Joh 20,11-18 Ostern

Predigt am 5.4.15 von Andreas Hansen über Joh 20,11-18

Joh 20,11-18: Maria aber blieb draußen vor dem Grab stehen; sie weinte. Und während sie weinte, beugte sie sich vor, um ins Grab hineinzuschauen. Da sah sie an der Stelle, wo der Leib Jesu gelegen hatte, zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen am Kopfende und den anderen am Fußende. »Warum weinst du, liebe Frau?«, fragten die Engel. Maria antwortete: »Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin sie ihn gebracht haben.« Auf einmal stand Jesus hinter ihr. Sie drehte sich nach ihm um und sah ihn, erkannte ihn jedoch nicht. »Warum weinst du, liebe Frau?«, fragte er sie. »Wen suchst du?« Maria dachte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: »Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir bitte, wo du ihn hingelegt hast, dann hole ich ihn wieder.« – »Maria!«, sagte Jesus. Da wandte sie sich um und rief: »Rabbuni!« Das bedeutet auf Hebräisch »Meister«. Jesus sagte zu ihr: »Halte mich nicht fest! Ich bin noch nicht zum Vater in den Himmel zurückgekehrt. Geh zu meinen Brüdern und sag ihnen, dass ich zu ihm zurückkehre – zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.« Da ging Maria aus Magdala zu den Jüngern zurück. »Ich habe den Herrn gesehen!«, verkündete sie und erzählte ihnen, was er zu ihr gesagt hatte.

Maria Magdalena weint. Sie ist außer sich vor Schmerz. Sie steht vor dem Grab und weint. Viele weinen wie sie. Andere können nicht einmal weinen. Sie sind erstarrt vor Leid. Wie betäubt sind Menschen, denen Unglück geschieht. Wie werden die Eltern der 16 Schüler von Haltern diese Ostern erleben? Oder andere, deren Partner gestorben ist oder sie verlassen hat? Kranke, denen eine Diagnose kaum noch Zeit lässt? Maria steht auch für die Christen im IS-Gebiet. Sie alle können sich wiederkennen in Maria. Die Trauer reißt uns aus allem heraus. Alles rückt von uns ab, als sähen wir durch milchiges Glas. Wir sind uns selbst fremd. Maria weint an diesem Morgen. Für sie ist noch nicht Ostern. So geht es auch heute vielen.

Maria weint und sieht nichts. Jesus fehlt ihr. Für nichts anderes hat sie Augen. Im Grab sitzen zwei Engel. Maria nimmt sie nicht wahr. Die Engel beeindrucken oder erschrecken sie nicht. Sie sieht nur die leere Stelle, wo der Leib Jesu lag. „Sie haben meinen Herrn weggenommen.“ Sie dreht sich um. Da steht Jesus vor dem Grab. Sie sieht ihn und erkennt ihn nicht. „Warum weinst du? Wen suchst du?“ Ja, wen sucht sie? Sie sucht, was gewesen ist. „Wenn du ihn weggenommen hast, sag mir wo du ihn hingelegt hast.“ Maria geht an Jesus vorbei.

Eva Zeller dichtet:

„Neben dem Grab zu dem ich meine Blumen trage ist ein Schneerest liegengeblieben

Von weitem sieht er aus wie beiseite geworfene leinene Tücher

Ach Gott ich möchte dem Bild Glauben schenken und wenn ich mich umdrehte den Mann stehn sehn der mich fragte warum ich weine

Ich würde ihn zuerst auch für den Gärtner halten“

Die Trauer blickt zurück. Das ist ihr Recht. Wir müssen das Vergangene betrachten, Leid und Glück nachempfinden. Was war, bleibt ein Teil von uns. Doch hier beginnt mitten im Weinen ein Neues. Mit einem Wort, ganz zart, beginnt das Osterfest. „Maria“ Sie wendet sich wieder zu Jesus und erkennt ihn. Sie sieht Jesus. Er lebt. Ein Wort öffnet ihr den Blick. Er spricht sie mit Namen an. Er kennt sie, und sie erkennt ihn. „Erkennen“ – ein Wort für Liebe. „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ So schreibt Paulus. Die Liebe bleibt. Maria ist erkannt und geliebt. Jesus hat ihren Namen auf den Lippen. Jesus ist auferstanden. Marias Tränen trocknen.

Maria hat Jesus nicht in dem, was gewesen ist. Sie hat Jesus nicht, wenn sie seinen Leichnam findet. Sie muss loslassen. Eine neue Zeit beginnt. „Halte mich nicht fest!“ sagt Jesus. Er ist nicht einfach zurückgekehrt. „Ich gehe zum Vater, zu Gott.“ Er ist eins mit Gott. „er sitzt zur Rechten Gottes“. Auf eine andere Weise ist Jesus da. „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Der die Tränen trocknet, steht schon neben uns. Wir sehen ihn nicht. Er ist uns verborgen. Aber er ruft uns mit Namen. Unser Name in Jesu Mund. „Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Jesus verbindet sich mit uns. Er kennt und liebt uns. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“

Niemand verfügt über den Auferstandenen. Wir können nicht machen, dass die Menschen glauben. So viele erreicht kein Wort. Ostern ist für sie ein Rätsel oder ein Märchen. Sie sind eingeschlossen in ihr Leid. Sie sind wie Maria, die keine Engel sieht und nichts versteht. Oder sie sind gleichgültig. Nichts rührt sie an.

Wie nur hören wir seine Stimme? Wie kann es heute Ostern werden? Jesus selbst zeigt sich. Er erschließt sich. Er begegnet. Er selbst muss uns Augen und Ohren öffnen. Wo und wann es Gott will, spricht er uns an. Erwarten lassen sich solche Momente. Wir können sie erhoffen und erbitten: in seinem Wort, in Brot und Wein, im Gottesdienst, im Gebet, im Gespräch.

Ein Wort genügt, „Maria“, und sie wendet sich um zu ihm. Maria erkennt Jesus als den Lebendigen. Auf eine neue Weise ist sie ihm begegnet. Sie bleibt verbunden mit ihm. Ihr Name bleibt auf seinen Lippen. Es ist nicht alles gut, gewiss. Aber er ist da und es wird gut. Die Liebe bleibt. Jetzt ist Ostern. Maria hat sich umgewandt. Sie sucht nicht, was gewesen ist. Nun glaubt sie trotz allem, hofft sie trotz allem, durch den lebendigen Jesus. Maria Magdalena wird selbst zur Botin, zum Engel für die anderen: „Ich habe den Herrn gesehen.“

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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