Predigt am 8.10.17 von Andreas Hansen über Mk9,17-27
Einer aus der Menge sagte: »Meister, ich bin mit meinem Sohn gekommen; ich wollte mit ihm zu dir, weil er einen stummen Geist hat. Wo immer dieser ihn packt, wirft er ihn zu Boden; dem Jungen tritt Schaum vor den Mund, er knirscht mit den Zähnen und wird ganz starr. Ich habe deine Jünger gebeten, den Geist auszutreiben, doch sie konnten es nicht.«
»Was seid ihr nur für eine ungläubige Generation!«, sagte Jesus zu ihnen. »Wie lange soll ich noch bei euch sein? Wie lange soll ich euch noch ertragen? Bringt den Jungen zu mir!«
Man brachte ihn, und sowie der Geist Jesus erblickte, riss er den Jungen hin und her, sodass dieser hinfiel und sich mit Schaum vor dem Mund auf dem Boden wälzte.
»Wie lange geht das schon so mit ihm?«, fragte Jesus den Vater des Jungen. »Von klein auf«, antwortete der Mann. »Oft hat der Geist ihn sogar ins Feuer oder ins Wasser geworfen, um ihn umzubringen. Doch wenn es dir möglich ist, etwas zu tun, dann hab Erbarmen mit uns und hilf uns!« – »Wenn es dir möglich ist, sagst du?«, entgegnete Jesus. »Für den, der glaubt, ist alles möglich.« Da rief der Vater des Jungen: »Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!«
Als Jesus sah, dass immer mehr Leute zusammenliefen, trat er dem bösen Geist mit Macht entgegen. »Du stummer und tauber Geist«, sagte er, »ich befehle dir: Verlass diesen Jungen sofort und geh nicht wieder in ihn hinein!« Da schrie der Geist auf, riss den Jungen heftig hin und her und verließ ihn. Der Junge blieb regungslos liegen, sodass die meisten dachten, er sei tot. Doch Jesus ergriff ihn bei der Hand, um ihn aufzurichten. Da stand der Junge auf.
Manchmal wünschte ich, ich wäre mächtig.
Ich wünschte, ich könnte dem Mann in Las Vegas sein Gewehr aus der Hand schlagen, bevor er Menschen erschießt.
Ich wünschte, ich könnte dem Kriegstreibergeschwätz von Kim und Trump Einhalt gebieten.
Ich wünschte, ich könnte denen die Augen öffnen, die Hass auf Fremde und Andersgläubige schüren und die meinen, ihnen gehöre unser Land.
Ich wünschte, ich könnte die Macht der Krankheit brechen, die einer Freundin das Leben so schwer macht.
„Für den, der glaubt, ist alles möglich.“
Für wen ist alles möglich? Doch nur für Gott! Nur Gott kann alles möglich machen.
Gott ist gütig, liebevoll, beschützend – so habt Ihr Konfirmanden am Mittwoch gesagt. Gott will das Gute. Und Ihr sagtet, Gott ist groß, Gott ist mächtig. So unendlich viel größer und mächtiger als wir.
Für Gott ist alles möglich. Aber für uns? Wenn wir Unheil, Krankheit, Unrecht erleben, wünschten wir uns, wir wären mächtig.
Verzweifelt wünscht der Vater Heilung für sein Kind. Alles hat er schon versucht, vergeblich. Wir können uns wohl vorstellen, wie es ihm geht. Er kann die Krankheit, die wir Epilepsie nennen, nur als stummen Geist bezeichnen, unheimlich. Der Sturm im Gehirn lässt das Kind zuckend, mit verzerrtem Gesicht hinstürzen. Und so geschieht es prompt, als er sein Kind zu Jesus bringt. Es sieht so aus, als wäre das Kind tatsächlich von einer bösen Macht beherrscht. Hilflos steht der Vater daneben. Furchtbar, das mit ansehen zu müssen. Die Jünger konnten nichts tun.
So fragt der Vater nun Jesus selbst, zögernd, als ob er schon die nächste Enttäuschung erwartet: „Wenn es dir möglich ist, etwas zu tun, dann hab Erbarmen mit uns und hilf uns! Kannst du uns helfen? Ich weiß es nicht. Ich habe Angst.“
„Wenn es dir möglich ist, sagst du? Für den, der glaubt, ist alles möglich.“
Da ruft der Vater, ja, er schreit Jesus an: „Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“ Er soll glauben für sein Kind und ist absolut überfordert.
Liebe Gemeinde, besonders Ihr Konfirmanden, es ist nicht selbstverständlich, dass wir einen starken und festen Glauben haben. Das wissen gerade die, die oft in den Gottesdienst kommen. Unser Glaube ist oft überfordert. Unsere Zweifel und Ängste, unser Kreisen um uns selbst stehen uns im Weg. Wir haben es immer wieder nötig, dass Gott uns aus unserem Unglauben heraus hilft. Obwohl wir Gott so wenig entsprechen, obwohl wir so wenig vertrauen und glauben, dürfen wir zu ihm kommen, und er ist bei uns.
Martin Luther erklärt: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus glauben oder zu ihm kommen kann, sondern Gott selbst, der Heilige Geist hat mich berufen, erleuchtet und in mir Glauben gewirkt.“
Wer zu sagen wagt „ich glaube“, der muss im gleichen Atemzug sagen, dass er das nur kann, weil er darauf vertraut, dass Gott ihm immer wieder zum Glauben verhilft.
„Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“
Das scheint ein Widerspruch zu sein. Aber wir machen diese Erfahrung. Es ist ein Widerspruch in uns, eine ungelöste Spannung.
Zum Verzweifeln ist die Not des kranken Kindes, und der Vater fragt sich, ob es überhaupt Hilfe gibt.
Heillos verfahren scheinen uns viele Konflikte in der Welt. Aber da wenden wir uns schnell wieder ab und kümmern uns nicht darum.
Wenn es uns selbst berührt, wenn wir um einen geliebten Menschen bangen oder selbst mit uns nicht fertig werden, können wir sehr gut mit dem Vater fühlen: „Hab Erbarmen mit uns! Hilf doch! Ich möchte glauben, hilf meinem Unglauben!“ Da ist Gott fern und fremd, ja unheimlich.
Die Beter der Psalmen klagen: „Verbirg dich doch nicht, Gott! Lass mich doch nicht im Stich!“ Solche und noch ganz andere Sätze stehen in der Bibel. Da schreien Menschen ihre Enttäuschung und Verzweiflung heraus, ihre Klage gegen Gott.
Aber Gott bleibt nicht fern und fremd!
Auch Jesus schreit in seiner Not am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Auch er leidet daran, dass Gott fern ist. So, am Kreuz, stellen wir den Sohn Gottes dar. Gott, der mit uns und mit der Welt leidet. Er lässt sich selbst Unrecht und Gewalt zufügen.
An Ostern antwortet Jesus auf Leid und Tod. Er sagt uns: „Mir ist gegeben alle Macht.“ Und „Ich bin bei euch alle Tage.“
Ihn dürfen wir bitten oder sogar schreien: „Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“
Ich möchte noch etwas aus unserem Konfirmandenunterricht am Mittwoch zeigen: „Gott und Mensch“, „Gott und wir” Wie nahe sind wir Gott? Wie nahe ist Gott uns? Ihr habt Euch aufgestellt wie Menschen, die einen Schritt auf Gott zu machen und denen Gott nah ist.
Der verzweifelt Vater fragt sich wohl: Ist Gott überhaupt da? Oder ist er nicht unendlich fern, unberührt von meinem Leid?
Und wo in diesem Bild ist nun Jesus? Er heilt dieses Kind. Für ihn ist das möglich. Er ist also ganz nah bei Gott. Aber trotzdem ist noch so viel Unheil und Not in der Welt.
Einer von Euch sagte, Jesus ist wie eine Brücke. Ja, genau!
In Jesus ist Gott ganz nah bei uns. Denn wir sind ihm lieb und keines Menschen Leid lässt Gott kalt.
„Für den, der glaubt, ist alles möglich.“
Redet Jesus von sich selbst oder meint er uns? Jesus redet auch von uns. Er verbietet uns zu resignieren vor dem Bösen, vor Unheil, Krankheit oder Unrecht. Auf keinen Fall dürfen wir die Hände in den Schoß legen und sagen „Wir können ja doch nichts machen“.
„Für den, der glaubt, ist alles möglich.“ Ich meine, das heißt für uns:
Bete und hoffe so, als ob allein Gott helfen kann!
Und handle so, als ob es allein auf dich ankommt!
Unser Wunsch erfüllt sich nicht immer. Dann gibt es keine Heilung, keine Hilfe, Einsicht oder Frieden. Es kann aber auch sein, dass Gott durch uns Heilung oder Einsicht, Frieden oder Recht schafft, dass Gott, sogar durch uns, seine Macht erweist.
Der Friede Gottes der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen