ich sage dir eins: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht ins Reich Gottes hineinkommen. Natürliches Leben bringt natürliches Leben hervor; geistliches Leben wird aus dem Geist geboren. Darum sei nicht erstaunt, wenn ich dir sage: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind weht, wo er will. Du hörst zwar sein Rauschen, aber woher er kommt und wohin er geht, weißt du nicht. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.«

Nikodemus ist vorsichtig. Er kommt im Schutz der Nacht. Niemand soll sehen, dass er zu Jesus geht. Nikodemus ist ein Pharisäer, ein frommer Mensch. Er gehört zum Hohen Rat. Später werden die Pharisäer negativ beurteilt. Ihr Name wird sprichwörtlich für einen engen, gesetzlichen und heuchlerischen Glauben – damit tut man ihnen Unrecht. Nikodemus sucht ehrlich nach einem Weg, um Gott nahe zu sein und seinem Wort zu folgen. Ein kritischer, fragender, suchender Mensch ist er. Er wird sich für Jesus einsetzen, wenn der Hohe Rat über ihn reden wird. Er wird dafür sorgen, dass Jesus ordentlich bestattet wird. Aber er ist kein Jünger. Er bleibt distanziert.

Mit einem Kompliment beginnt Nikodemus das Gespräch: „Wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gesandt. Gott ist mit dir.“ Jesus antwortet, als hätte er nicht zugehört. „Ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird dann kann er das Reich Gottes nicht sehen. – Du willst etwas von Gott sehen, Nikodemus. Dich treibt eine Sehnsucht nach Gott zu mir. Du musst von neuem geboren werden. Du brauchst Gottes Geist, damit Neues beginnt, damit die Hoffnung stark wird.“ Jesus durchschaut die Menschen, die ihm begegnen. Er sieht, was sie im Herzen bewegt. Eine Sehnsucht treibt Nikodemus zu Jesus. Er ist enttäuscht, verzweifelt, voller Fragen. Er will Gottes Reich sehen.

Da ist ein Sehnen tief in uns. Wir erleben die Welt voll Widerspruch gegen Gott. Gewalt und Habgier herrschen. Es gibt so viele ungelöste Konflikte. Ich lese von zahllosen Hassmails gegen Politiker in unserem Land, Mails voller Beschimpfungen und Morddrohungen. Seit Pegida hat das enorm zugenommen. Ich höre vom Siegeszug der IS-Kämpfer. Unvorstellbares Leid bringen sie. Wie können Menschen so grausam sein? Die Mächtigen in der Region, in Saudi-Arabien, im Iran, in Syrien, verfolgen ungerührt ihre Machtinteressen. Kann man in dieser Welt auf Frieden und Gerechtigkeit hoffen? Wie können wir selbst anfangen mit dem Frieden? Wie kommt Gottes Reich? Nikodemus, ich teile deine Sehnsucht, dass die Welt Frieden finde, dass heilt, was zerrissen ist.

Da ist ein Sehnen tief in uns. Paulus, ein anderer Pharisäer, der Christus begegnet ist, schreibt, wie friedlos er selbst ist und wie er fast verzweifelt: „Ich tue nicht das Gute, das ich tun will, sondern das Böse, das ich nicht tun will. … Ich unglückseliger Mensch. Mein ganzes Dasein ist dem Tod verfallen. Wird mich denn niemand aus diesem elenden Zustand befreien? Doch! Und dafür danke ich Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ (Röm 7,19.24.25) Nikodemus fragt: „Wie kann ein Mensch neu geboren werden? Wie kann ich neu anfangen? Ich kann nicht aus meiner Haut. Immer wieder erlebe ich die gleichen Muster. Der Streit, der mich schon so lange plagt, bricht immer wieder auf. Immer wieder reagiere ich verletzt und schlage zurück. Immer wieder habe ich Angst, nicht anerkannt zu sein. Immer wieder auch meine begrenzte Sicht von anderen – ich merke, wie schnell ich jemanden verurteile, wie wenig ich anderen zutraue. Neu geboren werden? Neu beginnen? Wie soll das gehen?“

„Sicher bleiben wir in unseren eingefahrenen Bahnen, Nikodemus. Sicher stoßen wir immer wieder an unsere Grenzen. Wir sind gelähmt durch alte Ängste. Was wir einander angetan haben, unsere Schuld, scheint unüberwindbar wie ein Berg. Wir sind zu bequem und haben kein Vertrauen. All das stimmt, Nikodemus. Aber all das hält Gott nicht auf. Gott findet sich nicht ab damit, dass die Welt friedlos und ungerecht ist. Gott gibt die Welt nicht auf. Kein Mensch ist ihm gleichgültig. Gott findet sich nicht ab damit, dass du an deine Grenzen stößt und so verzagt und von Schuld belastet bist. Du wirst nicht aus eigenem Entschluss und durch eigene Kraft neu geboren. Aber durch Gott selbst, den Heiligen Geist bricht auf, was dich lähmt. Bitte um den Geist! Vertrau darauf, dass Gott Gutes mit dir vorhat!“

Nikodemus bleibt distanziert, so wie viele Menschen. Es quält uns manchmal, dass Menschen nicht glauben können, auch Menschen die wir lieben und denen wir das sehr wünschen. Wo und wann Gott will, wirkt der Heilige Geist. Wo und wann Gott will, erreicht er uns, weckt er in uns Glauben und überwindet unsere engen Grenzen und führt uns zum Ziel. „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes, des Vaters, und die Kraft des Heiligen Geistes, der uns Gemeinschaft untereinander schenkt, sei mit uns allen.“ (2.Kor 13,13) Amen

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