27.2.22 Sonntag vor der Passionszeit
Andreas Hansen, Kenzingen
Wir feiern unseren Hausgottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen
Lied 275,1+2+4
In dich hab ich gehoffet, Herr;
hilf, dass ich nicht zuschanden werd
noch ewiglich zu Spotte.
Das bitt ich dich: erhalte mich
in deiner Treu, mein Gotte.
Dein gnädig Ohr neig her zu mir,
erhör mein Bitt, tu dich herfür,
eil, bald mich zu erretten.
In Angst und Weh ich lieg und steh;
hilf mir in meinen Nöten.
Du bist mein Stärk, mein Fels, mein Hort,
mein Schild, mein Kraft – sagt mir dein Wort –,
mein Hilf, mein Heil, mein Leben,
mein starker Gott in aller Not;
wer mag mir widerstreben?
„hilf, dass ich nicht zuschanden werd“– wie viel wird im Krieg zuschanden. Wir sind tief erschrocken über den Krieg in der Ukraine. Wir klagen Gott das Leid und das Unrecht dieser Tage. Gott kennt die Not der Welt und die Not unserer Seele.
Ps 31
Herr, auf dich traue ich,
lass mich nimmermehr zuschanden werden,
errette mich durch deine Gerechtigkeit!
Neige deine Ohren zu mir, hilf mir eilends!
Sei mir ein starker Fels und eine Burg,
dass du mir helfest!
Denn du bist mein Fels und meine Burg,
und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen.
Du wollest mich aus dem Netze ziehen,
das sie mir heimlich stellten;
denn du bist meine Stärke.
In deine Hände befehle ich meinen Geist;
du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.
Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte,
dass du mein Elend ansiehst
und kennst die Not meiner Seele
und übergibst mich nicht in die Hände des Feindes;
du stellst meine Füße auf weiten Raum.
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Errette mich von der Hand meiner Feinde
und von denen, die mich verfolgen.
Lass leuchten dein Antlitz über deinem Knecht;
hilf mir durch deine Güte!
Ehr sei dem Vater …
Auf dich hoffen wir, Herr, unser Gott,
sei uns ein starker Fels, eine Burg, eine Hilfe.
Zu dir kommen wir.
Du weißt, was uns angreift und plagt wie Feinde.
Dir bringen wir die Sorge um den Frieden,
wenn wir sehen, was in der Ukraine geschieht.
Wohin führt dieser Krieg? Was bedeutet er für die Menschen in der Ukraine und in ganz Europa?
Dir bringen wir, was uns bedrängt, auch unsere ganz persönlichen Fragen und Nöte. Stell unsere Füße auf weiten Raum – gib uns innere Ruhe und Freiheit für das, was uns herausfordert.
Sei für die, um die wir uns sorgen, und sei für uns
ein starker Fels und eine Burg.
Erbarme dich über uns
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Neue Lieder 217 Wir gehn hinauf nach Jerusalem
Wir gehn hinauf nach Jerusalem
in leidender Liebe Zeiten
und sehen, wie einer für alle stirbt,
um uns einen Platz zu bereiten.
Wir gehn hinauf nach Jerusalem.
Wer will bei dem Herren bleiben
und kosten von einem so bittern Kelch?
Die Angst soll uns nicht von ihm treiben.
Wir gehn hinauf nach Jerusalem,
das Opfer der Welt zu sehen,
zu spüren, wie unsere Not vergeht,
und unter dem Kreuze zu stehen.
Wir gehn hinauf nach Jerusalem,
zur Stätte der ewgen Klarheit.
Wo Leiden und Ohnmacht in unsrer Welt,
da finden wir Christus in Wahrheit
Predigttext Mk 8,27-35
Jesus zog mit seinen Jüngern weiter in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er sie: »Für wen halten mich eigentlich die Leute?« Sie antworteten: »Manche halten dich für Johannes den Täufer, andere für Elija. Wieder andere meinen, dass du sonst einer der alten Propheten bist.« Da fragte er sie: »Und ihr, für wen haltet ihr mich?« Petrus antwortete: »Du bist der Christus.« Jesus schärfte ihnen ein: »Sagt niemandem, wer ich bin!«
Danach begann Jesus seinen Jüngern zu erklären, was Gott mit ihm vorhatte: »Der Men-schensohn wird viel leiden müssen. Die Ratsäl-testen, die führenden Priester und die Schriftge-lehrten werden ihn wie einen Verbrecher behan-deln. Sie werden ihn hinrichten lassen, aber nach drei Tagen wird er vom Tod auferstehen.«
Das sagte er ihnen ganz offen. Da nahm Petrus ihn zur Seite und fing an, ihm das auszureden. Aber Jesus drehte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus streng zurecht: »Weg mit dir, Satan, hinter mich! Dir geht es nicht um das, was Gott will, sondern um das, was Menschen wollen.« Dann rief Jesus das Volk und seine Jünger zu sich. Er sagte: »Wer mir folgen will, darf nicht an seinem Leben hängen. Er muss sein Kreuz auf sich nehmen und mir auf meinem Weg folgen. Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer sich aber zu mir und der Guten Nachricht bekennt und deshalb sein Leben verliert, wird es erhalten.
Gottes Reich ist nah. Kehrt um und glaubt an das Evangelium (Mk1,15). Das sagt Jesus. Das ist der Kern seiner Botschaft. Er ruft die Menschen zu Gott. Er heilt Kranke und zeigt das Reich Gottes. Wir malen uns das aus: Jesus schenkt den Armen Hoffnung; er holt Menschen zurück in die Gemeinschaft; er richtet die auf, die niederge-drückt sind. Wir lesen davon im Evangelium und stellen uns das schön vor. Und darum glauben sie an ihn: „Du bist der, der die neue Zeit bringt. Du führst uns in die schöne Stadt Gottes. Du bist der Christus, der Messias.“ Gottes Reich ist nah. Das spüren sie. Das hoffen sie.
Und jetzt?
Jetzt macht sich Jesus auf den Weg nach Jerusalem. Der Menschensohn wird viel leiden müssen. Er redet von Leid, Verurteilung, Tod.
Unerträglich für Simon Petrus und immer wieder auch für uns schwer zu verstehen, kaum fassbar.
„Es muss sein.“, so sagt er. „Es ist Gottes Wille.“
Warum? Warum muss sein Leidensweg sein?
Was ist Gottes Wille?
Es ist nicht der Wille Gottes, was in der Ukraine geschieht. Krieg ist nicht Gottes Wille, sondern ein Verbrechen aus gottloser Machtgier und zynischer Menschenverachtung. Leid und Not sind nicht Gottes Wille. Das Böse und das Unrecht sind nicht Gottes Wille, aber sie sind in dieser Welt, und oft scheint es, als könnte das Böse sich unbegrenzt austoben. Es ist zum Verzweifeln, wenn man sieht, was in der Welt geschieht und wie brutal unsere Welt ist.
So sind wir Menschen. Wir sind ja verstrickt in das Unrecht der Welt. Wir kaufen russisches Gas und Waren, die von den unterdrückten Uiguren in China gefertigt werden. Wir verbrauchen zu viele Rohstoffe. Wir kümmern uns kaum darum, unter was für schrecklichen Arbeitsbedingungen unsere Kleider genäht werden. Wir erschrecken vor dem Bösen, das in diesen Tagen geschieht, aber wir sind auch verstrickt in das Böse und keiner ist frei davon. Vieles, was wir tun, ist nicht Gottes Wille. Alle sind schuldig geworden, schreibt Paulus. Keiner ist gerecht. (Römer 3)
Unsere Welt ist zum Verzweifeln, so hart und böse, so ungerecht und voll bitterem Leid.
Und Gott? Gott setzt sich der Welt mit all ihrer Bosheit aus. Jesus wird leiden, verurteilt und verworfen werden, am Kreuz sterben. Da, am Kreuz leidet und stirbt Gott selbst.
Wir gehn hinauf nach Jerusalem, zur Stätte der ewgen Klarheit. Wo Leiden und Ohnmacht in unsrer Welt, da finden wir Christus in Wahrheit.
Jesus weicht dem Leidensweg nicht aus, wie es Petrus will, wie auch wir wollen.
Ein starker Jesus wäre uns recht, einer, der mit einem Schlag den Krieg beendet und das Böse vernichtet. Aber so ist Jesus nicht. Petrus hat ihn gerade als Messias, Christus angesprochen, aber Jesus identifiziert sich nicht mit dem machtvollen Retter. Er nennt sich selbst Menschensohn – so nimmt er das Leid der Menschen an.
Petrus ist entsetzt. Er will nicht, dass sein Chris-tus leidet. Was soll aus der schönen Hoffnung auf Gottes Reich werden, wenn Jesus stirbt? Petrus herrscht Jesus an, steht da wörtlich. Jesus weiß, was Petrus lockt. Er hat ja selbst die Hoffnung geweckt: ein Leben in Frieden, Gerechtigkeit …
Aber sein Weg zum Frieden geht nicht ohne das Kreuz. Jesus fährt Petrus an – wieder das gleiche Wort: er herrscht ihn an: Weg mit dir, Satan! – wohl kennt Jesus selbst das menschliche Sehnen nach einem bequemen Weg. Scharf weist er Petrus zurecht, und lädt ihn zugleich wieder ein: hinter mich! – so hat Jesus ihn ganz am Anfang in gerufen (Mk1,17) und jetzt wieder: „hinter mich! Du sollst mir folgen. Ich will dich bei mir.“
Wir gehn hinauf nach Jerusalem, das Opfer der Welt zu sehen, zu spüren, wie unsere Not vergeht, und unter dem Kreuze zu stehen.
Jesus wird zum Opfer. Ohne Schuld wird er verurteilt. So opfert er sich selbst. So erträgt und überwindet Gott das Böse. Gottes Reich ist nah; die Not der Welt vergeht, weil Gott selbst sich dafür einsetzt. Dietrich Bonhoeffer schreibt: Das Leiden muss getragen werden, damit es vorüber-geht. Entweder die Welt muss es tragen und daran zugrundegehen oder es fällt auf Christus und wird von ihm überwunden. So leidet Christus stellvertretend für die Welt. (D.B. Nachfolge, S.84)
Ich kann mich gut mit Petrus identifizieren: Ich will diesen Leidensweg doch nicht. Aber vor dem Leid in der Welt kann ich die Augen nicht verschlie-ßen. Die täglichen Todeszahlen der Pandemie öffnen mir die Augen, und jetzt sehen wir wieder auf das große Leid des Krieges. Nein, auswei-chen können wir nicht.
Wer mir folgen will, darf nicht an seinem Leben hängen. Er muss sein Kreuz auf sich nehmen und mir auf meinem Weg folgen. Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer sich aber zu mir und der Guten Nachricht bekennt und deshalb sein Leben verliert, wird es erhalten.
Was heißt es heute für uns, Jesus nachzufolgen?
Ich glaube, das müssen wir in dieser schwierigen Zeit neu lernen. „Wohin rufst du uns, Jesus?
Wo dürfen wir die Augen nicht verschließen?
Wie sollen wir uns zu dir und zum Evangelium bekennen?“
Das Kreuz auf sich zu nehmen bedeutet, dass wir uns darauf einlassen, was uns beschränkt. Eine Krankheit kann das sein, eine Lebenssituation, eine Herausforderung. wir lassen uns darauf ein – wir stellen uns unter das Kreuz. Gerade so wenden wir uns dem Leben zu. Wir hoffen, dass Jesus uns den Blick schärft und das Herz wach hält für das Leid, das uns angeht. Und wenn es darauf ankommt, hoffen wir, dass Gottes Geist uns Kraft, Liebe und Besonnenheit gibt. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Neue Lieder 217 – siehe oben
Im Vertrauen auf die Liebe und Fürsorge Gottes vertrauen wir ihm unsere Bitten und unsere Anliegen an:
Wir bitten dich für die Menschen in der Ukraine, die sich unverschuldet mit Krieg und Gewalt konfrontiert sehen; wir beten für alle, die entsetzt und wütend sind über das rechtswidrige Vorgehen der russischen Regierung und den rücksichtslosen Angriff der russischen Armee.
Wir bitten für alle, die Angst haben um ihre Familien und Angehörigen und davor, dass die Situation noch mehr eskaliert; wir bitten dich für die, die ratlos und hilflos sind und in ihrer Verzweiflung nicht wissen, wie es weitergehen soll.
Wir bitten dich für alle, die Macht und Einfluss haben und ringen um die richtigen Entscheidungen, wie man auf das völkerrechtswidrige Vorgehen reagieren soll. Wir bitten für die, die sich auf der ganzen Welt mühen um Gerechtigkeit und Frieden.
Steh denen bei, die auf der Flucht sind vor den Schrecken des Krieges und die in ihrer Not nicht wissen, wohin sie gehen sollen und wo sie in Sicherheit sind.
Bewahre uns davor, in unserer Welt zu Streit und Unfrieden beitragen, mit dem Finger auf andere zu zeigen, Schuld zuzuweisen und zu verurteilen. Mach uns bereit unsere eigene Position und unser Verhalten zu überdenken.
Wir bitten für unsere Kranken und alle, die sich um sie sorgen, für die Trauernden, für die Überforderten.
Nimm dich ihrer und unser aller gnädig an,
du, unser Gott. Behüte und bewahre uns alle.
Vaterunser
Hören wir noch einmal die Zusage: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Lied 430,1+2+4 (Mel: Befiehl du deine Wege)
Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
die Welt nimmt schlimmen Lauf.
Recht wird durch Macht entschieden,
wer lügt, liegt obenauf.
Das Unrecht geht im Schwange,
wer stark ist, der gewinnt.
Wir rufen: Herr, wie lange?
Hilf uns, die friedlos sind.
Gib Frieden, Herr, wir bitten!
Die Erde wartet sehr.
Es wird so viel gelitten,
die Furcht wächst mehr und mehr.
Die Horizonte grollen, der Glaube spinnt sich ein.
Hilf, wenn wir weichen wollen,
und lass uns nicht allein.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden:
Denn trotzig und verzagt
hat sich das Herz geschieden
von dem, was Liebe sagt!
Gib Mut zum Händereichen, zur Rede, die nicht lügt, und mach aus uns ein Zeichen
dafür, dass Friede siegt.
Segen
Gott segne dich und er behüte dich.
Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir
und sei dir gnädig.
Gott hebe sein Angesicht über dich
und gebe dir Frieden. Amen