Hausgottesdienst für den 20.3. Oculi, Predigt über 1.Könige 19,1-8

20.3.22 3. Sonntag der Passionszeit, Oculi

Andreas Hansen, Kenzingen

 

Wir feiern unseren Hausgottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

 

Lied 391 Jesu, geh voran

Jesu, geh voran auf der Lebensbahn! Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen; führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

 

Soll’s uns hart ergehn, lass uns feste stehn und auch in den schwersten Tagen niemals über Lasten klagen; denn durch Trübsal hier geht der Weg zu dir.

 

Rühret eigner Schmerz irgend unser Herz, kümmert uns ein fremdes Leiden, o so gib Geduld zu beiden; richte unsern Sinn auf das Ende hin.

 

Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst du uns durch rauhe Wege, gib uns auch die nöt’ge Pflege; tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.

 

Psalm 25,15-20

 

Meine Augen blicken stets auf den Herrn.

Denn er selbst zieht meine Füße aus dem Netz.

Wende dich zu mir

und hab Erbarmen mit mir!

Denn ich fühle mich einsam

und unglücklich.

Befreie mich von der Angst,

die mir das Herz zusammenschnürt.

Führe mich aus meiner Bedrängnis!

Nimm mein Unglück und Leid von mir!

Schaff alle meine Sünden aus der Welt!

Sieh nur, wie zahlreich meine Feinde sind

und wie abgrundtief sie mich hassen!

Schütze meine Seele und rette mich!

Lass mich keine Enttäuschung erfahren!

Denn bei dir suche ich Zuflucht.

Ehr sei dem Vater …

 

 

Wir sehen die Nachrichten dieser Tage und die Bilder verfolgen uns. Wir bitten dich, du Gott voll Erbarmen: Befreie die Menschen in Krieg und Leid von der Angst, befreie auch uns von der Angst, die uns das Herz zusammenschnürt.

Hilf der zerstrittenen Welt neu anzufangen.

Schaffe alle unsere Sünden aus der Welt,

unsere Selbstgerechtigkeit, unseren Egoismus,

unsere Trägheit zu ändern, was nicht weitergehen kann.

Richte unsere Augen auf dich, Gott. Mach uns bereit, dir zu folgen, Jesus. Lenke das Denken und Handeln auf deinen Frieden und deine Gerechtigkeit. Amen

 

382,1-3 Ich steh vor die mit leeren Händen, Herr

 

Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr;

fremd wie dein Name sind mir deine Wege.

Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott;

mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen? Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?

Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.

 

Von Zweifeln ist mein Leben übermannt,

mein Unvermögen hält mich ganz gefangen.

Hast du mit Namen mich in deine Hand,

in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben? Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land?

Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?

 

Sprich du das Wort, das tröstet und befreit

und das mich führt in deinen großen Frieden. Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt, und lass mich unter deinen Kindern leben.

Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst.

Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.

 

Predigt

 

Sie schlafen seit drei Wochen in Kellern und Tief-garagen. Wenn sie denn schlafen können in der Unruhe dieser Nächte, in Alarm und Kampflärm. Wenn die Angst vor dem, was noch kommt, sie schlafen lässt, und die Sorge um ihre Angehörigen auf der Flucht und im Kampf.

Die Verzweiflung ist groß und die Hände leer.

mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen?

Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?

Ich möchte glauben, komm du mir entgegen.“

Verzweifelt, gehetzt und lebensmüde ist Elia,   aber Gott lässt ihn nicht in seiner Verzweiflung.

Hören wir den Predigttext, 1.Könige 19,1-8:

 

Ahab erzählte Isebel alles, was Elia getan hatte –auch dass Elia alle Propheten des Baal getötet hatte. Daraufhin schickte Isebel einen Boten zu Elia und drohte ihm: »Die Götter sollen mir antun, was immer sie wollen, wenn ich deinem Leben nicht ein Ende setze! Morgen um diese Zeit soll  es dir ergehen wie den Propheten, die du getötet hast!« Da geriet Elia in große Angst. Er sprang auf und lief um sein Leben. So kam er nach Beerscheba an die Grenze von Juda. Dort ließ er seinen Diener zurück. Er selbst ging noch einen Tag lang weiter – tiefer in die Wüste hinein. Dann setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. »Es ist genug!«, sagte er. »Herr, nimm nun meine Seele! Denn ich bin nicht besser als meine Vorfahren.« Schließlich legte er sich hin und schlief unter dem Ginsterstrauch ein.

Plötzlich berührte ihn ein Engel und forderte ihn auf: »Steh auf und iss!« Als Elia um sich blickte, fand er etwas neben seinem Kopf: frisches Fladenbrot und einen Krug mit Wasser. Er aß   und trank, dann legte er sich wieder schlafen.

Doch der Engel des Herrn erschien ein zweites Mal. Wieder berührte er ihn und sprach:

»Steh auf! Iss! Du hast einen weiten Weg vor dir!«

Da stand Elia auf, aß und trank und ging los. Durch das Essen war er wieder zu Kräften gekommen. 40 Tage und 40 Nächte war er unterwegs, bis er den Horeb, den Berg Gottes, erreichte.

 

Der Gottesmann ist am Ende.

Es ist genug! Herr, nimm nun meine Seele!

Und dann schläft er völlig erschöpft ein.

Schlaf kann so gut und so heilsam sein. Aber Elia ist wie betäubt und noch lange nicht erholt.

Kennen Sie das, wenn man am Morgen wie zerschlagen aufwacht, nicht etwa mit einem Kater, sondern einfach völlig kraftlos und leer?

Elia hat sich verausgabt für Gott. Wie es sein Name sagt, Eli-ja, mein Gott ist der HERR, hat er für den einen und wahren Gott, gegen die Götzen gekämpft. Die Propheten Baals hat er als Lügner entlarvt und dann regelrecht geschlachtet.

Aber seine Gegnerin, Isebel, die phönizische Frau des Königs, ist keineswegs überzeugt.     Sie schwört Rache: „Elia, du bist schon so gut wie tot!“ Und auf einmal befällt ihn Panik, er rennt, rennt um sein Leben, flieht in die Wüste, legt sich lebensmüde unter einen Ginsterstrauch.

 

Es ist genug.

In den letzten zwei Jahren haben wir oft gemeint: „Jetzt reicht es aber. Wir können nicht mehr.“

Angesichts der Not der Ukrainer in den bombar-dierten Städten und auf der Flucht erscheint die Erschöpfung wegen Corona fast übertrieben, obwohl es doch viele hart getroffen hat und sie noch immer an gesundheitlichen, seelischen und wirtschaftlichen Folgen von Corona leiden.

 

Es ist genug! Herr, nimm nun meine Seele!

Wir diskutieren gerade wieder, ob ein Mensch das entscheiden darf, sein Leben zu beenden, und vor allem, ob und wie man ihm dabei helfen darf, wie wir zu guten Entscheidungen kommen und dabei Ärztinnen und Ärzte nicht überfordern.

Die Entscheidung eines Menschen respektieren und dennoch alles tun, damit er oder sie leben will – das Leben stärken und nicht den Tod – es ist schwierig, weil jeder Fall besonders ist. Mit dem Versuch eine gute Regelung zu finden kommen wir schnell an unsere Grenze.

 

Es ist genug! Herr, nimm nun meine Seele!

Das hebräische Wort für Seele heißt „Schlund“, Näfäsch. Da wo alles, was zum Leben notwendig ist durchgeht: Luft, Nahrung, Wasser, Sprache. Die Seele ist mein Atem, meine Bedürftigkeit. Meine Seele bin ich selbst mit allem, was zu mir gehört, mein Leben in Freude und Schmerz, in Beziehung zu anderen Menschen und auch mein Leben vor Gott. Gott gibt uns den Atem. Gott sorgt für unsere Seele. Unsere Seele ist kostbar für ihn.

Sprich du das Wort, das tröstet und befreit

und das mich führt in deinen großen Frieden.

Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst.

Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete

 

Es ist genug! Herr, nimm nun meine Seele!

Aber Gott widerspricht seinem Propheten.

„Nein, Elia, so nicht!“ Sanft und beharrlich drängt Gott ihn zurück ins Leben.

Ein Engel berührt Elia. Was für eine freundliche, liebe Geste. Und was für eine verlockende Einladung. Es duftet nach Brot, herrlich!

Ein Krug Wasser, köstlich hier in der Wüste.

Steh auf und iss! – aber gerne lässt sich Elia einladen, isst und trinkt – und legt sich wieder  zum Schlafen hin. Gott lässt Elia die Zeit, die er braucht.

Und wieder kommt der Engel des Herrn und berührt Elia. Schon etwas schärfer ist sein Ton:

Steh auf! Iss!  – so knapp wie möglich die Anweisung, und dann: Du hast einen weiten Weg vor dir! – Genug noch hast du des Wegs! übersetzen Buber und Rosenzweig wörtlich.    Gott widerspricht Elias kläglichem Genug.

„Nein, Elia, es ist nicht genug! Genug noch hast du des Wegs! Du hast noch etwas vor, und ich habe eine Menge vor mit dir.“

Elia kommt zu Kräften und läuft los, läuft und läuft, unvorstellbar weit bis an den Gottesberg. Dann wird er Gott auf geheimnisvolle Weise begegnen. Und Elia wird einen neuen Auftrag erhalten.

 

Gott will uns begegnen, wo auch immer wir sind. Was hat Gott vor mit dem Menschen, der von Schmerz und Angst geplagt ist, der nicht mehr kann und nicht mehr leben will?

Was hat Gott vor mit all den Flüchtenden an den Grenzen, auf dem Meer, in den Lagern?

Was hat Gott vor mit Wolodymyr Selenskij und was hat Gott vor mit den alten Männern im Kreml?

Ich weiß es nicht, aber ich bin gewiss: Gott will ihnen allen begegnen. Gott rührt uns an.

Er braucht nicht einmal Engel dafür, aber manchmal sendet er wohl seine Boten zu uns. Gott rührt unsere Seele an und sorgt für sie.

Unsere Seele soll nicht weggeworfen werden, sondern atmen, leben. In guten Beziehungen sollen wir leben und dem Leben vertrauen.

Gott geht nicht gleichgültig hinweg über unsere Schmerzen, über die Kriege, das Leid und das Unrecht. Kein Mensch soll sein Leben wegwerfen oder das Leben anderer vernichten.

„Gib nicht auf, Elia!

Es ist nicht genug mit deinem Leben.

Steh auf! Iss! Genug noch hast du des Wegs.“

Amen

 

Gebet

 

Mit leeren Händen stehen wir vor dir, Gott.

Wir sind erschüttert über das, was geschieht.

Wir verstehen nicht.

Hilf den Menschen in Krieg und Not.

Bewahre sie vor denen, die ihnen Gewalt antun.

Behüte sie in den Luftschutzkellern, auf den Straßen, auf der Flucht.

Wohin führt das? Sei bei ihnen, stärke sie, richte sie auf.

 

Wir bitten für die politisch Verantwortlichen, um Einsicht und Umkehr, um Weisheit und Mut und Geduld.

Hilf ihnen Leben zu schützen und der Gewalt zu wehren.

Um Frieden bitten wir dich für alle Länder der Erde.

Hilf uns, dass wir erkennen, wie sehr wir alle den Frieden brauchen und aufeinander angewiesen sind.

 

Wir bitten dich auch für uns, für Kinder und Erwachsene, die von Albträumen aufwachen, für uns in Sorge und Angst.

Wir bitten für die, die sagen: „Es ist genug. Ich kann nicht mehr.“, für die Erschöpften, Enttäuschten, Verzweifelten, für Menschen in seelischer Not.

 

Wir bitten für deine Kirche in allen Konfessionen.

Hilf der Kirche zur Umkehr und Erneuerung, wo sie Unrecht nicht wahrhaben will, vertuscht oder gar fördert.

Bringe uns zusammen auf dem Weg des Friedens.

Herr, erneuere deine Kirche und fange bei mir an.

Bewahre uns.

 

Vaterunser

 

 

Segen

 

Gott segne dich und er behüte dich.  

Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir

und sei dir gnädig.  

Gott hebe sein Angesicht über dich

und gebe dir Frieden. Amen