Ich singe dir mit Herz und Mund

Predigt am 29.Juni.14 von Andreas Hansen über Ich singe dir mit Herz und Mund, EG324

Liedpredigt im Gottesdienst, in dem Jakoba Marten-Büsing der Titel Kantorin verliehen wird

1) Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust; ich sing und mach auf Erden kund, was mir von dir bewusst. 2) Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad und ewge Quelle bist, daraus uns allen früh und spat viel Heil und Gutes fließt. 3) Was sind wir doch? Was haben wir auf dieser ganzen Erd, das uns, o Vater, nicht von dir allein gegeben werd? 7) Ach Herr, mein Gott, das kommt von dir, du, du musst alles tun, du hältst die Wach an unsrer Tür und lässt uns sicher ruhn.

Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust. Die erste Strophe des Liedes steht in der Einladung zu unserem Gottesdienst. Paul Gerhardts Lied ist heute auch Grundlage der Predigt, liebe Gemeinde. „Der Gottesdienst beginnt im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“, sagte mein Liturgiklehrer, um sich gleich darauf selbst zu verbessern: „Nein, eigentlich schon mit dem Orgelvorspiel. Oder nein, schon mit dem Läuten der Glocken.“ Ja, wann fängt für Sie der Gottesdienst an? Vielleicht sind Sie noch in Gedanken bei der vergangenen Woche oder einem Gespräch vor der Kirchentür. Aber dann erklingt eine Melodie, altbekannt und vertraut. Sie stimmen ein – und spätestens jetzt sind Sie angekommen: „Ich singe dir, Gott. Ich singe dir zu – du, mein Gott, bist da. Nicht nur mein Mund singt, es klingt in mir und richtet mich aus, mein Herz singt. Ich singe für dich, Gott, und werde froh – du bist meines Herzens Lust. Ich bringe, was ich auf dem Herzen habe und höre, was du mir zu sagen hast. Ich singe mit den anderen und mit der Orgel. Gemeinsam sind wir hier und singen und beten und hören.“

Ein Lied kann uns in den Gottesdienst führen, liebe Gemeinde. Es kann uns an den Platz stellen, der uns vor Gott gebührt. Es kann unser Herz öffnen und ein Gespräch mit Gott eröffnen. Das alles kann geschehen und wir erleben es. Natürlich können wir im Gottes-dienst auch unberührt bleiben. Nichts spricht uns an. Alles bleibt wie fremd. Aber gerade, wenn wir so verschlossen sind, gebraucht der Heilige Geist mit Vorliebe Lieder und Klänge um unser Herz anzurühren. „Ich singe dir mit Herz und Mund. Ich kann nicht schweigen. Was mich bewegt, will ich singen.“ Wir sind tagtäglich umgeben von einer Fülle von Musik, Gedudel, Werbesongs. In manchen Sendern werden sogar die Nachrichten mit rhythmischen Klängen unterlegt. Aber ach: wir singen nicht! So viele Menschen getrauen sich kaum zu singen, höchstens allein im Auto oder im Stadion in der Nordkurve. Kinder, Menschen jeden Alters singen eigentlich so gerne und es ist wunderschön, wenn sie das entdecken oder wieder entdecken. Gott will, dass wir für ihn singen, singend ihn anbeten, singend auf seine Güte antworten. Paul Gerhardts Lied und Johann Crügers Melodie dazu beschreiben präzise unseren Platz vor Gott. Gott will unsere Antwort. Er spricht uns an. Er beschenkt uns reich. Wir sind hier, um ihn zu loben. Wir öffnen uns Herz und unseren Mund und danken ihm und verkünden, was er getan hat. Ich sing und mach auf Erden kund, was mir von dir bewusst.

Paul Gerhardt besingt immer neu die Fülle der Gaben Gottes. „Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad und ewge Quelle bist, daraus uns allen früh und spat viel Heil und Gutes fließt.“ Wie der Beter in Psalm 36: „Bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“ Gott, wie eine Quelle. In allem Guten und Schönen, in den Gaben der Schöpfung, im Leben selbst fließen und strömen seine Güte, Heil und Gutes. Wir staunen über einen Menschen, der in so harter Zeit, das Leben so von Herzen bejahen und Gott loben konnte. Die Pest wütete. Viele Kinder starben – das musste Paul Gerhardt leidvoll erleben. Er schrieb das Lied etwa in der Zeit, als hier in Kenzingen unsere Kirche gebaut wurde. Der 30-jährige Krieg hatte weite Landstriche verwüstet und fast entvölkert. Ganze Dörfer wurden aufgegeben, wie das Dorf Nidingen, zwischen Kenzingen und Forchheim gelegen. Aber die Steine der dortigen Kirche wurden zum Bau unserer Kirche verwendet. Das Lob Gottes sollte dennoch nicht verstummen. „Du, Gott, hältst die Wach an unsrer Tür und lässt uns sicher ruhn.“ Gott muss uns bewachen, sonst ist es aus mit uns. Unser Leben ist nicht selbstverständlich sicher. Keinen Schritt können wir gehen, keinen Atemzug tun, wenn Gott uns nicht bewahrt. Wir leben durch seine Güte. Darum loben und singen wir, selbst in schwerer Zeit.

11) Du zählst, wie oft ein Christe wein und was sein Kummer sei; kein Zähr- und Tränlein ist so klein, du hebst und legst es bei. 12) Du füllst des Lebens Mangel aus mit dem, was ewig steht, und führst uns in des Himmels Haus, wenn uns die Erd entgeht.

„Du zählst, wie oft ein Christe wein und was sein Kummer sei“. Wieder die Sprache der Psalmen, Ps 56,9: „Zähle die Tage meiner Flucht, sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie.“ Paul Gerhardt trällert nicht fröhlich über das Leid hinweg. Er ist sich immer bewusst, dass in seiner Gemeinde auch traurige, angegrif-fene, vielleicht verzweifelte Menschen sitzen, die Trost brauchen. Wir loben Gott und kennen doch die dunklen Stunden. Ein Blick in die Nachrichten oder ein offenes Ohr für die Menschen neben uns rufen in Erinnerung, wie ausgesetzt viele Menschen sind, Opfer von Unrecht und Gewalt, Menschen in Krankheit und seelischer Not. Wir besingen die Güte Gottes und denken doch an die Menschen auf der Flucht, an unsere Kranken und alle, um die wir uns sorgen. So zerbrechlich sind wir. Eine Kleinigkeit genügt und wir sind aus dem Gleichgewicht. Leicht und bedenkenlos geben wir selbst dem Bösen Raum, sind rücksichtslos, selbstsüchtig, bequem. Wir haben Gerhardts Strophe über die Sünder nicht gesungen, aber wir wissen wohl, dass auch wir selbst anderen Menschen und Geschöpfen Leid bereiten und Gott zuwider leben. „Du füllst des Lebens Mangel aus“. Mangelhaft, 5, nicht bestanden. Ist so unser Leben? Wir rühmen so gerne, was wir alles leisten, wie erfolgreich unsere Kinder sind, wie viele Stunden wir schuften, wie fitt wir für unser Alter sind. Nein: „des Lebens Mangel“ – ein knapper Begriff für: „das genügt nicht“, ein zweifacher Mangel gar. Der strenge Lutheraner Gerhardt ist sicher, dass wir Gott nicht genügen. In Gedanken, Worten und Werken widersprechen wir Gott. Nichts, was wir tun, ist frei vom Widerspruch gegen Gott. Aus eigener Kraft können wir nicht schaffen, was Gott entspricht. Darum: Wie gut, dass Gott unseren Mangel ausfüllt! Wie wunderbar, dass wir ihm dennoch recht und lieb sind! Und wir empfinden zuweilen auch selbst „des Lebens Mangel“. Wir sind frustriert, wenn unser Tun vergeblich bleibt. Die Zeit rinnt uns durch die Finger, obwohl der Kalender immer voller ist. Beziehungen zerbrechen. Wir können nichts tun, wenn Krankheit oder Tod liebe Menschen trifft. Die Leere, die Vergeblichkeit, all die Abschiede: Paul Gerhardt schrieb: „die Erde entgeht uns“: wir verlieren den Boden unter den Füßen, wir erleben unsere Begrenztheit, wir sind in Frage gestellt. Aber auch an der Grenze stehen wir vor Gott und sagen und singen ihm zu: „Du füllst des Lebens Mangel aus“ „im finsteren Tal: Du, du bist bei mir“. Singend vergewissern wir uns: Gott lässt uns nicht allein. Nichts, keine Macht der Welt, nicht einmal der Tod kann uns trennen von der Liebe Gottes. So fordert Paul Gerhardt sich selbst schließlich auf: „Sing nur, sing, fröhliches und verzagtes Herz, sing, es ist gut.“ Amen

13) Wohlauf, mein Herze, sing und spring und habe guten Mut! Dein Gott, der Ursprung aller Ding, ist selbst und bleibt dein Gut. 14) Er ist dein Schatz, dein Erb und Teil, dein Glanz und Freudenlicht, dein Schirm und Schild, dein Hilf und Heil, schafft Rat und lässt dich nicht.