Predigt am 10.6.18 von Andreas Hansen über Jes 55,1-5
Gott spricht durch Jesaja, den Propheten:
Ach! Alle ihr Durstigen! Kommt zum Wasser! Auch wer kein Geld hat: Kommt! Kauft und esst! Ohne Geld. Ganz umsonst! Wein und Milch. Warum zahlt ihr für Nicht-Brot; gebt euer Sauer-Verdientes für Nicht-Sättigendes? Warum…? Hört doch auf mich – das ist gute Speise! Das ist ein Festschmaus für eure Seele. Macht eure Ohren auf, kommt zu mir! Hört, dann werdet ihr aufleben!
Ich will mit euch einen bleibenden Bund schließen auf die verlässlichen Gnadenzusagen an David. Siehe: Zum Zeugen für die Völker mache ich ihn, zum Fürsten und Gebieter von Völkern. Siehe: Volk, das du nicht kennst, rufst du; Volk, das dich nicht kennt – zu dir laufen sie um des Herrn, deines Gottes, willen und des Heiligen Israels; denn er verherrlicht dich.
Kennen Sie Metzingen? Outlet-City? Die kleine Stadt besteht zur Hälfte aus Outlet-Centern der angesagten Marken. Im Urlaub waren wir in der Nähe und sind bei schlechtem Wetter nach Metzingen gefahren: Wir sind ganz schnell vor dem ungeheuren Rummel geflüchtet. Täglich kommen Tausende nach Metzingen, aus ganz Deutschland, der Schweiz, ja aus der ganzen Welt. Man sagt, die Ware sei extra für das Outlet-center gefertigt. Und trotzdem lockt die Aussicht auf billige Schnäppchen Massen an. Das Geschäft muss laufen. Fast jeder schleppt etliche Plastiktüten voll Ware mit sich. Wir sollen kaufen, kaufen, kaufen.
Gott geht auf den Markt. Wie ein Marktschreier preist er an, was er zu bieten hat. „Hoj!“ schreit er. „Ach!“, es ist eigentlich ein Klageruf, mit dem er die Aufmerksamkeit weckt: „He, kauft Leute!“ Er ruft. Er preist an. Aber er spielt nicht mit im Spiel um den größten Profit. Er will seine Waren verschenken! „Auch wer kein Geld hat: Kommt! Kauft und esst! Ohne Geld.“ Wo gibt es denn das? Das widerspricht den Gesetzen des Marktes. Man bekommt nichts geschenkt. Wir erleben es täglich: Was wir bringen und leisten, zählt. Unsere Arbeit, unser Können, unser Geld. Wir bekommen nur etwas, wenn wir was zu bieten haben. Wer nichts leistet und wer sich nichts leisten kann, steht am Rand.
„Alle ihr Durstigen! Kommt zum Wasser!“ Gott verschenkt Wasser. Auch ein neues Wort haben wir im Urlaub kennengelernt: Wissen Sie, was eine Hüle ist? Ganz oben auf der schwäbischen Alb gibt es Dörfer ohne Quellen. Aus dem Teich, der Hüle trank Mensch und Vieh – die Qualität des Wassers war unerträglich. Nur weit unten im Tal gab es frisches Wasser. Vor 120 Jahren gingen sie zum König nach Stuttgart und verlangten eine Wasserleitung. „Mir dädet´s scho no drinke, aber ´s Vieh weigert sich.“
In vielen Ländern ist Wasser ein kostbares Gut. Menschen stehen Schlange und zahlen viel für trinkbares Wasser.
Gott ruft: „Auch, wer kein Geld hat, kommt!“ Umsonst gibt Gott Wasser und Brot, elementare Lebensmittel, ohne die es nicht geht. Gott bietet auch Wein und Milch, den Glanz des Lebens.
Gott lockt und wirbt. Gott sieht, was wir brauchen. Er will es uns geben. Aber uns fällt es schwer, uns einfach beschenken zu lassen.
„Man bekommt nichts geschenkt.“ Davon sind wir zutiefst überzeugt. Wir sind geprägt vom Gesetz des Marktes, Kunden, die für ihr gutes Geld ordentlich bedient werden wollen.
Ich will es noch deutlicher sagen: Wir glauben an Geld und Profit – so funktioniert unsere Welt, und so wird sie untergehen, wenn wir nicht wach werden und der Logik der Habgier widersprechen – überall in der Welt können wir doch sehen, was sie anrichtet.
Gott ruft wie ein Marktschreier, aber Gott widerspricht der Logik des Kaufens und Verkaufens, Gott widerspricht dem Immer-mehr-haben-Wollen.
Man bekommt nichts geschenkt? Doch! Das, was wirklich zählt, können wir nur geschenkt bekommen und selbst schenken: Reich sind wir, wenn wir Zuwendung, Vertrauen, Wertschätzung geben und empfangen. Reich sind wir durch das, was Gott uns schenkt. Das Leben selbst und alle seine Farben und Klänge sind uns geschenkt.
„Warum zahlt ihr für Nicht-Brot?“ fragt Gott sein Volk. So fragt auch der Prophet Jesaja – es war eine Zeit des Umbruchs, die Menschen verwirrt und haltlos, ängstlich und gierig nach Leben. Jesaja verspottet die selbst gezimmerten Götterbilder seiner Zeitgenossen.
„Warum zahlt ihr für Nicht-Brot?“ könnte man auch heute fragen. Warum gebt ihr so viel für das, was nicht satt macht? Menschen suchen ihr Glück und Heil in dem, was sie selbst schaffen oder einkaufen. Ihre Seele bleibt hungrig. Gott widerspricht dem Gesetz des Kaufens und dem Gesetz der Leistung und der ganzen selbstsüchtigen Angst, zu kurz zu kommen. Gott will, dass wir nicht am Leben vorbei leben. Was wir wirklich zutiefst brauchen, was unseren Hunger und Durst nach Leben stillt, das will er uns geben, das kann uns nur Gott selbst geben. Darum wirbt er so eindringlich: „Hört doch auf mich – das ist gute Speise! Das ist ein Festschmaus für eure Seele. Macht eure Ohren auf, kommt zu mir! Hört, dann werdet ihr aufleben!“ Wir sollen durch Worte gesättigt werden. Können Worte so viel bewirken? Ja, ganz sicher: Freundliche Worte eines Menschen, der mir wichtig ist, machen mich froh. Gute Worte eines Menschen, den ich liebe, sind ein Glück. Wie viel Mut und Kraft zum Leben ist dann erst in Worten von Gott! – sie können sogar Leid und Tod überwinden. „Hört, dann werdet ihr aufleben!“ Dem Hören ist die Gabe des Lebens verheißen.
Gott sagt: „Ich will mit euch einen bleibenden Bund schließen auf die verlässlichen Gnaden-zusagen an David.“ Ein Bund: Bei unserer Taufe hat Gott einen Bund mit uns geschlossen. Als wir konfirmiert (oder gefirmt) wurden, sagten wir: Wir bleiben mit Gott im Bund. Gott gibt ein Versprechen, wie er es David, dem König, gegeben hat. Mit Gott im Bund sind wir wie Königskinder. Wir sind Menschen, die sich etwas zutrauen dürfen.
David steht für die Hoffnung auf eine gerechte und gute Welt. David ist der Friedenskönig, nach dem sich die Menschen sehnten und sehnen. Jesus haben sie den Sohn Davids genannt. Menschen, die ihn hörten, sind aufgelebt. Einer sagte zu ihm: Du hast Worte des ewigen Lebens.
„Ach! Alle ihr Durstigen! Kommt!“ Gott wirbt um sein Volk. Gott ruft uns. Er ist sich nicht zu schade, auf den Markt zu gehen. Er will uns Leben geben, Leben in Fülle, in Frieden, in Gerechtigkeit. Er schenkt, was so lebensnotwendig ist wie Wasser, wie Brot. „Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus. Das Leben können wir nicht kaufen. Wir bekommen es geschenkt. Jesus gibt uns sich selbst.
Wir sind wie Königskinder. Wir sind reich. Amen