Predigt am 25.6.16 von Andreas Hansen über 1.Kor 1,18-25
1.Korinther 1,18-25:
Mit der Botschaft vom Kreuz ist es nämlich so: In den Augen derer, die verloren gehen, ist sie etwas völlig Unsinniges; für uns aber, die wir gerettet werden, ist sie der Inbegriff von Gottes Kraft. Nicht umsonst heißt es in der Schrift: »Die Klugen werde ich an ihrer Klugheit scheitern lassen; die Weisheit derer, die als weise gelten, werde ich zunichte machen.« Wie steht es denn mit ihnen, den Klugen, den Gebildeten, den Vordenkern unserer Welt? Hat Gott die Klugheit dieser Welt nicht als Torheit entlarvt? Denn obwohl sich seine Weisheit in der ganzen Schöpfung zeigt, hat ihn die Welt mit ihrer Weisheit nicht erkannt. Deshalb hat er beschlossen, eine scheinbar unsinnige Botschaft verkünden zu lassen, um die zu retten, die daran glauben.
Die Juden wollen Wunder sehen, die Griechen fordern kluge Argumente. Wir jedoch verkünden Christus, den gekreuzigten Messias. Für die Juden ist diese Botschaft eine Gotteslästerung und für die anderen Völker völliger Unsinn. Für die hingegen, die Gott berufen hat, Juden wie Nichtjuden, erweist sich Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn hinter dem scheinbar so widersinnigen Handeln Gottes steht eine Weisheit, die alle menschliche Weisheit übertrifft; Gottes vermeintliche Ohnmacht stellt alle menschliche Stärke in den Schatten.
So spricht Gott sein Ja, so stirbt unser Nein.
Gott sagt Ja zu uns in Jesus Christus. Petrus erfährt: „Jesus sagt Ja zu mir. Ich soll sein Freund sein. Dabei pass ich doch gar nicht zu ihm. Ich bin ein sündiger Mensch.“ Als Jesus verhaftet und verhört wird, sagt Petrus: „Ich kenne den nicht.“ Und doch gibt Jesus ihm den Auftrag, Pastor, Hirte für die Gemeinde zu sein.
Gott sagt Ja zu uns. Er erträgt und überwindet unser Nein. Wie spricht Gott sein Ja? Im Tod Jesu am Kreuz. Wir widersprechen Gott, in unseren Worten, in unserem Denken und Handeln. Wir sagen Nein, indem wir rücksichtslos über andere hinweg gehen. Wir sagen Nein zu Gott, wenn wir einander verletzen. Gott stellt sich auf die Seite derer, die Unrecht und Gewalt leiden. Gott erträgt das Nein, unser Nein.
Gott leidet. Unvorstellbar ist Gottes Sohn am Kreuz. Gott ist doch groß, mächtig, heilig – wie kann er leiden? am Kreuz, ohnmächtig, gescheitert, entwürdigt, lächerlich gemacht und zur Schau gestellt? Das Kreuz ist ein unerträglicher Gegensatz zu Gottes Macht und Herrlichkeit.
So spricht Gott sein Ja: im Kreuz Jesu und in der Botschaft vom Kreuz. Paulus schreibt: Das Wort vom Kreuz ist für uns der Inbegriff von Gottes Kraft. Das Wort vom Kreuz tröstet und trägt und stärkt uns. Jesus Christus ist Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Darauf können wir bauen.
Dieses Ja trägt uns durch alles hindurch.
Gott hat sich für uns entschieden. Keine Macht der Welt kann sein Ja widerrufen.
Aber das Kreuz ist für viele unsinnig, anstößig. Jesus am Kreuz wurde verspottet. Schon in den Evangelien hören wir vom Spott über Jesus am Kreuz. „Wenn du Gottes Sohn bist, dann steig doch herab.“ In Rom fand man ein Bild aus dem dritten Jahrhundert: Ein Gekreuzigter mit einem Eselskopf und darunter der Satz: „Alexamenos betet zu seinem Gott“. Dann wurde das Kreuz zu unserem wichtigsten Symbol. Jesus erniedrigte sich bis zum Tod am Kreuz und Gott hat ihn erhöht und ihm den Namen gegeben, der höher ist als alle Namen. Alle werden Jesus Christus anbeten. Gott selbst verzichtet auf seine Macht. Gott ist da und leidet in Jesus am Kreuz. Er trägt unser Nein.
Ab der Romanik, hat die christliche Kunst Jesus am Kreuz dargestellt. Wer unsere Kirche betritt, sieht sofort das Kreuz. Als wir Evangelischen die Kirche übernommen haben, und der Altarraum als Spitalkapelle durch die Mauer abgetrennt wurde, hat die Großherzogin Luise der Gemeinde die Figur des Gekreuzigten geschenkt, die etwa aus der Reformationszeit stammt.
Das Kreuz hängt ganz zentral in diesem Raum. Ein geschundener, sterbender oder schon toter Mensch. Das Leid ist überstanden. Er sieht friedlich aus, nicht wie einer, der schreit und kämpft. Glänzende Strahlen gehen von seinem Haupt aus und zeigen, wer hier hängt.
Aber soll man das Leiden und Sterben so herausstellen?
In der Waldshuter Kirche, wo ich früher war, hängt ein Gekreuzigter, über den sich viele Leute ärgern. Der afrikanische Künstler El Loko hat Jesus aus Abfallholz zusammengebaut, eine seltsame verrenkte, schwarz, braun und rot bemalte Gestalt. Der Gekreuzigte kann gar nicht schön sein. Gott lässt sich auf die hässliche, schreckliche Seite der Welt ein.
Gott selbst trägt das Leid der Welt. Gott wird verworfen, erniedrigt, abgelehnt in Jesus am Kreuz. So spricht er sein Ja und erträgt und besiegt unser Nein. Jesus ist auf der Seite derer, die Unrecht und Gewalt leiden. Jesus ist bei uns in Scheitern, in Schmerzen, im Leid und bis in den Tod. Jesus ist für uns, obwohl wir einander nicht gerecht werden. Er sagt Ja zu uns, obwohl wir seiner Liebe nicht entsprechen. Das Bild des Gekreuzigten ist nicht schön, aber voll Trost und Hoffnung.
Ein anderes Bild steht uns vielleicht näher: Christus als Herr der Welt, als Pantokrator, wie auf orthodoxen Ikonen. Er thront neben Gott, der Auferstandene, der Herr aller Mächte und Gewalten. „Jesus Christus herrscht als König“, jubelt das Kirchenlied. Jesus ist beides: der Auferstandene, der Sieger, und der Gekreuzigte, gescheitert und verachtet. Jesus ist der Schmerzensmann am Kreuz, der unser Leid kennt, der unsere Last trägt, der uns in unserem Dunkel nahe ist. Jesus ist auch der Auferstandene, die Hoffnung. Leid und Unrecht werden ein Ende haben. Gewalt und Tod behalten nicht das letzte Wort. Wir sehen im Kreuz Gottes Liebe. Aber wir sehen auch alles, was ihn ans Kreuz bringt, unser Nein. Das ist schwer zu ertragen. Wir möchten so gerne nur unsere gute Seite sehen. Wir wollen auf der Seite der Gewinner stehen. Wir wollen stark sein und noch stärker als die anderen. Wir wollen gut sein und noch besser als die anderen.
Deshalb schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth. Da gab es Christen und „Superchristen“. Jede der Gruppen in der Gemeinde wollte die wahren und eigentlichen Christen sein. Sie wollten einander überbieten und gerieten darum in Streit: Wer hat die tiefere Erkenntnis? Wer beruft sich auf die größere Autorität? Wer kann seine geistlichen Erfahrungen besser beweisen? Paulus fährt dazwischen. Der Streit in Korinth ist für ihn unerträglich. Selbstgefällig und rechthaberisch haben sich die vermeintlich besseren Christen von Jesus Christus abgewandt. Ihre eigene Weisheit und Kraft haben sie zum Maßstab gemacht. Wir verstehen uns von unseren Erfolgen her. Wir verdrängen die eigenen Schattenseiten, unseren Egoismus, unser Versagen, unser Misstrauen, alles, was uns entzweit und was Gott widerspricht, unsere Sünde, unser Nein.
Das Wort vom Kreuz ist der Inbegriff von Gottes Kraft. Gott ist den Leidenden nah. Gott ist anders als wir uns gerne vorstellen. Das Kreuz stellt auch uns ständig in Frage. Es fordert uns heraus. Wenn wir das Kreuz ernst nehmen, müssen wir bereit sein uns selbst kritisch zu sehen.
Unsere Welt verändert sich. Europa muss neue Wege finden nach dem Brexitvotum, nach Finanz- und Flüchtlingskrise. Die einfachen Lösungen haben Konjunktur, Lösungen, die Stärke und Klarheit versprechen, die Vereinfacher, die Fundamentalisten. Das kann es nicht sein.
Wir folgen einem Herrn, der schwach wird. Wir stellen sein Scheitern in die Mitte. Wir verherrlichen nicht die Macht und den Erfolg. Wir lassen uns in Frage stellen. Wir glauben, dass Gott sich auf das Leid der Welt einlässt und die Leidenden befreien wird.
So spricht Gott sein Ja, so stirbt unser Nein.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen