Epheser 4,1-6

Predigt am 19.10.2014 von Andreas Hansen über Epheser 4,1-6

Liebe Freunde in Christus, liebe Gemeinde, Katja ist eine Jugendliche, 14 oder 15 Jahre alt und fast immer mit ihren Freunden zusammen. Kaum ist sie zuhause, schon hängt sie wieder am Telefon – stundenlang.  Mit ihren Freunden wird es nie langweilig. Sie haben sich immer etwas zu erzählen und vertrauen einander fast alles an. Niemand versteht sie so gut wie ihre besten Freundinnen. Nichts ist ihr so wichtig. So sind viele Jugendliche. Was sie verbindet, ist ungeheuer stark, dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Als Erwachsene sind wir meist zurückhaltender und leben nicht so intensiv in unseren Freundschaften. Wir sind in unseren Beziehungen fest eingebunden oder haben vor lauter Arbeit für die Freunde nur wenig Zeit. Manche Erwachsene trauen den Freundschaften nicht und meinen, es ist doch nur jeder mit sich und seinen Angelegenheiten beschäftigt. Die Stimmung der frühen Christen ist in mancher Hinsicht so ähnlich wie in einer Jugendclique. Sie halten eng zusammen. Sie brauchen das Gespräch miteinander, treffen sich häufig und schreiben einander Briefe. Dabei entwickeln und festigen sie ihre Überzeugungen und ihr Selbstvertrauen. Wie Jugendliche und neue Bewegungen zu allen Zeiten betonen sie das, worin sie sich von den anderen unterscheiden. Wie eine Jugendclique sind die Christen damals erfüllt von dem Gefühl: Wir verstehen uns, wir halten zusammen, wir sind auf dem richtigen Weg. Dann werden die Gemeinden sozusagen erwachsen. Sie verlieren etwas von ihrer Begeisterung, z.B. fällt es den Reicheren in der Gemeinde schwerer zu teilen, was sie besitzen, oder jeder hat seine persönlichen Probleme, um die er sich zuerst kümmern muss, oder es gibt Streit und Eifersucht, wie überall, wo Menschen zusammen sind. Christsein wird alltäglicher. Es kostet nicht mehr so viel Mut zu der kleinen Gruppe der Christen zu gehören. Aber der starke Zusammenhalt besteht auch nicht mehr, der so viel Kraft und Zuversicht gegeben hat. In dieser Zeit sind die Briefe im Neuen Testament entstanden. Unser Predigtabschnitt stammt aus dem Brief eines Paulusschülers an die Gemeinde in Ephesus.

Eph 4,1-6 (Neue Genfer Übersetzung) Führt euer Leben, wie es der Berufung, die an euch ergangen ist, angemessen ist, in aller Demut und Sanftmut und in Geduld. Ertragt einander in Liebe, bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens! Ein Leib und ein Geist ist es doch, weil ihr ja auch berufen wurdet zu einer Hoffnung, der Hoffnung, die ihr eurer Berufung verdankt: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.

Wir gehören zusammen. Christen sind untrennbar eins, „ein Leib“, wie die Teile eines Körpers zusammen, ohne die anderen nicht lebensfähig. Vielleicht ist hier ein Lied der ersten Christen aufgenommen: „Ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, über allen, durch alle, in allen.“ Die Epheser kennen und singen vielleicht das Lied. Da ist noch die „jugendliche“ Begeisterung zu spüren. Auf der anderen Seite fällt es ihnen schwer zusammen zu halten. Der Alltag in der Gemeinde sieht ganz anders aus. Da geht es um kleinliche Rechthabereien, Machtkämpfe, Streit. Es ist eben unter Christen wie überall, wo Menschen miteinander auskommen müssen. Als ich früher Pfarrer in Riegel und auch Wyhl war, wurde mir von den wilden Zeiten erzählt, als man um den Bau eines Kernkraftwerkes stritt. Selbst die Pfarrer stritten so heftig, dass der Riegeler Pfarrer seinen Nachbarpfarrer vor die Tür setzte, weil er die verkehrte Meinung hatte. Es fällt uns schwer, einander in Liebe zu ertragen und die Einigkeit zu wahren. Es ist viel leichter, sich nur an die zu halten, die zu uns passen. Wir sind einander zuweilen eine Last. Manchmal kommt es zum Krach und zur Trennung. Selbst Menschen, die sich wirklich lieb haben, haben zuweilen große Mühe miteinander. Keinem von uns ist das fremd.

… In jeder Ehe, in jeder Konfirmandengruppe, in jedem Betrieb und in jedem Land müssen wir Spannungen aushalten, Konflikte ausfechten und eben nicht auseinander rennen, sondern trotzdem friedlich miteinander leben. Drei Haltungen nennt der Brief: Erstens Demut. Das ist der Mut vom hohen Ross zu steigen, der Mut auf den eigenen Vorteil zu verzichten, nicht besser sein zu müssen als andere. Demut ist nicht unterwürfig oder ohne Rückgrat. Aber ein demütiger Mensch will ande-re achten und ihnen gerecht werden. Sanftmut nennt der Brief als zweites, Verzicht auf Gewalt. Wer sanftmütig ist, versucht nicht um jeden Preis Streit zu vermeiden, aber er streitet anders. Er will den anderen nicht fertig machen, nicht klein kriegen. Sanftmut hat nichts mit Schwäche zu tun. Es kostet oft mehr Kraft und Mut, nicht zurück zu schlagen oder nicht die Wut im Bauch herauszulassen. Sanftmut brauchen gerade die Mächtigen, denn wer Macht hat, ist versucht, anderen einfach seinen Willen aufzuzwingen. Und als Drittes Geduld – da steht Großherzigkeit oder Großmut. Wir brauchen weite Herzen, damit unser Zusammenleben gelingen kann. Wie gut eine Gemeinschaft ist, können wir daran erkennen, wie sie mit den Schwachen und den Unbequemen umgeht. Demut, Sanftmut, Großmut, ein dreifacher Mut soll uns tragen. Wenn ich ehrlich bin: Oft bin ich nicht demütig – man muss sich doch behaupten, oder sanftmütig – man darf sich nichts gefallen lassen, oder großmütig – ich will doch nicht zu kurz kommen.

Vor ein paar Tagen erinnerte eine Veranstaltung mit Bundepräsident Gauck an die Ereignisse in Leipzig am 8. Oktober vor 25 Jahren, die große friedliche Demonstration, das Wunder, dass die Diktatur im anderen Deutschland zerbröselte durch Gebete und Kerzen. Was für ein Mut ging von den Kirchen aus! Auch Menschen, denen die Kirche fremd war, haben diesen Geist gespürt, kamen montags zu den Gebeten, ließen sich er-mutigen und gingen anschließend zur Demonstration. Sie hatten ein gemeinsames Thema, ein Ziel, eine Hoffnung, eine Kraft.

Liebe Gemeinde, ich glaube, dass Gott unseren Kleinmut, unsere Angst, unsere Beschränktheit überwindet. Das ist auch bei uns, in unserer Gemeinde, in unserem Kreis zu spüren: Wo wir einander ertragen, obwohl wir doch so unterschiedlich sind, wo andere sich bei uns willkommen fühlen, wo wir begeistert bei unserer Sache sind, wenn wir uns verstehen, wenn wir Neues wagen. Es ist, als ob Gott uns anrührt. Das kann geschehen. Das geschieht, wo und wann es Gott gefällt und ist seine Gabe, sein Geist. Da klingt das Lied der Christen aus Ephesus: „Ein Leib und ein Geist ist es doch, weil ihr ja auch berufen wurdet zu einer Hoffnung, der Hoffnung, die ihr eurer Berufung verdankt: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ Wir sind eins durch ihn. Wir sind Freunde in Christus. Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus. Amen