der sympathische Gott, Predigt Hebr 4,14-16

Predigt am 10.3.19 von Andreas Hansen über Hebr 4,14-16

Weil wir nun aber einen großen Hohenpriester haben,  der den ganzen Himmel bis hin zum Thron Gottes durchschritten hat – Jesus, den Sohn Gottes – wollen wir entschlossen an unserem Bekenntnis zu ihm festhalten.
Jesus ist ja nicht ein Hoherpriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte. Vielmehr war er – genau wie wir – Versuchungen aller Art ausgesetzt, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass er ohne Sünde blieb. 
Wir wollen also voll Zuversicht vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten, damit er uns sein Erbarmen schenkt und uns seine Gnade erfahren lässt und wir zur rechten Zeit die Hilfe bekommen, die wir brauchen.

Lasst uns am Bekenntnis zu Jesus festhalten. Vertraut darauf, dass er uns hilft!
Der Hohepriester ist der oberste Priester im Tempel in Jerusalem. Einmal im Jahr geht er ins Innerste des Tempels. Er betet und opfert für das Volk, damit alle Vergebung erfahren und neu anfangen. Der Brief spricht von Jesus als Hoherpriester, aber er ist anders. Jesus lässt sich selbst zum Opfer machen, ein schuldloses Opfer von Unrecht und Gewalt. Er geht nicht in das Innerste des Tempels, sondern bis in den Himmel. Er ist an Gottes Seite. Er schafft ein für alle Mal Versöhnung. Nichts trennt uns von Gottes Liebe.
Der Hohepriester ist weit weg von den Sorgen und Lasten der Menschen. Jesus ist uns nah. Er kennt uns. Er kann mit uns fühlen – sympathein, mitleiden steht da – ein sympathischer Gott. Unser Leben ist vor Gott, versöhnt mit Gott, angenommen, geliebt. Lasst uns am Bekenntnis zu Jesus festhalten. Vertraut darauf, dass er uns hilft!

Schauen wir uns das Bild mit dem Kreuz an. Das Kreuz steht oberhalb von Waldshut.
Um kurz vor vier ist sie losgelaufen. Stockfinster und kalt war es noch unten im Albtal. Fast zwei Stunden ist sie aus dem Tal herauf gestiegen. Sie stellt das schwere Tragegestell ab. Um sieben muss sie in Waldshut auf dem Markt sein, aber bis dort geht es jetzt nur noch abwärts. Ein paar Minuten Pause sind drin. Es ist fast schon hell. Sie schaut hinunter ins Tal. Wie oft war sie schon hier oben – wie viel hat sie schon über diesen Berg geschleppt – ein hartes Leben.
Dann sieht sie auf Christus am Kreuz. „Du hast es auch schwer. Und siehst mich doch so freundlich an. Streckst mir deine Arme entgegen, als wolltest du mich umarmen – darf man so denken?“ fragt sie sich – aber sie fühlt sich diesem kleinen Christus nah. Er ist ihr nah. So als ob er sagte: „Stell deine Kiepe bei mir ab. Schau, wie weit und schön es hier ist, trotz allem, was dir das Leben schwer macht. Ich weiß, was dich niederdrückt. Ich trage es mit dir.“
Viele sind über die Höhe beim Dorf Gaiss gelaufen, eine gute Stunde von Waldshut entfernt. Drei Stunden Fußweg am frühen Morgen mit einer Kiepe auf dem Rücken – jemand, der  es selbst noch so erlebt hat, hat mir davon erzählt.
Wie viele wohl an diesem Kreuz Rast gemacht haben. Sonne und Mond stehen über Jesus am Kreuz. „Jede Stunde, alle Tage bin ich bei euch.“
Die Marktfrau am frühen Morgen weiß nicht, was die drei Buchstaben bedeuten: ATM. Manche denken, der Müller Adam Tröndle hat das Kreuz errichten lassen. Er wurde dort überfallen und hat es glücklich überlebt.
„ATM – ave tutor mundi – sei gegrüßt, Beschützer der Welt.“ So liest der Mönch, der später am Tag vorbeikommt. Er kommt von St. Blasien und muss in der Amtsstadt Waldshut vor Gericht aussagen. Er hat Angst vor dem Richter, obwohl er nur Zeuge ist. In der Stadt fühlt er sich nicht wohl – er weiß, wie unbeliebt die Mönche aus dem reichen Kloster sind. „ave tutor mundi – beschütze mich, Jesus! Ich weiß nicht, was heute auf mich zukommt, aber du bist bei mir.“

„Wir haben Jesus. Halten wir uns fest an ihm!“   Die Christen des Hebräerbriefes sind in einer schwierigen Lage. Sie sind damals nur eine kleine Minderheit und erleben Druck und Anfeindung. Sie sind müde und frustriert. Die erste Begeisterung der jungen Gemeinde ist verflogen. Viele kommen nicht mehr in die Gottesdienste. Die Gewissheit ist brüchig geworden, der Glaube schwach.
Da bekommen sie gesagt: Schaut auf Jesus! Lasst uns am Bekenntnis zu Jesus festhalten. Vertraut darauf, dass er uns hilft!
Wir haben Jesus. Wir haben einen, der´s Leben kennt und uns versteht. Sei uns nahe, Gott! Ave tutor mundi, beschütze die Welt, Jesus!
Sei da für die, denen die Arbeit über den Kopf wächst. Wie die Frau auf dem Weg zum Markt schleppen sie eine schwere Last mit sich.    Nachts wachen sie auf und grübeln,  am Morgen sind sie erschöpft.
Ave tutor mundi. Sei bei denen, die sich nicht verstanden fühlen. Sei da für die, denen Unrecht geschieht, die hungernden und notleidenden Menschen in Venezuela, im Jemen, in den Flüchtlingslagern der Welt.
Ave tutor mundi, beschütze deine Schöpfung vor der Gier und Rücksichtslosigkeit von uns. Hilf uns sie zu schützen, dass wir nicht einfach immer weiter machen.
Wenn wir weiterdenken, wird die Last von Schuld und Leid in unserer Welt unerträglich.
Wir tragen unsere Lasten zu Jesus am Kreuz.   Wir stehen da und wissen, zu oft haben wir am Leid anderer vorbeigesehen. Wir bringen ihm unsere Schuld, Hilflosigkeit und Schwäche, unseren Mangel an Glaube und Liebe. Wir sehen den leidenden Jesus. Wir sehen wie Jesus uns entgegenkommt, als würde er sagen: „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Ich bin bei euch alle Tage, Tag und Nacht.“
Wir haben Jesus. Wir haben den Herrn im Himmel bei Gott. Und wir haben den sympathischen Gott, Jesus, der mit uns und für uns leidet.
„Wir wollen also voll Zuversicht vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten“ – „Zuversicht“ heißt wörtlich die Freiheit alles zu sagen. Wir können Gott alles anvertrauen. Er ist zuständig, unser Ansprechpartner.
Daran erinnern die alten Wegkreuze. Oder ein Kreuz, das wir in unserer Wohnung aufhängen. Daran erinnert uns die Passionszeit. Vor den Thron unseres gnädigen Gottes dürfen wir alles bringen und frei aussprechen. Amen