- Sonntag nach dem Christfest, Lk. 2, 41-52,
Pfr.iR Hanns-Heinrich Schneider, Kenzingen
Lied 45 1+3 Herbei, o ihr Gläubigen
Herbei, o ihr Gläub’gen,
fröhlich triumphieret,
o kommet, o kommet
nach Bethlehem!
Sehet das Kindlein,
uns zum Heil geboren!
O lasset uns anbeten
den König!
Kommt, singet dem Herren,
singt, ihr Engelchöre!
Frohlocket, frohlocket,
ihr Seligen: „Ehre sei Gott
im Himmel und auf Erden!“
O lasset uns anbeten
den König!
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen
Weihnachten und Sylvester sind vorüber, wir sind in einem neuen Jahr angekommen. Ein schwieriges Jahr liegt hinter uns. Weihnachten und Sylvester waren mit Auflagen verbunden und all das, was bisher in unserem Leben selbstverständlich war, musste auf den Prüfstand gestellt werden. Wir feiern unseren Gottes-dienst gegen alle Resignation und Sorge.
Guter Gott! Wir danken dir, dass wir diesen Gottesdienst in einem neuen Jahr unseres Lebens miteinander feiern dürfen. Wir stehen mit unseren Kindern, Familien und Freunden vor einem neuen Jahr. Trotz aller Herausforderungen des vergangenen Jahres schauen wir dankbar zurück und zugleich voller Zuversicht nach vorn. Lass gelingen, was wir uns vornehmen, wenn es dem Zusammenleben aller Menschen dient. Begleite uns in dieses neue Jahr unseres Lebens mit deinem guten Geist, dem Geist der Hoffnung und des Vertrauens, dem Geist der Liebe und des Friedens durch unseren Bruder und Herrn Jesus Christus.
Predigttext Lukas 2,41-52
Die Eltern von Jesus gingen jedes Jahr zum Passafest nach Jerusalem. Als Jesus zwölf Jahre alt war, nahmen sie ihn zum ersten Mal mit. Nach den Festtagen machten die Eltern sich wieder auf den Heimweg, während der junge Jesus in Jerusalem blieb. Seine Eltern wussten aber nichts davon. Sie dachten, er sei irgendwo unter den Pilgern. Sie wanderten den ganzen Tag und suchten ihn dann abends unter ihren Verwandten und Bekannten. Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie am folgenden Tag nach Jerusalem zurück und suchten ihn dort. Endlich am dritten Tag entdeckten sie ihn im Tempel. Er saß mitten unter den Gesetzeslehrern, hörte ihnen zu und diskutierte mit ihnen. Alle, die dabei waren, staunten über sein Verständnis und seine Antworten. Seine Eltern waren ganz außer sich, als sie ihn hier fanden. Die Mutter sagte zu ihm: »Kind, warum hast du uns das angetan? Dein Vater und ich haben dich überall gesucht und große Angst um dich ausgestanden.« Jesus antwortete: »Warum habt ihr mich denn gesucht? Habt ihr nicht gewusst, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?«
Aber sie verstanden nicht, was er damit meinte. Jesus kehrte mit seinen Eltern nach Nazareth zurück und gehorchte ihnen willig. Seine Mutter aber bewahrte das alles in ihrem Herzen. Jesus nahm weiter zu an Jahren wie an Verständnis, und Gott und die Menschen hatten ihre Freude an ihm.
Maria und Josef haben es schwer, sie sind ganz außer sich! Ihr Ältester hat sich der Kontrolle der Eltern entzogen und hat sich seinen Weg in Jerusalem gesucht. Er ist in der Pubertät, wie alle Kinder in seinem Alter. Dazu ist ja die Pubertät da, dass Kinder sich von ihren Eltern und umgekehrt Eltern sich nach und nach von ihren Kindern lösen, sich frei lassen. Das ist aber einfacher gesagt, und – wie wir sehen – in der Wirklichkeit recht schwer. Eltern meinen immer ihre Kinder beschützen zu müssen, was umgekehrt die Kinder gerade in diesen Jahren gar nicht mehr wollen und sich dagegen auflehnen. Die Pubertät ist also keine Erfindung der Neuzeit.
Die Klage über Frechheit, Begehrlichkeit und Zügellosigkeit, sowie den Zerfall von Sitte und Moral junger Menschen durchzieht die Weltliteratur seit altersher. So heißt es in einer Keilschrift um 2000 v.Chr aus Ur in Chaldäa. „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“ „Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen, so klagt der Philosoph Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr. Und Sokrates klagt ebenfalls im 4. Jahrhundert: „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Und sogar in der Bibel – beim Propheten Micha – heißt es: „Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter steht wider die Mutter, die Schwiegertochter wider die Schwiegermutter“ (Micha 7,6).
Sehr schnell war man früher dabei, unseren nachweihnachtlichen Text vom Ende her zu lesen, denn Lukas schreibt diese Kindheitsgeschichte Jesu ja erst viel später und im Rückblick auf das Leben Jesu. Doch damit werden wir weder den Eltern Maria und Joseph noch dem heranreifendem Jesus gerecht. Die Weihnachtserzählungen sind abgeschlossen, wobei Matthäus noch die Flucht nach Ägypten erwähnt. Und dann hören wir eine ganze Weile nichts mehr aus der Biografie Jesu.
Kindheitserzählungen Jesu finden wir nur noch in den außerbiblischen Schriften, den Apokryphen. Da wird Jesus „als übermütiges Kind mit manchmal bengel- und flegelhaftem Benehmen dargestellt, das seine Macht und Wunderkraft erst zügeln lernen muss. Von Anfang an steht aber die Überlegenheit des Knaben seinen Lehrern gegenüber im Mittelpunkt“, was wohl in einer Beziehung zum 12-jährigen Jesus im Tempel steht. Damit sehen wir einen ganz normalen Jungen vor uns, der kurz davor ist, erwachsen zu werden.
Dieser Blick auf Jesus ist, wenngleich für manche von uns ungewöhnlich, doch von großer Bedeutung. Maria war nie die madonnengleiche Frau mit blonden lockigen Haaren, wehenden Gewändern und einem Heiligenschein um sich herum. Josef, ihr Mann, war nie der alte Mann am Krückstock und das Kind in der Krippe war ein Kind wie jedes andere Kind auch, zu dem Gott sein Ja gesagt hat. Es musste gestillt und gewickelt werden und raubte den Eltern den Schlaf. Jesus, der Gottessohn wurde für uns ein Mensch, ein Mitmensch.
Und das schildert uns Lukas in seiner Weihnachtsgeschichte bis hin zum 12-jährigen Jesus im Tempel. Und weder Maria und Josef, noch Jesus selbst blieb in diesem Miteinander erspart, was auch andere Eltern mit ihren Kindern und Kinder mit ihren Eltern durchmachen. Heute 2000 Jahre später, sehen wir unsere Geschichte einmal aus Sicht der Eltern und dann aus der Sicht ihres Sohnes Jesus.
Denken wir einmal kurz an das Märchen von Rapunzel. Die Zauberin verschließt Rapunzel als junges Mädchen in einem hohen Turm, um sie für sich behalten zu können und verliert sie dann schließlich doch. So ergeht es natürlich auch Maria und Josef. Sie wollen ihr Kind halten und verlieren es letztlich doch.
Sie folgen den Geboten ihrer Väter und Mütter im Glauben und pilgern zum Passafest nach Jerusalem, doch Jesus sucht sich seinen Weg im Festgetümmel, um Gott nahe zu sein. Die Eltern erleben das in größter Sorge, ja „sie waren ganz außer sich“ vor Angst. Martin Luther selbst sagte 1543 sinngemäß zu unserem Text, dass Jesus es durchaus verdient hätte, gezüchtigt zu werden, wenn es eben nicht Jesus gewesen wäre: „Aber Christus war der Herr: Wo es nötig war, gehorchte er, wo nicht, gehorchte er nicht, um so zu zeigen, dass er nicht nur Marias, sondern Gottes Sohn ist. Sie meinten das Kind behüten zu müssen, doch das Kind, fast erwachsen geworden, spielt nicht mehr mit. Das ist, man kann es nicht anders sagen, eine Provokation Jesu. Denn was hätte es Jesus gekostet, seinen Eltern kurz Bescheid zu sagen, wohin er geht? Schon an diesem Text zerbricht das Bild vom „lieben Herrn Jesus“. Jesus war nicht einfach lieb und wurde es auch nie.
Dass dann später einmal von ihm gesagt wird, dass in seiner Gegenwart „die Blinden sehen und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein und die Tauben hören, die Toten stehen auf und den Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, der sich nicht an mir ärgert…“ (Mt. 11,5+6), das können seine Eltern hier und heute bei ihrer Wallfahrt nach Jerusalem natürlich noch nicht sehen. Sie sind in ihrer Angst um ihren Sohn gefangen.
Und Jesus? Jesus läuft ja nur augenscheinlich seinen Eltern weg. Ihm ist hier in Jerusalem an der Pforte zum Erwachsenwerden aber etwas ganz anderes wichtig und dem folgt er. „Aus seiner Sicht `verliert´ er seine Eltern nicht, er lässt sie ganz einfach weiterziehen und sucht sich seinen eigenen Standort.“ Hier erleben wir mit, wie Jesus selbst durch sein Verhalten das moralische Gebot den Eltern zu gehorchen, in Frage stellt. Jetzt geht es ihm an diesem Ort um seine Gottesbeziehung. Es beginnt für den Jungen seine eigene innere Auseinandersetzung mit seinem Glauben, es geht um sein Denken, sein Fragen, sein Suchen – und darum gehört er in diesem Augenblick in den Tempel zu den Glaubensgelehrten. Manche von ihnen werden ihm später das Leben schwermachen.
Wir sehen heute mit unserem Blick auf den 12-jährigen Jesus, wissen um seine spätere Botschaft, hören ihn auch aus seinen Taten heraus und glauben, dass er für uns zum Christus geworden ist. Aber so, wie wir kaum Kindheitsgeschichten kennen, so wenig wissen wir um die Jahre, die er nun in seinem Elternhaus lebt und – wie es erzählt wird – seinen Eltern „gehorsam“ war.
Wir kommen gerade vom Weihnachtsfest her, das so ganz anders war, als die Weihnachtsfeste, die wir zuvor in unserem Leben erleben durften. Wir haben ein Jahr hinter uns gelassen, dass es in sich hatte: Das Coronavirus hat wohl einen jeden von uns gefordert. Wir mussten lernen, uns mit Masken zu bewegen, Abstand zu halten, selbst zu den Menschen, die uns nahestehen und sehr viel stärker auf Hygiene zu achten. Und all das nehmen wir mit in das neue Jahr hinein, das nun vor uns liegt mit. Es gibt Menschen unter uns, die all das nicht (mehr) aushalten, die Quer-denken, weil sie nicht an die Gefahr durch das Virus glauben und meinen durch die Regierungen belogen und durch die Presse manipuliert zu werden.
Was tun? Wie gehen wir als Christen mit unserer Botschaft hoffnungsvoll in ein neues Jahr – wohl wissend – dass uns weitere Herausforderungen erwarten. Von Jesus wird erzählt, dass die Menschen schließlich „ihre Freude an ihm hatten“. Ja, wir sehen heute nicht mehr den 12-jährigen Jungen in seiner Pubertät, sondern sehen, dass uns in diesem Menschen Gott selbst begegnet, was mit seiner Geburt zuvor schon in der Krippe im Stall begann.
Dietrich Bonhoeffer formulierte im Nachdenken über die Herausforderungen seiner Zeit „einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte“, in die wir uns vielleicht auch in unserer Gegenwart gut einfinden können: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.
Genau in diesem Vertrauen dürfen wir darum mit einer `fröhlichen Zuversicht´ in die uns geschenkte Zukunft hineinleben und gehen und das gilt gerade auch für das Jahr 2021. Amen.
Herr guter Gott! Wir danken dir für dein gutes Wort in dem uns Jesus Christus als Mensch und Gott begegnet. Dabei ist es tröstlich zu erfahren, dass die Welt Jesu keine andere Welt als unsere eigene war, dass es auch damals schon Sorgen und Probleme in den Familien gab, die durch deinen guten Geist gelöst werden konnten. Wir beten darum, dass jedes Kind seinen Weg ins Leben findet und alle Eltern ihre Kinder geistvoll auf diesem Weg begleiten können. Wir beten um inneren und äußeren Frieden für alle Menschen, die einen Weg in Ihr Leben suchen unter Beachtung von Menschenwürde und Menschenrechten.
Väterlicher und so mütterlicher Gott, so können wir gar nicht anders, als dir für alle Menschen unter uns zu danken, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind, wir beten aber auch für uns selbst, für unsere Gemeinde, für unsere Freunde in Sundhouse, für unsere katholischen Mitchristen, für unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Schenke allen Menschen weltweit eine fröhliche Zuversicht, wenn Sorgen und Angst sie quälen.
Und alles, was uns noch bewegt, bringen wir vor dich, Gott, in dem wir gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 65,7
Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Gott erhalte uns in gegenseitiger Liebe und schenke uns Freunde und Frieden mit allen Menschen.
Gott segne uns als Boten seiner Liebe, damit alle Welt ein glaubwürdiges Zeugnis unseres Glaubens erfahren kann.
Gott sei bei uns und unseren Familien in guten und an schweren Tagen.
Es segne und behüte euch Gott, der Allmächtige und Barmherzige. Der Vater, der Sohn, und der Heilige Geist. Amen.