Predigt am 24.12.2019 von Andreas Hansen über Gal 4,4-7
Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Worte des Weihnachtsevangeliums hören? Ist die Geschichte vertraut und spricht Sie an, oder rauscht sie vorbei – man hört schon nicht mehr hin – es ist ja so viel in diesen Tagen. Haben Sie den Eindruck, Sie kommen in dieser Geschichte vor?
Es geht um uns. Gott geht es um uns.
Wir werden verändert durch Jesu Geburt. Das Kind von Bethlehem gibt uns einen neuen Stand.
Ganz anders als der Evangelist Lukas schreibt der Apostel Paulus. Er nimmt sich keine Zeit das Wunder zu bestaunen. Nicht einmal Marias oder Josefs Namen erwähnt er. Paulus konzentriert sich darauf, was für Folgen die Geburt Jesu für uns hat. Ich lese vier Verse aus dem Brief an die Gemeinden in Galatien:
Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.
Martin Luther meint zu dieser Weihnachtsge-schichte: Hier wird der Mensch „geadelt und gekönigt und gekaisert. Diese Ehre ist höher denn alle Engel. … Es wäre nit Wunder, dass die Engel alle scheele Augen kriegten.“
Wir werden geadelt, gekönigt und gekaisert. Gott wird ein Menschenkind, damit wir Gotteskinder werden.
„Er wird ein Knecht und ich ein Herr; das mag ein Wechsel sein!“ Eine „Ehre ist höher denn alle Engel.“ Darum schauen die Engel ganz neidisch auf uns.
Gott wird Mensch: geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan. Gott lässt sich ganz und gar auf unser Leben ein. Er wird einer von uns. Gott will zu uns gehören. Paulus interessiert vor allem, wozu das geschieht: damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen.
Es geht um uns, liebe Gemeinde. Wir werden „erlöst“ – wir werden freigekauft. Wie man eine Sklavin oder einen Sklaven freikauft, wie man jemanden freikauft, die ihre oder der seine Schulden nicht bezahlen kann.
Wir empfangen die Kindschaft – also werden wir adoptiert, mit allen Rechten als Kinder und Erben angenommen. Wir sind Kinder Gottes.
Dass wir uns Kinder nennen, macht uns nicht etwa klein. Im Gegenteil: Wir werden erhoben und sind stolz und frei, wie Königskinder. Gott will zu uns gehören. Und nun gehören wir zu Gott. Dass wir Gottes Kinder sind, gibt uns ein Selbstvertrauen, eine Stärke, eine Freiheit. Wir werden geadelt, gekönigt, gekaisert.
Als junger Mensch habe ich ab und zu „scheele Augen“ gekriegt. Wir gehörten zu den „kleinen Leuten“, wie meine Eltern sagten. Dass ein Kind studieren durfte, war nicht selbstverständlich. Neidisch habe ich manchmal auf die Kinder aus wohlhabenden und gebildeten Elternhäusern gesehen, die vieles aus Literatur und Kultur kannten, die weltgewandt und souverän waren oder mir zumindest so vorkamen. Meine Vorstellung, wie man sein muss und was man schaffen muss, hat mich unfrei gemacht. Das Gefühl mit den anderen nicht mithalten zu können hat mich unsicher gemacht. Heute weiß ich, dass das nicht nötig ist. Aber ich sehe bei vielen, unter was für einem enormen Leistungsdruck sie stehen, wie groß die Angst ist, abgehängt zu werden, nicht gut genug zu sein.
Weihnachten ist ein Fest der Freiheit. Jesus ist unser Bruder. Gott nimmt uns als seine Kinder an. Als Menschen, die ganz sicher wissen, dass sie zu Gott gehören, bekommen wir eine königliche Freiheit.
Die alte Unfreiheit packt uns immer wieder. Wir setzen einander unter Druck. Wir machen uns selbst Stress durch das, was wir meinen erreichen und leisten und haben zu müssen. Wir sind allzu schnell bereit andere zu verurteilen und zu verachten, die nicht unseren Vorstellungen entsprechen. Hass und Hetze vergiften viele Beziehungen, in unserem persönlichen Umfeld wie in der großen Politik. Es ist verführerisch gegen jemand zu sein. Wir erklären uns die Welt, indem wir Bösewichte ausmachen und auf sie schimpfen. Die Feindseligkeit, die Verachtung gegen andere – das ist wie ein Gift, das alles Beziehungen kaputt macht. Lassen wir uns nicht dazu hinreißen! Kinder Gottes haben so etwas nicht nötig. „du bist kein Knecht mehr, sondern Kind“ schärft uns Paulus ein. Er kämpft in seinem Brief sehr engagiert darum, dass seine Gemeinde und dass wir Christen nicht die Freiheit aufgeben, die wir durch Christus haben. Wütend schimpft er über die, die den anderen Vorschriften machen und das Vertrauen zu Christus untergraben. „Wollt ihr wirklich wieder Sklaven sein?“, fragt Paulus.
Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, … damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in unsre Herzen gesandt. Er ruft: Abba, lieber Vater!
Wir feiern Weihnachten.
Die Zeit ist erfüllt: Neues beginnt.
Der alte Mensch geht unter, der Mensch, der besser sein will als andere, der andere verurteilt und verachtet und hasst.
Die alte Angst ist besiegt, die Angst nicht zu genügen, die Angst vor Schwäche, vor dem Tod, die Angst, die uns selbst verurteilt und hasst.
Neues beginnt in uns. Der Geist Jesu Christi in unseren Herzen. Der Geist der Kinder Gottes voll Vertrauen.Der Heilige Geist, Geist der Freiheit.
Amen