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Du bist ein Gott, der mich sieht. Gottesdienst mit Vorstellung der Konfis zu Gen/1.Mose 16

25.9. Vorstellung der Konfis:
Du bist ein Gott, der mich sieht

617,1+2+6 Kommt herbei, singt dem Herrn
Votum
Gruß
Ps 139 = 966.1
Ehr sei dem Vater

Auf dich will ich hören, Gott.
Mach mich dazu bereit.
So viele reden auf mich ein. Sie wollen meine Aufmerksamkeit, meine Zeit, meine Überzeugung.
Ich soll folgen, ein Follower sein, ein guter Kunde.
Ich soll mein Leben optimieren, das Beste herausholen.
Auf dich will ich hören. Hilf mir zu unterscheiden.
Hilf mir Nein zu sagen, wenn es nötig ist,
Ja zu sagen, wenn ich es wagen soll.
Auf dich will ich hören. Begleite mich auf meinem Weg.
Leite mich auf ewigem Wege.
Amen

Hier hängt seit einigen Monaten schon ein Mobile.
Das haben die letzten Konfis gestaltet.
Jeder von ihnen hat ein solches Perlenarmband, die Perlen des Glaubens. Die Perlen könnt ihr hier sehen, eine goldene Gottesperle, Perlen der Stille, Perlen des Geheimnisses, der Wüste, der Nacht, der Auferstehung, der Liebe, der Gelassenheit. Die Perlen zeigen: „Du, Gott, bist immer bei mir.“ Man kann mit dem Armband vor Gott nachdenken und beten.
Wir haben das Mobile für euch Konfis noch eine Weile hängen lassen. Es passt zu dem Motto für euren Jahrgang: „Du bist ein Gott, der mich sieht“
Wir wünschen euch, dass Gott für euch ein „Du“ wird,
ein Gegenüber, dem ihr vertrauen könnt:
„Du siehst mich, Gott, du bist bei mir.“

Jetzt nenne ich eure Namen und bitte euch nach vorne zu kommen, damit wir alle euch einmal sehen:

Christine: Wir beten für unsere Konfis:
Guter Gott, begleite die Jugendlichen und uns alle in diesem Jahr, dass es ein gutes Jahr wird, mit Spaß, mit Freude am Glauben und mit wertvollen Erfahrungen.
Hilf uns, dass wir gut aufeinander achten und einander verstehen. Sei bei uns mit deinem Geist. Stärke uns. Segne uns. Amen

Neue Lieder 130 Du siehst mich

Vor 125 Jahren malte der Maler Paul Gaugin ein große Bild mit dem Titel: „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“ Er musste gerade sehr viel Schweres verkraften und es ging ihm gar nicht gut. Da hat er in seiner Sprache mit einem Bild nachgedacht.
Wir fragen uns auch manchmal, was wohl aus uns wird, wohin wir gehen. Wie geht es weiter diesem Herbst mit der Pandemie, dem Krieg, der Energiekrise. Wie wird sich der Klimawandel noch auswirken? Als Jugendlicher fragt man sich: „Wer bin ich? Wie will ich sein?“ Aber auch Erwachsene fragen sich das immer wieder.
Auch um solche Fragen geht es für euch im Konfi-Jahr. Und euer Motto „Du bist ein Gott, der mich sieht“ gibt eine Hilfe, dass wir eine Antwort finden.

Ich erzähle die Geschichte aus der Bibel, in der dieser Satz steht:
Abraham und Sara bekommen kein Kind.
Sie warten schon viele Jahre vergeblich – viele wissen, wie schmerzlich das ist. Damals war es noch viel schlimmer. Eine Frau ohne Kinder war nichts. Ein Paar ohne Kinder hatte keine Zukunft.
Sara hat eine ägyptische Sklavin. Hagar heißt sie.
Sara sagt zu ihrem Mann: „Du siehst, Gott hat mir keine Kinder geschenkt. Aber vielleicht kann ich durch meine Sklavin zu einem Sohn kommen. Ich überlasse sie dir.“ Rechtlich gelten die Kinder der Sklavin als ihre. Abraham macht mit und schläft mit Hagar. Die ägyptische Sklavin Hagar wird also seine Nebenfrau. Und sie wird schwanger. Als sie merkt, dass sie ein Kind bekommt, beginnt sie ihre Herrin zu verachten. „Ich bin schwanger und du nicht.“ Das tut weh. Sara beschwert sich bei Abraham. Abraham erwidert: „Sie ist deine Sklavin. Mach mit ihr, was du für richtig hältst!“
Sara will Hagar demütigen. Die niedrigsten Arbeiten muss sie verrichten. Sie soll es merken, wer die Herrin ist und wer die Sklavin. Da hält es Hagar nicht mehr aus. Sie läuft davon.
Vieles an dieser Geschichte ist weit weg von uns, eine andere Zeit, eine kaum verständliche Kultur.
Aber den Kern verstehen wir ganz direkt:
„Ich bin besser als du.“ meint Sara.
„Du bringst es nicht.“ sagt die Sklavin zu ihr.
Und Sara in ihrer Wut: „Dir werd ich´s zeigen!“ Abraham versagt auf ganzer Linie.
Davon erzählt die Bibel ganz offen.
Wie geht es weiter, nachdem Hagar weggelaufen ist? Ich lese vor aus 1.Mose 16:
Der Bote des HERRN aber fand sie an einer Wasserquelle in der Wüste, an der Quelle auf dem Weg nach Schur. Und er sprach: Hagar, Magd Saras, wo kommst du her, und wo gehst du hin? Und sie sagte: Vor Sara, meiner Herrin, bin ich auf der Flucht. Da sprach der Bote des HERRN zu ihr: Kehr zurück zu deiner Herrin und ertrage ihre Härte. Und der Bote des HERRN sprach zu ihr: Ich werde deine Nachkommen reichlich mehren, dass man sie nicht zählen kann in ihrer Menge.
Dann sprach der Bote des HERRN zu ihr:
Sieh, du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären, und du sollst ihn Ismael nennen, denn der HERR hat auf deine Not gehört. …
Da nannte sie den Namen des HERRN, der zu ihr geredet hatte: Du bist El-Roi, Gott sieht mich. Denn sie sprach: Wahrlich, hier habe ich dem nachgesehen, der auf mich sieht.

Gott ist der El-Roi, der Gott, der mich sieht.
Gott sucht und findet Hagar.
Er sieht sie. Er fragt nach ihr.
Hagar ist Ausländerin. Sie ist Sklavin.
Und sie staunt: Mich sieht Gott! Nach mir fragt er!
Jede und jeder zählt für Gott.
In Zeiten der Sklaverei ist das revolutionär. Und auch für uns heute ist es nicht selbstverständlich: Jeder Mensch ist Gott wichtig, keine und keiner zu gering. Gott fragt nach uns.
In den Nachrichten werden Menschen zu Zahlen: 80 Millionen Flüchtlinge, 800 Millionen Hungernde, 1400 Opfer der Flut in Pakistan. Auf den Grabkreuzen in Isjium stehen nur Nummern. Geht ein einzelnes Leben in dieser Schar nicht unter? Ist es nicht belanglos, was irgendein Mensch auf dieser Welt leidet? Für diejenigen, die Städte bombardie-ren lassen, zählt ein Leben nicht. Aber für Gott zählt jede und jeder. Gott sieht sogar die entlau-fene Sklavin Hagar. Gott sieht mich. Gott fragt nach mir.
Wo kommst du her, und wo gehst du hin?
Ich frage mich das selbst: Wohin führt mein Leben? Auf jeden Fall kann ich nicht davonlaufen: vor meinen Schwierigkeiten, vor mir selbst.
Ich bin an diesen Platz gestellt.
Hier will und wird Gott mich segnen.
Hagar bleibt Sklavin – das passt uns heute nicht – aber sie kehrt stolz zurück: Ich bin wichtig für Gott und für meine Mitmenschen. Gott sieht mich. Gott hat etwas mit mir vor. Mein Leben hat ein Ziel.
Hagar muss ihre Herrin Sara nicht mehr verachten oder wegdrängen. Sie muss sich nicht mehr verzweifelt selbst behaupten. Sie ist von Gott angesehen. Sie hat ein Ansehen. Nichts und niemand kann ihr diese Gewissheit nehmen.
Abraham, Sara, Hagar sind keine strahlenden Glaubenshelden. Sie sind vom Leben gebeutelt. Sie stecken in ihren Zwängen und werden mit ihren Konflikten nicht fertig. So erzählt die Bibel.
So ähnlich sind wir auch oft. Gott sieht uns.
Gott sieht uns in dieser ungewissen und schwierigen Zeit. Gott weiß um das, was uns belastet und schier zu Boden drückt.
Wir haben einen Gott, der uns hilft.
Er nimmt selbst Teil an unserem Leben
– das erfahren wir durch Jesus.
Hagar muss ihren schweren Weg gehen.
Es bleibt ihr nicht erspart. Aber sie geht aufrecht, ein von Gott liebevoll angesehener Mensch.
Gott sieht uns.
Wir haben ein Ansehen, eine Würde. Wunderbar!
Der Friede Gottes, der höher ist als unser Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Neue Lieder 186 Ob ich sitze oder stehe

Du, unser Gott, wir sind keine Marionetten, die du am Bändel führst, und doch sind wir, jede und jeder von uns, an unseren Platz gestellt und müssen die Aufgaben unseres Lebens meistern.
Hilf uns, unseren Weg, das Richtige für uns zu finden.
Gib uns Mut Ja zu sagen zu uns selbst und zu anderen, zu unseren Begabungen und auch zu unseren Herausforderungen.
Behüte uns in schweren Entscheidungen und in Zeiten großer Belastung.
Du siehst uns.
Du siehst jede und jeden.
Wir sind dir wichtig und lieb.
Dafür danken wir dir.
Behüte die, die sich wertlos und verachtet fühlen.
Stärke die, die angegriffen und verletzt werden.
Bring zur Umkehr die, die auf falschen Wegen sind, die anderen und sich selbst schaden.
Hilf denen, die ihr Leben wegwerfen.
Stärke die, die krank sind an Leib und Seele.
In der Stille denken wir an die Menschen, um die wir uns besonders sorgen und nennen dir ihre Namen.

Bewahre sie, bewahre uns alle.
Wir beten mit Jesu Worten
Vaterunser

EG 171

Segen

Predigt über Johannes 6,1-15 31.7.22

zur Lesung aus Gen 21: Millionen Menschen hungern in Ostafrika. Ihr Vieh verdurstet und sie müssen für etwas Wasser  weit laufen. Sie sind von Dürre und Missernten getroffen, sie sind auch Opfer von Krieg und Unrecht. In der Bibel geht es oft um eine ähnliche Situation. Da ist eine Frau, die den anderen nicht passt, und sie wird mit ihrem Kind in die Wüste geschickt :

Hagar zog los und irrte durch die Wüste bei Beerscheba. Als der Wasserschlauch leer war, legte sie den Jungen unter einen Strauch. Sie ging etwa einen Bogenschuss weit weg, setzte sich hin und dachte:    »Ich kann nicht mit ansehen, wie der Junge stirbt.«        So saß sie da und weinte laut. Als Gott das Weinen des Jungen hörte, rief ein Engel Gottes vom Himmel her zu Hagar: »Hagar, was ist mit dir? Fürchte dich nicht! Gott hat das Weinen des Jungen gehört, der dort liegt.       Steh auf, heb den Jungen hoch und halt ihn fest in deinen Händen! Denn ich will ihn zum Stammvatereines großen Volkes machen.« Da öffnete Gott ihr die Augen, und sie sah einen Brunnen. Sie ging hin, füllte den Schlauch mit Wasser und gab dem Jungen zu trinken.

(Neue Lieder  116: Da, wohnt ein Sehnen

wir bekommen ein Stück Brot)

Brot, ein Stück Brot in meiner Hand. Ich rieche den Duft, sehe seine Beschaffenheit, schmecke es, genieße es. Wir leben in einem Land mit vielen köstlichen Sorten Brot. Es muss niemand hungern bei uns.

Brot ist viel mehr. Ich denke an die Menschen, die mit großer Sorge auf die ausbleibenden Weizen-transporte aus der Ukraine sehen, die abhängig sind von importierten Lebensmitteln, die hungern. Das Brot erinnert uns an die ungerechte Verteilung der Güter auf der Welt und an die furchtbare Not von Millionen Menschen.

Brot ist „unser täglich Brot“, um das wir Gott bitten, alles, was wir zum Leben brauchen. Wir bitten darum im Vertrauen auf seine Güte. Gott weiß, was wir brauchen. Wir danken dafür. Aber wir machen uns auch Sorgen, ob das täglich Brot,  das zum Leben Notwendige ausreichen wird.

Brot ist noch mehr. Auch unsere Seele hungert. Wir hungern nach Leben in seiner Fülle. Ein Sehnen tief in uns nach Leben, Glück und Liebe, nach Freiheit und Hoffnung, ein Sehnen, das nur Gott stillt. Brot des Lebens gibt Jesus.

Alle vier Evangelisten erzählen, wie Jesus vielen Menschen Brot gibt. Wenn Johannes erzählt, wird schnell klar, dass Brot noch viel mehr ist:

Bald darauf ging Jesus ans andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias genannt wird. Eine große Menschenmenge folgte ihm. Denn sie hatten die Zeichen gesehen, die er an den Kranken tat. Jesus stieg auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. Es war kurz vor dem Passafest, dem großen Fest der Juden. Jesus blickte auf und sah, dass die große Menschenmenge zu ihm kam. Da sagte er zu Philippus: »Wo können wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?« Das sagte er aber, um Philippus auf die Probe zu stellen. Er selbst wusste längst, was er tun wollte. Philippus antwortete: »Nicht einmal Brot für 200 Silberstücke reicht aus, dass jeder auch nur ein kleines Stück bekommt!« Da sagte einer seiner Jünger –Andreas, der Bruder von Simon Petrus: »Hier ist ein kleines Kind. Es hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon für so viele Menschen?« Jesus sagte: »Sorgt dafür, dass die Menschen sich setzen. «Der Ort war dicht mit Gras bewachsen. Dort ließen sie sich nieder, es waren etwa 5000 Männer. Jesus nahm die Brote und dankte Gott. Dann verteilte er sie an die Leute, die dort saßen. Genauso machte er es mit den Fischen. Alle bekamen, so viel sie wollten.  Als sie satt waren, sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Sammelt die Reste ein, damit nichts verdirbt.« Das taten sie und füllten zwölf Körbe mit den Resten von den fünf Gerstenbroten. So viel war nach dem Essen übrig geblieben. Als die Leute sahen, was für ein Zeichen Jesus getan hatte, sagten sie: »Er ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll!« Da merkte Jesus, dass sie bald kommen würden, um ihn mit Gewalt zu ihrem König zu machen. Darum zog er sich wieder auf den Berg zurück – er ganz allein. (Joh 6,1-15)

Verstehen Sie das? Ich nicht. Jeder Versuch einer logischen Erklärung greift zu kurz. Es ist schön.  Es ist wunderbar. Ich staune über Jesus. Und ich nehme die Begebenheit einfach so, wie Johannes schreibt, als ein Zeichen.

Zuerst das Brot, das so vielen fehlt: Auch damals herrscht bittere Not. Das harte römische System von Abgaben, dazu die korrupten Eintreiber von Zoll und Steuer: viele geraten in Schulden und Armut und Unfreiheit. Das Brot in der Hand Jesu ist ein Protest gegen das Unrecht, gegen die Not der Armen und den wachsenden Reichtum weniger. Damals wie heute: Es ist genug Brot da. Es muss nicht sein und es kann nicht sein, dass über 800 Millionen Menschen hungern. Nicht nur Putins Politik ist menschenverachtend, vieles in der Produktion, im Handel, im Verbrauch von Lebens-mitteln kann besser und gerechter geschehen. Alle bekamen, soviel sie wollten.

 Da ist unsere Sorge um das tägliche Brot. Für 200 Silberstücke bekommt nicht einmal jeder auch nur ein kleines Stück. Und die lächerlichen fünf Gers-tenbrote, Armeleutebrot – was ist das schon für so viele? Kurz: Es reicht nicht. Wir bekommen nicht genug. Die Angst sitzt tief: Zu wenig Gas. Kalte Wohnungen. Inflation. Rezession. Zusammenbre-chende Betriebe … wir fürchten uns vor dem, was kommen könnte und malen uns Szenarien des Schreckens aus. Vielleicht ist da tief in uns noch eine Erinnerung an wirklichen Hunger. Meine Mutter erzählte davon aus der Nachkriegszeit. Was ist das schon für so viele?, fragt Andreas  und sieht auf die ärmlichen Brote in der Hand des Kindes.

Jesus sieht mehr. Jesus nimmt das Brot, dankt Gott und fängt an auszuteilen, immer weiter, bis alle genug haben. Es bleiben zwölf Körbe Brot, das übrig ist! Zwölf Körbe voll! Jesus schenkt mehr, viel mehr, als ich erklären kann.

Eigentlich ist es immer er, der uns gibt, was wir zum Leben brauchen. Alles, was ich habe und benutzen darf, ist Geschenk. Kein Stück Leben kann ich selbst schaffen. Es ist sein Geschenk, alles.

Also versuche ich, die Sorge hinter mir zu lassen, die Angst zu kurz zu kommen, die Andreas-Frage (ausgerechnet Andreas!) was ist das schon für so viele?, und versuche zu vertrauen: „Unser täglich Brot gib uns heute, lieber Gott, alles, was wir brauchen, jeden Tag neu, denn wir können uns nichts, überhaupt nichts selbst schaffen, wenn du nicht für uns sorgst.“

 

Schließlich das Brot des Lebens, der Hunger nach Leben: „Leben als Fragment“ – so nannte der Theologe Henning Luther einen Vortrag. Er war bereits sterbenskrank, als er seinen Vortrag hielt. Unser Leben bleibt ein Fragment, ein Bruchstück. Wir werden nicht fertig. Vieles, was wir tun, bleibt unvollendet. Vieles bleibt am Ende des Tages unerledigt.

Wir nehmen uns viel vor: wenn wir erstmal im Urlaub sind, wenn wir endlich unsere Prüfung geschafft haben, wenn wir im Ruhestand sind. Und dann geht doch viel weniger, als wir dachten.

Vieles in unserem Leben wollen wir besser machen: in unserer Beziehung, bei der Arbeit, in unserem Zeitmanagement, im Umgang mit unserer Gesundheit. Und dann wird doch nichts daraus oder nur sehr wenig.

Ein Fragment, ein Bruchstück ist nicht fertig geworden oder auch zerbrochen.

Manches in unserem Leben zerbricht, weil wir Fehler machen und scheitern, weil Unglück geschieht, weil uns Krankheit trifft.

Wir wären gern vollkommen, perfekt, stark, aber das sind wir nicht. Aber unser Leben zählt nicht erst, wenn wir alle Träume verwirklichen, Ziele erreichen, Erfolge vorweisen.

Wir sind nicht vollkommen und müssen es nicht sein. Und wir sind verletzlich.

„Leben als Fragment.“

Jesus sieht unseren Hunger nach Leben,

nach Gesundheit und Glück und Geborgenheit.

Er gibt uns ein Zeichen: Wir sollen satt werden.

Er teilt Brot aus.

Jesus schenkt sich selbst.

Er gibt sich hin.

Mit einem Stück Brot gibt er Leben.

Ich bin das Brot des Lebens, sagt Jesus. Amen

 

(320,1-4+7+8   Nun lasst uns Gott dem Herren …)

 

4.Mose Numeri 11 Predigt an Pfingstmontag

Der Geist führt uns zusammen und er befreit uns.

Aber der Weg in die Freiheit ist weit und mühsam.

Für das Volk Israel geht der Weg durch die Wüste.

Sie schauen zurück und maulen: „In Ägypten hat-ten wir Fleisch und Fisch und Gurken, Melonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch.“ Beim Aufzählen läuft ihnen das Wasser im Mund zusammen.

„So schön war es in Ägypten! So viel besser war alles früher!“ Unterdrückung und Schufterei sind vergessen. Wenn der Magen knurrt, ist die Freiheit gleichgültig. Israel erzählt seine Geschichte mit viel Ironie und Humor. 4.Mose 11:

 

Mose hörte das Volk jammern. Alle Familien standen vor ihren Zelten und beklagten sich.

Da geriet der Herr in großen Zorn.

Auch Mose war böse auf das Volk. Er fragte den Herrn: »Was spielst du deinem Knecht so übel mit? Warum bist du nicht auf meiner Seite? Du hast mir das ganze Volk aufgeladen. Bin ich etwa seine Mutter? Habe ich es zur Welt gebracht? Wie kannst du da zu mir sagen: ›Trag es so fürsorglich auf deinen Armen, wie man einen Säugling trägt! Trag es in das Land, das ich seinen Vorfahren versprochen habe!‹

Woher soll ich Fleisch nehmen für dieses ganze Volk? Sie liegen mir in den Ohren: ›Gib uns Fleisch zu essen!‹ Ich kann diese Last nicht allein tragen, sie ist zu schwer für mich. Bevor du das von mir verlangst, lass mich lieber sterben! Ich kann mein Elend nicht mehr mitansehen.«

 

Alle stehen vor ihren Zelten und jammern. Sie sind auf ihrem Weg beinahe verhungert und verdurstet und sie wurden gerettet. Sie haben so viel über-standen, aber jetzt genügt eine Kleinigkeit und sie verzweifeln.

So sind wir: Eine Pandemie bedroht die Menschen und wir denken nur an Klopapier. Die Furcht von irgendetwas nicht genug zu haben, bringt unsere Welt ins Wanken.

Auch Mose macht keine gute Figur. Auch er hat anscheinend völlig vergessen, wie Gott sein Volk aus größter Gefahr gerettet hat. Er stimmt ein in das Gejammer und er vergeht vor Selbstmitleid. Am liebsten möchte er sterben. Mag sein, das ist eine typische Erschöpfungsdepression, Burnout.

Aber wie kommt Mose denn auf die Idee, er müsste das Volk tragen? Mose überschätzt sich maßlos – keinen Schritt hat er sie getragen. Vielmehr hat Gott sein Volk wie eine Mutter auf den Armen getragen und durch alle Gefahren der Flucht bewahrt und gerettet. Ich kann diese Last nicht allein tragen …  Ich kann mein Elend nicht mehr mitansehen. Selbstmitleid und Selbstüber-schätzung liegen nah beieinander. Auch Mose hat die verzerrte Perspektive eines Menschen, der nur sich selbst sieht.

Die Autoren der Bibel erzählen mit einem Augenzwinkern: „Schaut hin, so blöd sind wir.

So irrational in unserer Angst um uns selbst.“

Die Jammergestalten vor ihren Zelten und Mose kurz vor dem Durchdrehen erinnern an das Verhalten eines Dreijährigen: Aus aller Kraft brüllt er und heult verzweifelt, er kann gar nicht mehr damit aufhören, weil er nicht bekommt, was er will.

 

Gott aber reagiert cool:

Da sagte der Herr zu Mose: »Versammle vor mir 70 Männer von den Ältesten Israels! Sie sollen dir als Älteste des Volkes und als Verwalter bekannt sein. Bring sie zum Zelt der Begegnung! Dort sollen sie sich zusammen mit dir aufstellen.       Ich werde herabkommen und dort mit dir reden. Ich will ihnen etwas von dem Geist übertragen, den ich dir gegeben habe. Dann können sie zusammen mit dir die Last des Volkes tragen, und du bist nicht mehr allein. Aber zum Volk sollst du sagen: Bereitet euch vor und macht euch heilig für morgen! Ihr sollt Fleisch zu essen bekommen. Denn ihr habt euch beim Herrn beklagt: ›Warum haben wir kein Fleisch zu essen? In Ägypten ging es uns gut.‹ Aber der Herr wird euch Fleisch zu essen geben. Ihr sollt es nicht nur für einen Tag bekommen, auch nicht nur für zwei, fünf, zehn oder zwanzig Tage. Einen ganzen Monat lang sollt ihr es essen – bis es euch zum Hals heraushängt und euch speiübel davon wird.

Mose ging hinaus zum Volk und sagte ihm, was der Herr angedroht hatte. Er versammelte 70 Männer von den Ältesten des Volkes. Die stellte er rings um das Zelt der Begegnung auf. Da kam der Herr in einer Wolke herab und redete mit Mose. Auf die 70 Ältesten übertrug er etwas von dem Geist, den er Mose gegeben hatte. Sobald der Geist mit ihnen war, redeten sie eine Zeit lang wie Propheten.

 

Gott nimmt etwas von dem Geist, den er Mose gegeben hatte. Mose hat sich überschätzt: Nicht er selbst hat das Volk getragen. Mose allein kann nichts. Gott hat ihm für seine Aufgabe den nötigen Geist gegeben.

Tröstlich ist: selbst ein Mose verzagt und zweifelt. Mit Humor und Sympathie beschreibt die Bibel, wie so ein großer Mann ganz kleinlaut wird.  Moses Irrtum ist ein verbreitetes Phänomen in der Kirche. Die fleißigen verantwortungsbewussten Aktiven  engagieren sich – ohne sie gäbe es vieles in der Gemeinde nicht. Manchmal muss man sie vor sich selbst schützen, weil sie so schlecht nein sagen können. Auch für sie gilt, wie für Mose: Nein, nicht du trägst die Gemeinde. Gott trägt die Gemeinde und auch dich. Sein Geist bewegt die Kirche und führt sie auf neue Wege. Mose sieht nur sich selbst vor dem Berg der Aufgaben. Gott sagt: „Mach die Augen auf und such andere, die mit dir die Arbeit machen!“ Gottes Geist hat Mose nicht für sich bekommen, nicht wie einen Besitz.

Er geht weiter. Er wirkt wo und wie es Gott gefällt.

Er weckt Glauben, tröstet, macht Mut, belebt.

Mose erkennt: Er  hat Gott zu wenig zugetraut, er war viel zu sehr auf seine eigenen Möglichkeiten und Sorgen fixiert.

Gott antwortet auf seine Vertrauenskrise und öffnet Mose einen neuen Weg.

Manchmal wundern wir uns im Rückblick:

Wir halten uns für überlastet und dürfen entdecken, wie Gott uns durch schwere Zeiten trägt. Wir wollen uns vor Aufgaben drücken, die uns groß wie ein Berg erschienen und dürfen erfahren, wie sie gemeinsam zu bewältigen sind.

Gottes Geist öffnet uns neue Möglichkeiten, an die wir noch gar nicht gedacht haben.

Die 70 haben nur kurz prophetische Gaben, aber durch dies Erlebnis wissen sie nun: Gott traut mir etwas zu. 70, das war die Zahl der Mitglieder des Hohen Rates in Jerusalem. Ganz gleich, ob es 70 oder 7 sind, es tut gut, gemeinsam Verantwortung zu tragen. Es ist schön, im Team die Mutter-Kind-Gruppe für die Flüchtlinge zu leiten, im Kirchen-gemeinderat zu sein, eine Konfi-Freizeit oder  einen Gottesdienst zu gestalten. Gott gibt uns seinen Geist. Gott traut uns zu, dass wir gemein-sam etwas bewegen und neue gute Wege finden.

Amen

 

 

 

 

 

 

 

Predigt an Pfingsten Röm 8,1f

Eingangsspruch des Gottesdienstes von Martin Luther:

Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiss, dass er tausendmal dafür sterben würde. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig und lustig gegen Gott und alle Kreaturen; das wirkt der Heilige Geist im Glauben.

Lesung Apostelgeschichte 2,1-18

Predigt:

Jetzt getrauen sich die Jüngerinnen und Jünger aus ihrem Versteck. Jetzt reden sie frei und offen.

Pfingsten: eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnadefröhlich, trotzig und lustig gegen Gott und alle Kreaturen.

Fröhlich und trotzig nach über zwei Jahren Pandemie, im vierten Kriegsmonat in der Ukraine, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade in der Zeit des Klimawandels, fröhlich im Glauben trotz allem, was uns persönlich bedrängt.

Pfingsten 2022: der Geist macht lebendig.      Das Gesetz der Sünde und des Todes hat schon seine Macht verloren. Paulus meint: Jetzt können wir Gott in einer neuen Weise dienen, die von seinem Geist geprägt ist. (Röm 7,6)

Man merkt es einer Mannschaft an, ob sie lustig den Platz betritt und lustig, beherzt ihr Spiel macht oder lustlos, wenn die Spieler nicht zusammenfinden und nichts gelingt, oder verzagt, wenn sie sich nichts zutrauen.

Man merkt es einem Ensemble an, ob die Musikerinnen und Musiker lustig sind, inspiriert sind oder nicht. Der Heilige Geist macht fröhliche Leute. Der Geist macht frei und lebendig.

Unser Predigttext sind zwei Verse im Römerbrief:

So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. (Römer 8 1f)

Lieber Paulus, sehr fröhlich klingt das nicht, was du schreibst, eher kompliziert und unheimlich. Verdammnis, Gesetz des Geistes, Sünde und Tod….   Bei Verdammnis muss ich an Menschen denken, die vom Bösen geradezu besessen sind, Verbrecher, Menschen, die für ihren Vorteil über Leichen gehen und ohne Bedenken lügen.

Paulus antwortet: „Ich habe auch viel angerichtet, früher, als ich meinte, ich muss die Christen ver-folgen. Da war ich von Hass getrieben, fanatisch. Auch heute noch erlebe ich, wie selbstsüchtig ich sein kann, rechthaberisch, stur und verletzend. Ich weiß: das ist falsch und böse. Ich will so nicht sein, und spüre doch diese Seite in mir. Selbst den Menschen, die ich liebe, tue ich manchmal weh. Es ist zum Verzweifeln! Ich glaube, dieser Widerspruch steckt in uns allen, wie ein böses Gesetz. Wir sind so schwach, so ängstlich um uns selbst besorgt. So rücksichtslos leben wir auf Kosten anderer: Das nenne ich das Gesetz der Sünde, die Kraft, die so viel zerstört, ja tötet, der selbstsüchtige Drang, dieses Nur-mich-selbst-Sehen – das trennt mich von anderen und von Gott und bringt nur Leid und Unheil in die Welt.

Verdammnis ist schon das richtige Wort: Ich lebe nur für mich selbst – ein Abgrund in mir selbst. Aber Gott sei Dank: Jesus hat mich aus diesem Abgrund gerissen. Er hält mich. Ich stolpere und falle manchmal sogar, der Abgrund ist da, aber ich stürze nicht hinab. Jesus ist bei mir.

Der Heilige Geist ist in mir. Er macht mich frei von der Macht, vom Gesetz der Sünde.

Es gibt keine Verdammnis mehr.

Ich weiß, dass ich nun zu Jesus gehöre.“

 

So antwortet Paulus, so ungefähr schreibt er über sich selbst im Römerbrief. Das fröhliche Pfingstfest hat einen ernsten Hintergrund.

Wird der Glaube nicht zu kompliziert, wenn wir auch noch an den Heiligen Geist glauben sollen? Der Geist ist geheimnisvoll und ungreifbar wie der Wind.

Ja, wir brauchen den Heiligen Geist. Gott sei Dank kommt Gott zu uns. Gott sei Dank lässt er sich auf die Welt ein, die ohne ihn verloren wäre! Gott sei Dank kommt Gott sogar in unsere Herzen! Er wirkt in uns. Das ist der Heilige Geist: Gott in uns, obwohl wir Gott widersprechen.

Gott hält den Widerspruch aus.

Geheimnisvoll und wunderbar ist Gott,

der Heilige Geist in uns am Werk.

Einfacher geht es nicht, weil unsere Herzen so kompliziert und widersprüchlich sind. Es ist wie Paulus schreibt, dass wir das Gute wissen und wollen und doch nicht tun.

Wir lassen uns mitreißen durch Neid, Rechthabe-rei, Habgier. Wir behaupten uns auf Kosten der anderen. Wir schlagen unbedacht los.

Es ist wie ein Abgrund in uns selbst, das Gesetz der Sünde und des Todes. Aber Gott ist in uns am Werk. Wir sind in dieser Spannung: gerecht und Sünder zugleich.

Nehmen wir das für uns an, dass der Geist uns gegeben ist, dass Gott in uns wirkt!

Es ist Gottes Geist, wenn Menschen frei, ohne Angst leben können, ohne Angst zu kurz zu kommen, ohne Angst zu verlieren, sogar in Krankheit und Leid und vor dem Tod ohne Angst. Es ist Gottes Geist, wenn Menschen von ganzem Herzen das Ihre tun, wo auch immer, ihre Berufung finden, Verantwortung übernehmen.

Es ist Gottes Geist, wenn Menschen dem Bösen widersprechen, Konflikte aushalten, den Frieden wagen, Grenzen überwinden, über sich selbst hinaus wachsen.

Das und vieles andere wirkt Gott, der Heilige Geist in uns und durch uns.

So gibt es nun keine Verdammnis für die, die     in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.

Amen

 

Predigt über Röm 8,26f am Sonntag Rogate 22.5.22

Alle telefonieren. Laut sprechend kommt mir jemand entgegen. Der ist doch allein. Mit wem redet der? Ach so, er spricht in sein Handy.

Eine Mutter schafft es, ihr Kind im Kinderwagen zu schieben, den Hund an der Leine zu halten und zugleich ihr Smartphone am Ohr zu haben.

Ganz zu schweigen von den vielen Autofahrern, die ihren Wagen steuern und mit einer Hand das Handy halten, was ja eigentlich verboten ist.     Alle telefonieren, manche anscheinend ohne Pause. Es gibt so viel Wichtiges zu sagen. Das Bedürfnis in Verbindung zu bleiben ist so groß.

Alle telefonieren? Nein, nicht alle. Manche nervt die dauernde Telefoniererei. Manche sind auch stumm, weil sie meinen: Wen sollten sie schon anrufen? Und was hätten sie zu sagen? Da ist keine Verbindung. Nicht aus technischen Gründen oder weil sie kein Handy haben. Sie wissen nichts zu sagen. Es soll auch Menschen geben, die so tun, als würden sie telefonieren. Sie wollen zu denen gehören, die viele Verbindungen haben.

 

„Betet!“ heißt es heute. „Bleibt in Verbindung mit Gott!“ So einfach ist das nicht. Wenn man schon so lange nicht mehr gebetet hat. Wenn einem zu belanglos scheint, was man sagen könnte, oder man nicht weiß, wie man es sagen soll. Wenn man nicht weiß: Ist da überhaupt eine Verbindung möglich? Hört Gott mich? Und auch, wenn es einem die Sprache verschlägt, wenn das, was geschieht, uns ratlos und sprachlos macht.

 

Hören wir zwei Verse aus dem Römerbrief dazu:  In gleicher Weise steht uns der Geist Gottes

da bei, wo wir selbst unfähig sind.

Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen. Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet in angemessener Weise vor Gott bringen.

Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein. Dies geschieht in einer Weise,

die nicht in Worte zu fassen ist.

Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht. Er versteht, worum es dem Geist geht.

Denn der Geist tritt vor Gott für die Heiligen ein. (Röm 8,26f)

Paulus, der große Paulus schreibt von seiner Unfähigkeit zu beten. Selbst Paulus hat keinen heißen Draht zu Gott. Kopf und Herz sind besetzt. Worte bleiben aus oder fallen ins Leere. Keine Verbindung möglich. Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen. Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet in angemessener Weise vor Gott bringen.

Zum Glück hat Paulus das geschrieben.

Zum Glück hat er alle in das „Wir“ eingeschlossen.     Es mag Zeiten geben, da fällt es uns leicht zu beten, aber oft ist es nicht so und das kennen wir alle. Niemand muss sich dafür schämen.  Niemand muss sagen: „Das ist nichts für mich.  Ich kann eben nicht beten.“

Wir alle können sozusagen von Natur aus nicht beten. Und keine und keiner kann es besser,   zum Beispiel weil sie Pfarrerin ist oder er der Apostel Paulus.

Wir alle können es nicht und können es doch.

Weil der Geist Gottes uns beisteht. Weil der   Geist mit Seufzen und Flehen für uns eintritt.

Weil Gott unsere Herzen kennt

und unser Seufzen und Flehen versteht.

Wir können nicht beten und können es doch.

Denn Gott will die Verbindung mit uns.

Gott ist wie einer dieser Smartphonejunkies.       Er hat uns so viel Wichtiges zu sagen. Gott ist geradezu süchtig nach der Verbindung zu uns.

 

Auch wenn bei mir nur die Sehnsucht da ist: Eigentlich würde ich gern beten.

Auch wenn ich keine Worte dafür finde.

Gott hört es.

Er sieht mich und kennt mein Herz.

Und er schickt keinen weg.

Gott ist nicht wie ein beleidigter Freund, der sagt:           „So lange hast Du dich nicht gemeldet – dann brauchst Du jetzt auch nicht kommen, wo du Hilfe brauchst.“ Gottes Geist ist bei denen, die ihn brauchen, nicht nur bei den vorbildlichen Christen. Gerade den Schwachen hilft er auf. Nicht nur denen, die immer alles richtig gemacht haben. Denen, die keinen Rat wissen, die meinen, sie seien von Gott und der Welt verlassen, bei denen ist Gott mit seinem Geist.

 

Fangen Sie einfach an mit einem Satz:

„Gott, du kennst mein Herz.“

Oder: „Gott, hier bin ich vor dir.“

Und dann seien Sie still, warten Sie,

bleiben Sie vor Gott!

Vielleicht kommt nur ein Seufzen, oder ein „Danke“ oder viele Gedanken.

Vielleicht kennen Sie dann selbst Ihr Herz besser – und das ist eine Antwort.

Vielleicht hilft Gottes Geist auch, indem andere mit Ihnen beten, zum Beispiel hier in der Kirche.
Jesus hat sich Sprache zum Beten ausgeliehen.

„Mein Gott, warum hast du mich verlassen“, hat er am Kreuz geschrien. Ein Psalm hat ihm geholfen, sich an Gott zu wenden. „Gott, hier bin ich vor dir. Wo bist du? Hör mich doch!“

Nehmen Sie einen Vers, wenige Worte,

sprechen Sie wieder und wieder,

etwa: „Herr, weise mir deinen Weg!“

Das reicht.

Ob Sie auf der Straße laufen und für sich beten, das geht gut. Ob Sie für Ihre Kinder und Enkel beten, besser noch mit ihnen. Ob Sie beim Autofahren beten, das ist nicht verboten. Und es geht ohne Handy. Die Verbindung ist da. Gott ist da.

 

Wir seufzen unter dem, was uns bedrückt.

Und schon, indem wir seufzen,

hilft der Geist uns auf. Die Verbindung ist da.

Gott hört und versteht uns.

Gott will ja unbedingt mit uns verbunden sein.

Darum ist er in Jesus Christus zu uns gekommen.

Er will bei uns sein, in allem, was uns bedrückt, im Leid und in der Schuld dieser Welt, sogar im Tod.

Nichts und niemand wird die Verbindung Gottes zu uns unterbrechen.

Gott hält die Verbindung zu uns, selbst wenn wir an unserer Verbindung zu ihm zweifeln.

Wir bleiben in seiner Liebe.

Amen

 

Predigt 8.5.22 1. Mose 1+2

Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde.

Die Erde war wüst und leer,

und Finsternis lag über dem Urmeer.

Über dem Wasser schwebte Gottes Geist.

Gott sprach: »Es soll Licht werden!«

Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war, und Gott trennte das Licht von der Finsternis. Er nannte das Licht »Tag« und die Finsternis »Nacht«. Es wurde Abend und wieder Morgen – der erste Tag. ….

Gott sprach: »Lasst uns Menschen machen – unser Ebenbild, uns gleich sollen sie sein! Sie sollen herrschen über die Fische im Meer und die Vögel am Himmel, über das Vieh und die ganze Erde, und über alle Kriechtiere auf dem Boden.« Gott schuf den Menschen nach seinem Bild.

Als Gottes Ebenbild schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und sprach zu ihnen: »Seid fruchtbar und vermehrt euch! Bevölkert die Erde und nehmt sie in Besitz! Herrscht über die Fische im Meer und die Vögel am Himmel und über alle Tiere, die auf dem Boden kriechen!«

So wurden Himmel und Erde vollendet mit allem, was darin ist. Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk, das er gemacht hatte. An diesem Tag ruhte er aus von all seiner Arbeit, die er getan hatte. Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn zu einem heiligen Tag. Denn an diesem Tag ruhte Gott aus von all seinen Werken, die er geschaffen und gemacht hatte. (aus 1.Mose 1+2)

 

So wunderschön ist die Welt. Gehen Sie in den Frühlingswald und bleiben Sie eine Weile einfach stehen und schauen Sie, hören Sie, riechen Sie – wunderbar! Schauen Sie eine einzige Blüte an – so kunstvoll! Hören Sie den Gesang der Vögel oder eines Menschen! Wir können nur immer wieder staunen: Wie schön hat Gott alles geschaffen.

Auf der anderen Seite fällt uns Schreckliches ein: die Hitze in Indien, die Flut im Ahrtal und auch der Krieg. Es ist nicht alles wunderbar, ganz und gar nicht. Und auch ohne die Eingriffe des Menschen gab und gibt es Vulkanausbrüche, Erdbeben, Tsunamies.

Die Welt ist schön und doch so bedroht.

Wir sehen Leben, vielfältig und stark,

und zugleich Chaos und Tod überall.

Über dem brodelnd heißen Innern der Erde,  auf der dünnen Kruste der Erdoberfläche, in der eiskalten Leere des Weltraums gibt es hier Luft zum Atmen und Wasser zum Trinken. Es ist gerade so warm und alles stimmt zusammen, dass die Erde ein Lebensort ist.

Nichts ist selbstverständlich.

Der Lebensort Erde ist bedroht, viele Arten, das Leben selbst, jeder einzelne Mensch.

Gott schafft Ordnung, wo Chaos war, Leben, wo nur lebensfeindliche Kräfte wüteten.

Schöpfung ist nicht nur ein Anfang. Weiterhin ist Gott bei seiner Schöpfung und ermöglicht Leben. Das Bewusstsein hinter dem Schöpfungsbericht: Es kann jederzeit kippen und das Chaos bricht wieder aus. Jeden Augenblick bewahrt Gott die Schöpfung. Ununterbrochen geht sein Schöpferhandeln weiter. Keinen Schritt können wir gehen, keinen Atemzug tun ohne Gottes Hilfe und Bewahrung.

Dort, wo der Bericht entstand, gab es verheeren-de Überschwemmungen wie die Sintflut: Gott hält die bedrohlichen Wasser zurück.

Der Schöpfungsbericht ist nicht Wissenschaft.

Die Autoren wollen nicht die Welt erklären.

Sie bekennen ihren Glauben. Sie preisen Gott.

Darum geht völlig fehl, wer meint, die biblischen Berichte seien mit heutiger Wissenschaft widerlegt. Natürlich ist die Welt nicht in sieben Tagen entstanden.

Wir glauben, die Welt, das Leben ist kein Zufall. In dem, was ist, erkennen wir Gottes Liebe. Am Ende jedes Schöpfungstages sieht Gott an, was entstanden ist, und befindet es für gut.

Gott freut sich über die Schöpfung.

Aus Gottes Liebe ist sie geworden.

Im Ganzen der Schöpfung ist der Mensch heraus-gehoben. Wir bekommen eine einzigartige Würde und zugleich unsere Grenze aufgezeigt.

Biologisch unterscheiden wir uns kaum von unseren tierischen Urahnen. In vieler Hinsicht sind wir anderen Lebewesen unterlegen. Und doch ist der Mensch besonders: Als Gottes Ebenbild geschaffen, besonders gesegnet und beauftragt.

Ebenbild heißt: wir sollen Gott antworten.

Wir sollen entscheiden für ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden. Wir sollen so handeln, dass wir das Leben und die Schätze der Erde nicht verbrauchen, sondern schützen.

Gott will uns als sein Ebenbild, frei sollen wir sein, uns frei zum Guten entscheiden.

Wir sollen Gott antworten.

Aber wir sind Geschöpfe, nicht der Schöpfer.

Wir sind begrenzt. Wir sind nicht Gott gleich.

Zu gern wäre der Mensch Herr seines Lebens, mächtig, völlig ungebunden.

Aber wir sind verantwortlich.

Wir müssen die Folgen unseres Tuns tragen.

Gott schafft den Menschen als sein Gegenüber.

Er will im Bund mit uns sein, er unser Gott, wir seine Menschen.

Sie hören es: da ist überall Spannung in der Schöpfung: Zwischen den Kräften des Lebens und der zerstörerischen Gewalt, zwischen Gottes Auftrag für uns und unserem Egoismus und Widerspruch gegen Gott.

Die Schöpfung ist noch nicht am Ziel.

Aber Gott feiert schon das gute Ziel seiner Schöpfung.  Am 7. Tag ruht Gott und findet alles prima.

Das ist ein Tag für uns!

Am Sabbat und am Sonntag feiern wir das Leben. Wir nehmen das gute Ziel vorweg.

Gott wird seine Schöpfung vollenden – alles wird tatsächlich gut.

Jede Woche legen wir für einen Tag die Hände in den Schoß, als wäre schon alles erledigt.

Wir bekommen einen Vorgeschmack des Heils.

Wunderbar hat Gott die Welt erschaffen. Amen

 

Gottesdienst und Predigt am 1.5. 22 mit einem Bild von Wolf Becke “noch schleifen?”

Lied 432

Gott gab uns Atem, damit wir leben. Er gab uns Augen, dass wir uns sehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.

Gott gab uns Ohren, damit wir hören. Er gab uns Worte, dass wir verstehn. Gott will nicht diese Erde zerstören. Er schuf sie gut, er schuf sie schön. Gott will nicht diese Erde zerstören. Er schuf sie gut, er schuf sie schön.

Gott gab uns Hände, damit wir handeln. Er gab uns Füße, dass wir fest stehn. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehn. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehn.

Im Namen des Vaters ….

Noch schleifen? – so fragen Sie zu ihrem Bild, Herr Becke. Das Motiv ist wie ein ungeschliffener Edelstein. Sie denken bei der Entstehung des Bildes nach über die Entwicklung von Menschen, besonders von Kindern.

Die Menschen sind aus krummem Holz geschnitzt, meinte Kant. Und wir sind doch dazu bestimmt aufrecht zu gehen.

Noch schleifen? Wie finden wir zu uns selbst?

Wir schauen jetzt, in der Kriegszeit, auf das Bild und auf uns Menschen. Was macht dieser Konflikt aus uns? Wie finden wir zurück zu Frieden und Menschlichkeit?

Wir nehmen zu Beginn des Gottesdienstes Elemente eines südafrikanischen Versöhnungsrituals auf und feiern die Versöhnung, die Christus uns in seinem Mahl schenkt.

 

Lasst uns gemeinsam im Wechsel beten:

Die Welt gehört Gott

die Erde und alle Menschen, die auf ihr wohnen.

Wie gut und heilsam ist es

gemeinsam in Eintracht zu leben.

Liebe und Glaube kommen zusammen,

Gerechtigkeit und Frieden begegnen sich.

Wenn die Jüngerinnen und Jünger Jesus schweigen

werden die Steine laut schreien.

Gott, tue meine Lippen auf,

dass mein Mund deinen Ruhm verkünde.

Amen

Neue Lieder 82 Suchen und fragen

„Nimm die Hitze aus unseren Herzen!“ – so nannten sie den Ritus der Versöhnung in Südafrika. So viel Verletzung, so viel Unrecht und Gewalt stand zwischen ihnen. Sie wollten neu anfangen und sich verlassen auf Gottes Ja zu uns.

Ostern heißt: Es wird möglich, was wir uns nicht mehr vorstellen konnten. Es heilt, was zerbrochen ist. Gott schenkt ein Neues. Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.  „Nimm die Hitze aus unseren Herzen!“ – beten wir gemeinsam.

 

Gott, mit diesem Wasser kühle unsere Hände, unsere Köper von der Hitze der Sonne.

Christus, erbarme dich.

Mit diesem Wasser nimm die Hitze aus unseren Herzen.

Gott, erbarme dich.

Mit diesem Wasser lindere unsere verletzten Gefühle, entferne die Wut von gestern.

Christus, erbarme dich.

Reinige uns von wahren und falschen Anschuldigungen.

Gott, erbarme dich.

Reinige uns von dem Makel, den unsere Missetaten hinterlassen haben.

Christus, erbarme dich.

Entferne alle Spuren des Argwohns.

Gott, erbarme dich.

Mit diesem Wasser schenke uns einen Neubeginn, dass wir eine neue Gemeinschaft werden.

Christus, erbarme dich.

Mit diesem Wasser fülle unsere Herzen mit einem reinen Geist.

Gott, erbarme dich.

Mit diesem Wasser mach uns bereit zur Versöhnung.

Amen

 

Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom (Röm 12)

Eure Liebe soll aufrichtig sein.

Verabscheut das Böse und haltet am Guten fest.

Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern.

Übertrefft euch gegenseitig an Wertschätzung.

Vergeltet Böses nicht mit Bösem.

Habt anderen Menschen gegenüber nur Gutes im Sinn.

Lebt mit allen Menschen in Frieden – soweit das möglich ist und es an euch liegt.

Lass dich nicht vom Bösen besiegen,

sondern besiege das Böse durch das Gute!

 

Wir schauen auf das Bild von Wolf Becke

Noch schleifen?

 (Orgelimprovisation)

Predigt nach Gen 28 und 32:

Ein Stein in seiner Hand.

Er schimmert rosa und blau,

als wäre Kostbares in ihn eingeschlossen.

Aber er ist auch rau, zerkratzt, zerschunden

von all dem, was über ihn hinweg gegangen ist.

Jakob hält den Stein in der Hand,

seit vielen Jahren immer wieder.

Er gehört zu ihm wie sein Leben,

ist wie ein Spiegel seiner selbst,

führt ihn zu Selbstgesprächen, Gebeten.

Ein Stein in seiner Hand wie der große Stein,

an den er sein Haupt lehnte

in der dunkelsten Nacht seines Lebens.

Am Morgen richtet er den Stein auf,

damit er ihn wiederfinden kann.

Erst da sieht er seine Farben, seine Schönheit.

Einen Splitter hebt er auf, der dem großen gleicht.

Abgespalten, getrennt – gibt es ein Zurück?

Kann der Riss zwischen ihm und seinem Bruder, zwischen ihm und seinem Vater je wieder heilen?

Er hört sie schreien, außer sich vor Wut.

Erst da beginnt er zu ahnen,

wie sehr er sie verletzt hat.

Er muss fort, rennt um sein Leben,

rennt den ganzen Tag,

bis er sich völlig erschöpft an diesen Stein lehnt.

Was soll werden?

Wohin wird er geworfen?

Wird je ein Mensch nach ihm fragen?

Jakob schläft ein – und träumt,

träumt wunderbar von einem himmlischen Licht.

Gott kommt zu ihm.

Zu ihm kommt Gott.

Sagt ihm: Ich bin bei dir und segne dich.

Du kehrst zurück.

Am Morgen richtet Jakob den Stein auf

und macht sich wieder auf den Weg,

ein Flüchtling mit Gottes Verheißung.

Viele Jahre schon hält er den Stein in seiner Hand, denkt an den Riss in seinem Leben und an Gottes Wort. Sein Stein gehört gerade so zu ihm, mit seinen Narben und Kanten und rauen Stellen

und mit der Ahnung: da ist noch mehr.

So wie sein Stein verheißungsvoll schimmert und manchmal im Licht glänzt, so glänzt über seinem Leben, was Gott gesagt hat: Ich bin bei dir und segne dich. Du kehrst zurück.

 

Und jetzt ist Jakob auf dem Weg zurück. Morgen wird er seinen Bruder wiedersehen – wie wird das sein nach so vielen Jahren?

Mit allen, die zu ihm gehören, ist Jakob unterwegs, den Kindern, dem Vieh, seinem ganzen Besitz. Jakob hat seinem Bruder kostbare Geschenke bringen lassen. Der kommt ihm mit einer großen Schar Männer entgegen. Hat er eine Chance?

In dieser Nacht ringt Jakob mit Gott.

Eine Gestalt kämpft mit Jakob bis zum Morgen. Jakob packt und hält ihn fest: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Ich lass dich erst los, wenn du mich gesegnet hast.

Seit diesem Kampf humpelt Jakob.

Seit dieser Nacht heißt er Israel, Gotteskämpfer. Am Morgen begegnet ihm sein Bruder, bereit zur Versöhnung.

 

Einen ungeschliffenen Edelstein habe ich in Ihrem Bild erkannt und habe ihn mit Lebenswegen in Verbindung gebracht: zerkratzt, rau, verletzt und verletzend und doch darunter ein Glanz, eine schöne Ahnung und Bestimmung.

Noch schleifen? Nein.

Die Kanten und Narben gehören zu uns.

Die Lüge und der Betrug Jakobs haben seinen Vater und seinen Bruder zutiefst verletzt.

Sie können sich am Ende versöhnen und doch bleibt dieser Riss in ihrer Geschichte. Er lässt sich nicht einfach abschleifen.

Der schreckliche Überfall Russlands auf seine Schwestern und Brüder wird das Verhältnis auf Dauer bestimmen. Ganz Europa sieht jetzt anders auf Russland. Irgendwann wird – so hoffen wir – Versöhnung möglich sein. Aber es wird nicht mehr sein wie vorher. „Man schließt nicht mit Freunden Frieden, sondern mit Feinden.“, meinte Jizchak Rabin. Zum Frieden gehört Geduld, Weisheit und Mut. Wie schwer heilen wir, was zwischen uns zerrissen ist! Wie unendlich schwer wenden wir uns ab von unserem verletzenden Tun!

Zwischen Jakobs Betrug und der Versöhnung liegen mindestens 20 Jahre. Jakobs Bruder wird Abstand halten und vorsichtig bleiben. Leider ist das nötig.

Das ist die eine Seite: Machen wir uns nichts vor! Wir haben Grund einander zu misstrauen.

Wir haben Grund auch uns selbst den rücksichts-losen Egoismus eines Jakob zuzutrauen.

Die andere Seite ist Gottes Geschichte mit Jakob und mit uns. Gott kommt zu Jakob in der Nacht: Ich bin bei dir und segne dich.

Ich erkenne auf Ihrem Bild eine Verheißung.      Wir sind nicht am Ende. Unsere Geschichte geht weiter, weil Gott segnen will.

Gott kommt zu uns in unserer Nacht, zu uns, die seiner Liebe widersprechen, zu uns Sündern. Warum nur setzt Gott sich der von Gewalt zerrissenen Welt aus? Weil er sie dennoch liebt.

Ich bin bei dir und segne dich, sagt Jesus zu uns. Jakob klammert sich an die Verheißung: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Gott lässt sich den Segen abringen.

Jakob und sein Bruder versöhnen sich.

Gott sieht nicht einfach über unsere Kanten und rauen Stellen hinweg. Er segnet Jakob so, wie er ist. Trotzdem: er segnet ihn. Amen

EG (Baden) 646

Wags und sei doch, was du in Christus bist, in seinem Urteil, in seiner Liebe, in seines Auges ewigem Licht schon bist.

Garnichts hast du, was er nicht selbst dir gab. Anspruch und ntwort, Wollen und Wirken strömen aus gleicher Quelle den Berg hinab.

Schuld und Ängste lasten nicht mehr auf dir. Nun bist du frei zu dienen und lieben wen du auch triffst und Jesus in ihm , in ihr.

Jetzt schon bist du, der einmal werden wird: schuldig und heilig, tot und erstanden, frei geliebt, eins mit Ihm, der dich heimgeführt.

 

Wir feien das Mahl unseres Herrn. In Christus sind wir versöhnt, geheilt, voll Hoffnung.

Wir danken dir, Gott. Du kommst zu uns in Jesus Christus, dass wir neu anfangen können. Du hilfst uns weiter zu sehen, wo wir heillos zerstritten sind. Du überwindest Sünde und Tod. An deinem Tisch, Jesus, empfängst du uns als Menschen des Friedens. Deinen Frieden schenkst du uns. Wir preisen dich, denn du bist heilig.

Neue Lieder 125: Du bist heilig

Heilig bist du, Gott, Quelle aller Heiligkeit. Du bringst Licht aus der Finsternis, Leben aus dem Tod, Wort aus dem Schweigen. Wir preisen dich für Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn.

Einsetzungsworte

Sende deinen Heiligen Geist. Verbinde uns alle, die dieses Brot empfangen und aus diesem Kelch trinken in deiner Gemeinschaft. Gemeinsam mit allen deinen Kindern und der ganzen Kirche auf Erden beten wir mit den Worten Jesu.

Vaterunser

Wir verkünden den Tod und die Auferstehung unseres Herrn. Christus ist unsere Hoffnung und unsere Freude, unser Licht.

Neue Lieder 180 Meine Hoffnung und meine Freude

Austeilung

Wir danken dir, Christus, unser Bruder und Herr. Du schenkst uns deine Gemeinschaft. Du weckst die Hoffnung auf Frieden und Versöhnung. Mach uns bereit dazu. Wir bitten für die Menschen, die unter Krieg und Gewalt leiden. Mach ein Ende mit dem unsagbaren Leid, heile die Wunden, steh den Trauernden bei. Gib uns Mut zur Versöhnung für unsere ungelösten Konflikte, für den Streit, der immer wieder weh tut. Hilf uns zu Umkehr, zum Frieden. Wir bitten für unsere Kranken, für die von Ängsten Geplagten, für die Einsamen. Hilf uns ihre Not zu sehen und ihnen beizustehen. Für deine Kirche in allen Konfessionen und in allen Ländern bitten wir. Mach uns zu Botinnen und Boten deines Friedens. Amen

EG 421

Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.

Segen

 

Predigt Ostermontag 18.4.22 Jona 2,1-10 Andreas Hansen

Ein neuer Predigttext für Ostern ist das Gebet des Jona im Bauch des Fisches. Oder eigentlich: so neu ist er doch nicht, denn schon in den Katakomben bei Rom malten Christen ihre düstere Erfahrung und ihre Osterhoffnung in Bildern von Jona. Gott reißt Jona aus der Todeszone heraus. Beten wir mit Jona.

 

Der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, im Leibe des Fisches und sprach:

Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst,

und er antwortete mir.

Ich schrie aus dem Rachen des Todes,

und du hörtest meine Stimme.

Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer,

dass die Fluten mich umgaben.

Alle deine Wogen und Wellen  gingen über mich,

dass ich dachte,  ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen.

Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt.

Ich sank hinunter zu der Berge Gründen,

der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich.

Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!

Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den Herrn, und mein Gebet kam zu dir

in deinen heiligen Tempel.

Die sich halten an das Nichtige,

verlassen ihre Gnade.

Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen.

Meine Gelübde will ich erfüllen.

Hilfe ist bei dem Herrn.

 

Es ist eine fantastische Geschichte: Jona läuft weg vor Gott. Er flieht über das Meer und gerät in einen schrecklichen Sturm. Er fällt in die tosende Flut und wird verschlungen von einem riesigen Fisch.

Eine Geschichte wie in einem bösen Traum: in die Tiefe stürzen, in Todesangst sein, verschlungen werden.

Eine Geschichte, die wir nachfühlen können, obwohl sie so fantastisch ist, denn wir können uns vorstellen, dass Schmerz und Leid und finsteres Unglück wie eine Welle über einen Menschen kommen und er untergeht. Da sitzt er tief unten, hinuntergestürzt in Angst, Scheitern, Trauer.

Im Rachen des Todes: dem Tod nah, in der Intensivstation, am Kreuz, unter Beschuss, schiffbrüchig auf dem Mittelmeer.

Jonas Geschichte ist offen für die schlimmsten Erfahrungen, so wie am Kreuz das Leid und die Schuld der ganzen Welt Platz hat.

 

Die fantastische Geschichte von Jona hat einen realen Hintergrund. Es geht um das sagenhaft grausame Reich der Assyrer mit der Hauptstadt des Bösen: Ninive. Oder um eine spätere Zeit, als das Büchlein von Jona geschrieben wurde und die Perser andre Völker versklavten. Es geht genauso um heute, wenn ein großes Land seinen kleinen Nachbarn überfällt, Städte zerbombt und Menschen ermordet. Der Hintergrund ist damals und heute: die Wirklichkeit des Bösen.

Gott gibt Ninive nicht auf. Es tut ihm Leid um die Menschen und Tiere in der großen, bösen Stadt. Und tatsächlich kehren sie um.

Für Ninive und Moskau gilt: Gott ist nicht fertig mit euch. Ihr sollt umkehren.

Gott sieht für alle diese Chance.

Der seltsame, bockige Prophet macht es vor,    dass Umkehr möglich ist. Gott lässt ihn nicht einfach davonkommen. Gott findet Jona. Gott findet uns. Jona muss im Sturm untergehen und durch die Hölle gehen, aber er ist gerettet.

Jesus geht in den Tod für uns, aber er lebt.

Für uns und für alle gilt: Gott findet sich nicht ab mit dem Bösen. Er gibt der Welt einen neuen Weg.

Das klingt wie ein Märchen.

Und doch: das Leben siegt.

Dazu braucht Gott mutige Menschen, die sich nicht drücken und das Richtige tun.

Es wird einen Ausweg aus diesem Krieg geben. Gott wird das noch Unvorstellbare möglich machen.

Jona zeigt uns Gottes Mitleid mit der bösen, gewalttätigen Welt. Und ebenso zeigt Jesus Gottes Leiden an der Welt und seinen Sieg.

Das ist unsere Hoffnung.

 

Wir können uns einfühlen in Jonas Sturz in die Tiefe, in das Untergehen und Verschlungen-Werden. Beten wir auch mit ihm. Er klagt.

Er klagt zuerst Gott an: Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen  gingen über mich, dass ich dachte,  ich wäre von deinen Augen verstoßen. Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. Jona erspart Gott nichts: Er versteht nicht und klagt. Er ist verzweifelt und am Ende.        Beten hilft: Wie Jesus am Kreuz, so nimmt Jona Worte aus den Psalmen, um seine Not vor Gott zu bringen. Er stellt sich in den Kreis der Betenden.

Und nun gewinnt er eine neue Sicht.

Jona sieht er sich selbst vor Gott.

Gott ist nicht am Ende.

Neue Möglichkeiten öffnen sich.

Nimmt Jona vorweg, was er hofft? Gott hat doch schon geholfen und wird wieder helfen.

Oder sieht er schon zurück auf die Rettung?

Sein Gebet wird zum Lob: du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!

Beten hilft Jona auszuhalten, die Panik zu überwinden, neu anzufangen.

Beten hilft uns: Wir sehen uns vor Gott.

Gott öffnet neue Wege für uns.

Wir glauben und beten von Ostern her.

Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!

Amen

 

Predigt Ostersonntag Mk 16,1-8

Vor der Predigt singen wir EG 111, 1+2+11+13

Frühmorgens, da die Sonn aufgeht, mein Heiland Christus aufersteht. Vertrieben ist der Sünden Nacht, Licht, Heil und Leben wiederbracht. Halleluja.

Wenn ich des Nachts oft lieg in Not verschlossen, gleich als wär ich tot, lässt du mir früh die Gnadensonn aufgehn: nach Trauern Freud und Wonn. Halleluja.

O Wunder groß, o starker Held! Wo ist ein Feind, den er nicht fällt? Kein Angststein liegt so schwer auf mir, er wälzt ihn von des Herzens Tür. Halleluja.

Lebt Christus, was bin ich betrübt? Ich weiß, dass er mich herzlich liebt; wenn mir gleich alle Welt stürb ab, g’nug, dass ich Christus bei mir hab. Halleluja.

Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sehr früh am ersten Tag der Woche kommen sie zum Grab, eben als die Sonne aufging.

Und sie sagten zueinander: Wer wird uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen?  Doch wie sie hinschauen, sehen sie, dass der Stein weggewälzt ist. Er war sehr groß.

Und sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem langen, weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagt zu ihnen: Erschreckt nicht! Jesus von Nazareth sucht ihr, den Gekreuzigten. Er ist auferweckt worden, er ist nicht hier. Das ist die Stelle, wo sie ihn hingelegt haben. Doch geht, sagt seinen Jüngern und dem Petrus, dass er euch vorausgeht nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.

Da gingen sie hinaus und flohen weg vom Grab, denn sie waren starr vor Angst und Entsetzen. Und sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich.  (Mk 16,1-8)

 

In panischem Schrecken laufen sie davon – nur weg von hier! – durch die Gassen der Stadt laufen sie, bis Salome stolpert und sich gerade noch fangen kann – es klirrt. „Das Salböl!“

Ihre Tasche wird fleckig. Es beginnt zu duften – das Salböl läuft aus.

„Wie vor ein paar Tagen. Wisst ihr noch?“ „Nardenöl – das ganze Haus war erfüllt vom Duft.“ Da stehen sie und sehen einander an.

„Was war das vorhin in dem Grab?“

„Was hat er gemeint mit: Er ist auferweckt?“

„Es ist wie ein Traum. Aber ihr seid da, und ich rieche das Salböl.“ Sie lächelt.

 

Groß, ungeheuer groß ist die Angst, wie ein schwerer Stein auf dem Herzen. Was geschieht, ist so bedrängend, löst so tiefe Gefühle von Hilf-losigkeit und Schmerz aus, dass das Gehirn es nicht normal verarbeiten kann: ein Trauma.

Eine Wunde: Wir zucken zurücA, sobald etwas in die Nähe kommt. Niemand darf sie anrühren!

Ein traumatisierter Mensch ist voll Unruhe oder wie gelähmt. Plötzlich ist der Schrecken wieder da. Unerträglich: „Nur weg von hier!“

Traumatisiert sind Menschen, denen Gewalt angetan wird, die Katastrophen erleben oder die Zeuge schrecklichen Leides werden. Ein Unfall, der Tod eines geliebten Menschen, oder die Grausamkeit des Krieges. Das Geschehene      hat sich in die Seele eingebrannt.

Es steht im Weg und verstellt den Blick.

Wie ein Stein, der schwer lastet.

Wer wird uns den Stein wegwälzen?

 

Gut, dass sie zu dritt sind, Maria Magdalena, Maria und Salome. Keiner soll in diesem Zustand alleine sein. Den Sabbat über mussten sie warten, jetzt endlich können sie tun, was man tut.

Das Normale hilft, Salböl für den Verstorbenen.

Doch nichts ist normal:

Der Stein ist fort, das Grab offen – sie erschrecken über den Jungen in Weiß, sie sind schockiert über seine Worte und laufen davon.

Zuerst sind da nur Zweifel und Fragen.

„Denkst du auch daran?“ Aber sie schweigen.

Eine unverständliche, fremde Wirklichkeit bricht herein. Alles, was sie wissen über Leben und Tod, ist auf den Kopf gestellt. Die Grenze zwischen Tod und Leben wird brüchig. Wer darüber nicht erschrickt, versteht nicht, was hier vor sich geht.

Aber das ist ein anderer Schrecken.

Der Gekreuzigte ist auferweckt.

Was heißt das?

Jesus lebt! Tot ist nicht mehr tot.

Er ist gestorben und lebt.

Etwas Neues, Großes ist in ihrem Leben.

Sie sind Gott begegnet.

 

Groß sind die Steine unserer Angst.

Alles ist auf einmal anders, wenn ein lieber Mensch krank wird oder wir selbst. Was wir selbstverständlich erledigt haben, wird zum Problem. Wir fragen uns, wie es weitergeht.

Vieles verändert sich durch den Krieg in der Ukraine. Eine Zeitenwende. Wir konnten uns   nicht vorstellen, was jetzt gar nicht so weit von uns geschieht, was die Menschen dort mitmachen. Wohin führt das noch?

Die Welt ist bedroht, wir sind verletzlich.

Täglich erfahren wir das.

Und doch ist seit Ostern eine neue Dimension aufgebrochen.

Wir spüren den Schrecken der drei Frauen.

Aber auch die Ahnung: Da ist noch mehr.

Eine neue noch nicht greifbare Wirklichkeit.

Wir wissen längst nicht alles.

Gott hält noch vieles bereit für uns.

Gott ist da. Undenkbar: Gott in unserem Leben.

Wunderbar: Gott ist bei uns.

So bedrohlich ist vieles. Aber Jesus ist bei uns.   er ist auferweckt worden.

Kein Angststein liegt so schwer auf mir, er wälzt ihn von des Herzens Tür. Halleluja (EG 111,11)

 

Maria, Maria Magdalena und Salome schweigen.

Sie gehen nach Galiläa. Sie warten.

Vieles erinnert sie: das Haus in Kapernaum – „Deine Sünden sind dir vergeben“ hat er gesagt,

der Platz, an dem so viele satt wurden durch ihn, der See: „was seid ihr so furchtsam – habt ihr noch keinen Glauben?“ hat er im Sturm gesagt.

Überall sind seine Spuren.

Er ist bei ihnen.

Sie denken an das, was sie im ersten Morgenlicht erlebt haben: der Stein war weggerollt, das Grab leer, der junge Mann im weißen Gewand.

Ihr sucht den Gekreuzigten. Er ist nicht hier.

Er ist auferweckt.

Bald treffen sich die Jüngerinnen und Jünger regelmäßig: Am Morgen nach dem Sabbat feiern sie ihren Herrn.

Er lebt. Er ist bei uns. In seinem Namen vergeben wir Sünden. Wie er teilen wir das Brot. Der Herr ist auferstanden.

Lebt Christus, was bin ich betrübt?

Ich weiß, dass er mich herzlich liebt.

Wenn mir gleich alle Welt stürb ab,

g´nug, dass ich Christus bei mir hab.

Halleluja (EG111,13)

Amen

Predigt Mk 10,35-45 3.4.22 Judika

Es gibt viele Gaben und Dienste in der Kirche, auch die Gabe und den Dienst der Leitung.          Wir wählen diejenigen, die für unsere Gemeinde entscheiden. Wir geben ihnen dafür Macht.  Es kann verlockend und gefährlich sein, Macht zu haben, bestimmen zu dürfen. Es kann auch eine Last sein, Verantwortung zu tragen. Heute hören wir von zweien, die ganz oben stehen wollen:

 

Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, traten zu Jesus und sagten zu ihm: »Lehrer, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.« Jesus fragte sie: »Was möchtet ihr denn? Was soll ich für euch tun?« Sie antworteten: »Lass uns neben dir sitzen, wenn du in deiner Herrlichkeit regieren wirst – einen rechts von dir, den anderen links.« Aber Jesus sagte zu ihnen: »Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet! Könnt ihr den Becher austrinken, den ich austrinke? Oder könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?«   Sie erwiderten: »Das können wir!« Da sagte Jesus zu ihnen: »Ihr werdet tatsächlich den Becher austrinken, den ich austrinke. Und ihr werdet die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde. Aber ich habe nicht zu entscheiden, wer rechts und links von mir sitzt. Dort werden die sitzen, die Gott dafür bestimmt hat.«

Die anderen zehn hörten das Gespräch mit an und ärgerten sich über Jakobus und Johannes.                       Da rief Jesus auch sie herbei und sagte zu ihnen: »Ihr wisst: Diejenigen, die als Herrscher der Völker gelten, unterdrücken die Menschen, über die sie herrschen. Und ihre Machthaber missbrauchen ihre Macht. Aber bei euch ist das nicht so: Sondern wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. Und wer von euch der Erste sein will, soll der Diener von allen sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen. Im Gegenteil: Er ist gekommen, um anderen zu dienen und sein Leben hinzuge-ben als Lösegeld für viele Menschen.« (Mk 10,35-45)

 Ach, Jesus, meinst du das wirklich?

Du sagst bei euch ist das nicht so.

Nicht so wie überall in der Welt,

bei denen, die herrschen und mächtig sind.

bei euch ist das nicht so

ach, Jesus, sieh doch deine Jünger an!

Ihr seid kurz vor Jerusalem. Dreimal hast du gesagt, auf dich warten Leid und Tod.

Aber sie wollen das nicht hören.

Sie verstehen dich auch jetzt nicht, wenn du sprichst: vom Becher, den du trinken musst, deinem Leidenskelch.                                                           Nein, sie sehen dich lieber auf dem Thron der Macht. Da wollen sie neben dir sitzen.

Natürlich ist klar, wen du mit den ungerechten Herrschern meinst, die ihre Völker unterdrücken. Pilatus ist so einer. Die Römer haben ihn extra in eure Unruheprovinz geschickt, damit er es den Aufrührern mal so richtig zeigt. Zu den vielen,   die er kreuzigen lässt, wirst auch du gehören.

Uns fallen grausame, machtgierige Herrscher unserer Tage ein. Sie dulden keinen Widerspruch und keine freie Presse. Sie lassen ihre Gegner ermorden. Sie überfallen die, die frei sein wollen.

Ich verstehe deine Jünger, dass sie von einer Zeit träumen, in der sie das Sagen haben.

Aber du weißt doch selbst, wie deine Kirche ist, Jesus. Was haben sie gemacht, als die Verhält-nisse sich besserten und sie nicht mehr verfolgt wurden? Dann haben sie selbst die unterdrückt, die nicht ihrer Meinung waren.

Ach, Jesus, es muss doch jemand bestimmen.

Überall, wo Menschen sind, gibt es auch Macht.

Wir sind nicht besser als Jakobus und Johannes.

Wie kommst du nur darauf zu sagen bei euch ist das nicht so? Du bleibst dabei.

bei euch ist das nicht so – ihr unterscheidet euch von den Herrschern und Mächtigen der Welt.

Du siehst uns anders, besser als wir sind.

Haben wir das verdient?

Stopp: vom Verdienen hältst du ja nicht so viel. Jakobus und Johannes haben sich ausgerechnet, sie hätten den besten Platz bei dir verdient. Aber auf solche Rechnungen lässt du dich nicht ein.

Du sagst: wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. Und wer von euch der Erste sein will, soll der Diener von allen sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen. Im Gegenteil: Er ist gekommen, um anderen zu dienen und sein Leben hinzuge-ben als Lösegeld für viele Menschen.

Du gibst dein Leben, dich selbst als Lösegeld.

Was meinst du damit, Jesus?

Wenn jemand eine Geisel gefangen nimmt, verlangt er ein Lösegeld. Manchmal lässt sich einer sogar für eine Geisel eintauschen. Dann ist er selbst das Lösegeld.

Es geht um Freiheit.

Immer wieder machst du Menschen frei, Jesus.

Du befreist sie von Krankheit. Den Betrüger Zachäus befreist du für einen neuen Weg.

Von Dämonen kannst du befreien, die Macht des Bösen bannen.

Wir sind immer wieder in Geiselhaft. Wir tun, was wir eigentlich gar nicht wollen: nur auf unseren Vorteil bedacht zu sein. Immer wieder geschieht es, dass wir wie darin gefangen sind. Daraus können wir uns selber nicht befreien. Keine eigene Anstrengung kann uns daraus loskaufen.

Doch du tust das für uns. Du lässt dich für uns im Garten Gethsemane gefangen nehmen. Du lässt dich für uns zum Opfer am Kreuz machen.

Du gibst dein Leben für uns hin.

Du siehst uns besser, als wir sind, Jesus.

Du kannst uns schön als erlöste, befreite Menschen sehen.

Du sagst: bei euch ist das nicht so.

Ihr müsst nicht besser sein als die anderen.

Ihr müsst nicht für euch herausholen, was geht.

Ihr seid frei. Danke, Jesus. Amen