Alle Beiträge von Andreas Hansen

Pfarrer in Kenzingen seit Mai 2012, vorher als Pfarrer in Waldshut (1997-2012) und Riegel (1990-1997), verheiratet, drei erwachsene Kinder, Jahrgang 1960

Mt 25,1-13 Ewigkeitssonntag, Gedenken an die Verstorbenen

Predigt am 22.11. von Andreas Hansen über Mt25,1-13

Lied vor der Predigt, EG 147: Wachet auf, ruft uns die Stimme

„Wacht auf!“ ruft die Stimme. „Das Fest beginnt! Kommt mit in den Freudensaal!“ Frohe Erwartung haben wir besungen. Bei uns steht das Lied am Ende des Kirchenjahres. Im katholischen Gesang-buch ist das ein Adventslied. Jesus kommt zu uns – Hoffnung für die Welt. Draußen ist es jetzt nach vielen Sonnentagen doch novembergrau und nass. Stürmischer Wind reißt die letzten Blätter von den Bäumen. Im trüben Licht kreisen unsere Gedanken um Sterben und Tod. Totensonntag: Wir denken an unsere Toten, an die, die uns persönlich nahe und lieb waren, auch an die Toten und die Trauernden in Paris. Ewigkeitssonntag: Wir fragen über den Tod hinaus. Was trägt uns wirklich? „Wacht auf!“ Jesus erzählt von einer Hochzeit. Ein großes Fest ist die Gemeinschaft mit ihm, der Himmel ein Festsaal. Mit allen will Jesus feiern. Keiner soll fehlen. Jesus erzählt von der schrecklichen Möglichkeit, dass wir sein Fest verpassen könnten und vor verschlossener Türe stehen. Eindringlich warnt er uns, wachsam zu sein, bereit für sein Fest.

Mt 25,1-13 »Wenn der Menschensohn kommt, wird es mit dem Himmelreich wie mit zehn Brautjungfern sein, die ihre Fackeln nahmen und dem Bräutigam entgegengingen. Fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die Törichten nahmen zwar ihre Fackeln mit, aber keinen Ölvorrat. Die Klugen dagegen hatten außer ihren Fackeln auch Gefäße mit Öl dabei. Als sich nun die Ankunft des Bräutigams verzögerte, wurden sie alle müde und schliefen ein. Mitten in der Nacht ertönte plötzlich der Ruf: ›Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!‹ Die Brautjungfern wachten alle auf und machten sich daran, ihre Fackeln in Ordnung zu bringen. Die Törichten sagten zu den Klugen: ›Gebt uns etwas von eurem Öl; unsere Fackeln gehen aus.‹ Aber die Klugen erwiderten: ›Das können wir nicht, es reicht sonst weder für uns noch für euch. Geht doch zu einem Kaufmann und holt euch selbst, was ihr braucht!‹ Während die Törichten weg waren, um Öl zu kaufen, kam der Bräutigam. Die fünf, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal. Dann wurde die Tür geschlossen. Später kamen auch die anderen Brautjungfern und riefen: ›Herr, Herr, mach uns auf!‹ Doch der Bräutigam antwortete: ›Ich kann euch nur das eine sagen: Ich kenne euch nicht!‹« »Seid also wachsam!«, schloss Jesus. »Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde im Voraus.«

„Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.“ Der Satz von Franz Kafka steht manchmal über Todesanzeigen. Oft ist es so: Wir wissen um den nahen Tod, und doch überrascht er uns. Undenkbar ist der Verlust des geliebten Menschen, erschreckend die Leere, groß der Schmerz. In unseren Herzen sind unsere Toten noch bei uns. Und doch sind sie uns genommen. Umso schrecklicher, wenn der Tod aus heiterem Himmel kommt: eine unerkannte Krankheit, ein Unglück, Unfall, gar Verbrechen. Wir trauern heute auch mit den Angehörigen der Opfer in Paris und der Opfer in Syrien, im Irak, an vielen Orten der Erde.

„Seid wachsam!“ ruft Jesus. Eindringlich, erschreckend. Wir sollen nicht so tun, als wären wir unverletzbar. Gewalt und Unrecht gehen uns an. Unglück kann auch uns treffen. Keiner entgeht dem Tod.

Natürlich stehen wir gern auf der Seite der klugen Jungfrauen. Wir sehen unser Leben gerne im Licht. Wir betonen unsere guten Absichten. Ach ja. Aber Jesus erzählt aus der Sicht der anderen. Sie haben nicht genug vorzuweisen. Sie kommen zu spät und stehen vor verschlossener Tür. Sie sind draußen. Oft genügen wir nicht. Wir sollen leuchten, aber es will nicht gelingen. Wir wollen auf einen anderen zugehen, aber uns fehlt der Mut. Wir wissen das Gute, und tun es doch nicht – selbstsüchtig oder gleichgültig, rechthaberisch, habgierig. Wer von uns mag sagen: „Ich habe genug Licht“? Alle sind sie eingeschlafen. Keine bleibt wach. Alle überrascht mitten in der Nacht der Ruf. Es geht uns, wie Meister Eckhart schreibt: „Gott ist allezeit bereit, wir aber sind sehr unbereit; Gott ist uns nahe, wie aber sind ihm fern; Gott ist drinnen, wir aber sind draußen.“

„Seid wachsam!“ Jesus will uns aufrütteln. „Macht euch nichts vor über euch selbst! Kehrt um!“ Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben. Was ist unser Halt im Leben und im Sterben? Was hilft uns, diese Zerbrechlichkeit zu ertragen? Jesus ruft uns, aber er kennt ja unser Dunkel, unser Versagen. Er erleidet es selbst am Kreuz und er geht uns voraus ins Leben. „Hilf uns, wachsam zu sein, Jesus! Gib uns von deinem Licht!“

Ich las den Bericht einer jungen Frau, die das Attentat beim Konzert in Paris überlebt hat. Sie blieb eine Stunde am Boden liegen und stellte sich tot. Sie schreibt: „Als ich da im Blut fremder Leute lag und auf die Kugel wartete, die meinen 22 Jahren ein Ende setzen sollte, sah ich vor meinen Augen jedes Gesicht, das ich je geliebt habe und dem ich zugeflüstert habe: Ich liebe dich. Ich dachte über die Höhepunkte meines bisherigen Lebens nach. Ich wünschte mir, dass die, die ich liebe, das auch wissen, wünschte mir, dass sie, unabhängig davon, was mit mir geschehen würde, weiter an das Gute in den Menschen glauben, dass sie diese Leute nicht gewinnen lassen.“

Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben. Aber mitten im Tod wissen wir uns vom Leben umfangen. Gott hat uns das Leben geschenkt. Jesus hat ja zu uns gesagt. Keine Macht der Welt wird uns von ihm trennen. Er lässt den Hass und die Gewalt nicht gewinnen. Er erleidet sie selbst und stirbt am Kreuz, und lebt. Die Liebe bleibt. Seine Liebe umfängt unsere Verstorbenen und uns.

Mag kommen, was will: Gott wird bei uns sein. Sein Ja gilt. Seine Liebe bleibt. Aber dennoch: „Seid wachsam! Ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Der Friede Gottes, höher als all unser Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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Mt 18,21-34 Reformation: der barmherzige Gott

Predigt am 1.11.15 von Andreas Hansen über Mt18,21-34

Gottesdienst zum Reformationstag

Mt 18,21-22:
Da wandte sich Petrus an Jesus und fragte: »Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er immer wieder gegen mich sündigt? Siebenmal?«
»Nein«, gab Jesus ihm zur Antwort, »nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal!

Er sitzt am Tisch und beugt sich vor. Er versteckt sein Gesicht. Seine Klassenkameraden sollen nicht sehen, dass er heult. Er hat sich wehgetan. Seine Hose ist aufgerissen, als er stürzte, als sie ihm ein Bein gestellt haben. Sein Knie blutet. Aber er heult noch mehr aus Wut. Warum können sie ihn nicht in Ruhe lassen? Warum lachen sie immer über ihn? Wenn er nur könnte, er würde es denen zeigen.

Das Maß ist voll. Jetzt reicht sie die Scheidung ein. Wieder und wieder hat sie seine Gemeinheiten ertragen. Sie hat ihn zur Rede gestellt, hat gesagt, so geht es nicht. Sie haben neu angefangen.
Aber jetzt hat sie herausgefunden, dass er sie seit Monaten belügt. Er hat gelacht und sie dann auch noch beschimpft.
„Die Liebe ist langmütig und freundlich. Die Liebe erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“ So schön klang das damals bei ihrer Hochzeit. Aber nein, es reicht. Sie kann nicht mehr. Bevor sie vor die Hunde geht, muss sie einen Schlussstrich ziehen.

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Mt 5,38-48 Die Feinde lieben – wer schafft das?

Predigt am 25.10.15 von Andreas Hansen über Mt 5,38-48

vor 3 Tagen gedachten wir der Verschleppung der badischen Juden nach Gurs am 22.10.1940 - der Gottesdienst beginnt mit einem Anspiel: Wann wird es Tag? - es wird Tag wenn ich meinem Mitmenschen ins Gesicht schaue und meine Schwester, meinen Bruder erkenne

Wann beginnt der Tag? Wann wird es hell?
Finster war es vor 75 Jahren, als viele unbeteiligt zusahen, wie ihre Nachbarn abgeholt wurden.
Unsere Kirche schaute weg – die meisten.
Zu den deportierten Juden gehörte auch die Freiburgerin Lili Reckendorf. Sie war evangelische Religionslehrerin, wurde aber schon 1933 wegen ihrer jüdischen Abstammung entlassen. Sie schrieb an den badischen Kirchenpräsidenten. Er sah keine Möglichkeit ihr zu helfen.

Wann beginnt der Tag? Am Strand lag ein kleiner Junge. Das Bild ging um die Welt. Zahlen von im Mittelmeer ertrunkenen Menschen waren schreck-lich, aber ein einzelnes Kind – da dachten viele auf einmal an ihre Kinder. Wie unfassbar groß ist das Leid des Vaters. Seine beiden Kinder und seine Frau sind umgekommen. Er hat das Bild vom toten Kind am Strand freigegeben.

Wann beginnt der Tag? Wir sehen die vielen in unser Land kommenden Menschen. Eine unüber-schaubare Menge. Die Probleme wachsen. Die Aufgabe wird an vielen Stellen zur Überforderung. Es ist leicht, jetzt Bilder zu finden für das, was wir gerade nicht, oder noch nicht schaffen. Aber wir können auch auf all das schauen, was in diesen Wochen an Gutem gelingt. Es wird Tag, wenn wir einem Menschen ins Gesicht sehen. Wir sehen nicht eine bedrohliche Menge, sondern diesen einen Menschen mit seinem Namen und seiner Geschichte. Und dann wird es ein wenig heller, weil er uns angeht mit seiner Not, ein Mitmensch.

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Mk 2,1-12 überwinden, was uns lähmt – Vertrauen

Predigt am 18.10.15 von Andreas Hansen über Mk2,1-12

Gottesdienst in der katholischen Kirche Hecklingen

Mk 2,1-12: Einige Tage später kehrte Jesus nach Kapernaum zurück. Es sprach sich schnell herum, dass er wieder zu Hause war.
Da versammelten sich so viele Menschen bei ihm, dass kein Platz mehr war, nicht einmal vor dem Haus. Während er ihnen das Wort Gottes verkündete, wurde ein Gelähmter gebracht; vier Männer trugen ihn. Sie wollten mit ihm zu Jesus, doch es herrschte ein solches Gedränge, dass sie nicht zu ihm durchkamen.
Da deckten sie das Dach über der Stelle ab, wo Jesus sich befand, und machten eine Öffnung, durch die sie den Gelähmten auf seiner Matte hinunterließen.
Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Gelähm-ten: »Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!«
Einige Schriftgelehrte, die dort saßen, lehnten sich innerlich dagegen auf. »Wie kann dieser Mensch es wagen, so etwas zu sagen?«, dachten sie. »Das ist ja Gotteslästerung! Niemand kann Sünden vergeben außer Gott.«
Jesus hatte in seinem Geist sofort erkannt, was in ihnen vorging. »Warum gebt ihr solchen Gedanken Raum in euren Herzen?«, fragte er sie. »Was ist leichter – zu dem Gelähmten zu sagen: ›Deine Sünden sind dir vergeben‹ oder: ›Steh auf, nimm deine Matte und geh umher!‹? Doch ihr sollt wissen, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben.«
Und er wandte sich zu dem Gelähmten und sagte: »Ich befehle dir: Steh auf, nimm deine Matte und geh nach Hause!« Da stand der Mann auf, nahm seine Matte und ging vor den Augen der ganzen Menge hinaus. Alle waren außer sich vor Staunen; sie priesen Gott und sagten: »So etwas haben wir noch nie erlebt.«

“Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.” Freunde wie diese vier kann man sich nur wünschen.
Freunde, die mich tragen und ertragen, wenn ich selbst nicht kann, gelähmt durch Krankheit oder Traurigkeit oder Angst.
Freunde, die mich zu Jesus schleppen, die bei Jesus für mich um Hilfe bitten, die sogar für mich glauben und nicht aufgeben, wo ich alles hinwerfen will und resigniert habe.
Freunde, die Fantasie und Mut aufbringen, ein Dach aufzureißen, nur damit Jesus mich sieht.
Solche Freunde wünsche ich mir – und frage mich zugleich, ob ich für andere ein so guter Freund sein kann.

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Mk 12,28-34 die Frage nach dem größten Gebot

Predigt am 4.10.15 von Andreas Hansen über Mk12,28-34

Markus 12,28-34 (Zürcher Bibel) Und einer der Schriftgelehrten, der gehört hatte, wie sie miteinander stritten, trat zu ihm. Und da er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein Herr, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand und mit all deiner Kraft. Das zweite ist dieses: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Höher als diese beiden steht kein anderes Gebot. Und der Schriftgelehrte sagte zu ihm: Schön hast du das gesagt, Meister, und du hast Recht! Einer ist er, und einen anderen außer ihm gibt es nicht und ihn lieben mit ganzem Herzen und mit ganzem Verstand und mit aller Kraft und den Nächsten lieben wie sich selbst – das ist weit mehr als alle Brandopfer und Rauchopfer. Und Jesus sah, dass er verständig geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, ihm eine Frage zu stellen.

1938 bringt Pfarrer Herrmann Maas an der Tür seines Hauses in Heidelberg eine Mesusa an. Das ist eine Kapsel mit den Worten des „Höre Israel“, so, wie das in jüdischen Häusern üblich ist. Maas antwortet mit dieser Geste auf die Zerstörung von Synagogen in Deutschland. Er zeigt seinen jüdischen Freunden: Wir Christen glauben wie ihr Juden an den einen Gott. Wir gehören zusammen. Und er zeigt seinen Mitchristen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Wir dürfen nicht schweigen, wenn die Nazis auf das Volk Gottes einschlagen. Sie verhöhnen Gott. Herrmann Maas gehört damals zu den ganz wenigen mutigen Ausnahmen. Seit 1933 versuchen die Nazis den bekannten Judenfreund aus seinem Amt zu drängen. Er geht mit den Juden ins Lager nach Gurs. Am 22. Oktober 1940 werden Tausende von Juden aus ganz Baden und der Pfalz nach Südfrankreich verschleppt. Gauleiter Wagner verkündet stolz, dass Baden „judenrein“ ist. Vor dem Friedhof am Steinernen Weg erinnert ein Denkmal an die unmenschliche Vertreibung, von der auch Kenzin-ger Mitbürger betroffen waren. Maas begleitet seine Freunde einfach. Mit den Worten des „Höre Israel“ auf den Lippen sind viele Juden in den Tod gegangen. Trotz allem Unrecht und Leid bekennen sie sich zu Gott. Sie halten sich fest an Gott. Trotz allem ist Gott ihr Halt, ihr Fels, ihre Burg – vorhin hörten wir solche Bilder für Gott im Psalm. Was ist das für ein Glaube, der so trotzig und unbedingt an Gott festhält?

„Höre Israel, der HERR ist unser Gott, er allein. Es gibt nur einen Gott. Es gibt nur einen Grund für unser Leben, für alles Leben, nur einen Grund der Welt.“
Israel hat Gott erkannt, oder besser: Gott hat sich dem Volk Israel offenbart.
In der tiefsten Krise, als sie alles verloren haben, da wächst der trotzige, wunderbare Glaube an Gott. Das kleine Israel wird von seinem mächti-gen Nachbarn Babylon zerschlagen. Der König und mit ihm die ganze Oberschicht wird verbannt. Jerusalem und der Tempel liegen in Trümmern. Nichts bleibt ihnen.
Mit leeren Händen stehen sie da in der Fremde.
Sie fragen nach Gott und sind verzweifelt.
An diesem tiefsten Punkt sagt Gott zu ihnen: „Ihr braucht keinen Tempel, um mich zu finden.
Ich bin da. Ich bin immer bei euch. Ich habe euch ins Leben gerufen. Ich habe einen Bund mit euch geschlossen. Ihr seid immer wieder von mir fort gelaufen, habt zu allen möglichen Götzen gebetet. Aber ich warte, dass ihr euch zu mir wendet. Ich bin da. Ich bin euer Gott. Ich lasse euch nicht los.“
Sie müssen wohl mit leeren Händen vor dem Nichts stehen, um zu erkennen: „Wir leben immer und auch jetzt aus der Liebe Gottes. Es ist nur ein Gott. Grund allen Seins, Quelle alles Lebens. Geduldig ruft er uns, wartet er auf uns, will er, dass wir ihn erkennen.“

Was ist das für ein Glaube, der so trotzig und unbedingt an Gott festhält?
Nein, umgekehrt müssen wir fragen:
Was ist das für ein Gott, der trotz allem unbedingt an seinem Volk festhält?
Gott hält an uns Menschen fest, trotz allem, was wir anrichten. Schauen wir die Welt an mit ihren schrecklichen Konflikten, mit ihrem Unrecht und ihrer Grausamkeit. Es ist zum Verzweifeln. Aber Gott gibt die Welt nicht verloren. Gott liebt und will uns trotzdem. Was ist das für ein Gott? Ein Gott voll Liebe und Güte!
Manche Leute sagen: Der Glaube an den einen Gott macht Menschen fanatisch und intolerant.
Der Glaube Israels zeigt das Gegenteil. Israel hat den einen Gott erkannt und weiß: Wir leben aus seiner Liebe und Güte, selbst wenn wir Leid tragen müssen, selbst wenn wir schuldig werden.
Trotz allem hält Gott an uns fest.

Jesus und der Schriftgelehrte sind sich einig:
Das erste und wichtigste Gebot heißt: „Höre Israel, du sollst Gott, den Gott der Liebe, von ganzem Herzen lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.“
Wie alle Juden, die ihren Glauben ernst nehmen, betet Jesus das „Höre Israel“ täglich. Er verbindet es hier mit einem anderen Gebot aus dem Alten Testament. „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“ (3.Mose 19,18) Damit ist der Gelehrte ganz einverstanden: Wir dienen Gott, wir lieben Gott, indem wir unseren Mitmenschen Gutes tun.
In der Liebe zum Nächsten verwirklicht sich die Liebe zu Gott. Die beiden sind sich einig.

Aber dann sagt Jesus noch einen Satz. „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Darüber erschrickt der Schriftgelehrte. „Wie redest du, Jesus? Weißt du denn über mich Bescheid? Kennst du mein Herz? Wer kann schon über einen anderen sagen, ob er fern oder nah bei Gott ist? Das weiß doch nur Gott selbst.
Manchmal meine ich, ich habe viel von Gott verstanden. Ich kann gelehrt über ihn reden. Aber dann ertappe ich mich dabei, wie ich wütend meinen Nachbarn verwünsche, weil der mir zuleid lebt. Wie schwer ist es, seinen Nächsten zu lieben? Wie schwer ist es, ihn zu verstehen?
Wie oft bin ich anderen nicht gerecht geworden?
Wie oft habe ich jemanden über den Tisch gezogen und nur an meinen Gewinn gedacht?
Mich selbst soll ich auch lieben – ach, das ist vielleicht sogar am schwersten. Manchmal liebe ich nur mich selbst und manchmal verzweifele ich an mir.“
Betroffen schaut der Gelehrte zu Boden.
„Du bist nicht fern von Gottes Reich.“
„Ich weiß schon, was du meinst, Jesus.
Spottest du über mich? Es stimmt ja: ich rede viel über Gott und kann ihn doch nicht erreichen.“

Alle sind still.
Keiner wagt, Jesus zu fragen.
Schließlich sagt der Schriftgelehrte es doch:
„Nicht fern von Gottes Reich,
aber wie komme ich dorthin?“
Zögernd schaut er Jesus wieder an.
Der lächelt ihm freundlich zu und
reicht ihm die Hand.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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Matthäus 15,21-28 Der Glaube der Fremden

Predigt am 27.9.15 von Andreas Hansen über Mt 15,21-28

Abendgottesdienst mit Taizéliedern

Mt 15,21-28

Jesus machte sich wieder auf den Weg und zog sich in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend und rief: »Herr, du Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Meine Tochter wird von einem Dämon furchtbar gequält.«
Aber Jesus gab ihr keine Antwort.
Schließlich drängten ihn seine Jünger: »Erfüll ihr doch die Bitte, sie hört ja nicht auf, hinter uns her zu schreien!«
Er aber entgegnete: »Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Volkes Israel gesandt.«
Da kam die Frau näher, warf sich vor Jesus nieder und bat: »Herr, hilf mir!«
Jesus wehrte ab: »Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden vorzuwerfen.«
»Das stimmt, Herr«, erwiderte sie, »aber immerhin fressen die Hunde die Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren herunterfallen.«
Da sagte Jesus zu ihr: »Frau, dein Glaube ist groß!
Was du willst, soll geschehen.«
Von diesem Augenblick an war ihre Tochter gesund.

Das kann doch nicht wahr sein!
Jesus, was ist los mit dir?
So unfreundlich, so engstirnig, so verletzend – das bist doch nicht du, oder doch?
Mir wird schlecht, wenn ich das lese.

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Mt 6,25-34

Predigt am 13.9.15 von Andreas Hansen über Mt6,25-34

Matthäus 6,25-34

Zwei Krähen umkreisen einen Milan. Sie stoßen auf ihn zu, aber der Greifvogel weicht aus. Er fliegt steil nach oben. Er lässt sich fallen und fliegt eine enge Kurve. Die beiden Krähen haben keine Chance gegen ihn. Der Milan ist größer und vor allem ist er ein wahrer Flugkünstler. Aber sie lassen nicht locker. Es sieht aus wie ein Spiel, faszinierend. Vielleicht ist es ein Spiel, vielleicht auch bitterer Ernst, dass der Milan seine Angreifer auf diese Weise von seinem Nest vertreibt. Ich weiß es nicht, aber ich schaue begeistert zu, wie wunderschön sie fliegen. Gott sorgt für die Vögel. Gott gibt jedem Geschöpf seinen Platz. Gott schenkt den Blumen ihre Pracht. Diese Fülle, diese Vielfalt! Das wunderbare Zusammenspiel aller Arten! Alles ist aufeinander abgestimmt. Alles passt an seinen Ort. Jedes Tier, jedes Leben hat seinen Platz, an dem es das Nötige findet. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Wie schön! „Seht nur! Gott sorgt für jedes Geschöpf, für jeden Vogel, jede Blume, jedes Gras. Wird Gott nicht noch viel mehr für euch sorgen?“

Sorgt euch nicht? Das ist leicht gesagt, aber schwer zu beherzigen. Die Sorgen kleben an uns fest. Was uns Sorgen bereitet, verfolgt uns bis in den Schlaf und ist am Morgen schon wieder der erste Gedanke. „Wie geht es den alten Eltern? Wie finden die Kinder ihren Platz?“ Um diese Fragen geht es oft in meinem Freundeskreis. Die Sorgen kreisen um den Vater, der ins Pflegeheim muss, oder das Kind, das nicht weiß, was es studieren oder lernen soll. „Sorge dich nicht? – ach, du verstehst mich nicht, du nimmst mich nicht ernst!“ Manchem kommt es so vor, als lebten wir in unterschiedlichen Welten. Gesunde verstehen die Kranken nicht. Alleinstehende haben ganz andere Sorgen als Familien. Angestellte haben oft keine Ahnung, was es bedeutet, einen Betrieb zu leiten. Sorgt euch nicht? Was für ein herzloser Rat. Ich muss nur die Zeitung aufschlagen oder Radio hören, schon ist die Sorge wieder da, die uns in diesen Tagen umtreibt. Wer sollte sich nicht sorgen, wenn so viele Menschen schreckliche Not leiden und vor Krieg und Verfolgung flüchten? Wie werden wir in Europa, wir in Deutschland mit der Herausforderung der vielen Flüchtlinge fertig? Wie gehen wir menschlich und gerecht mit ihnen um? Und wie gehen wir mit der Angst vor den Fremden um und mit den Problemen, die nun zu bewältigen sind? „Wir schaffen das.“ Ja, aber wie? „Sorgt euch nicht!“ – wie mögen Menschen mit großen Sorgen die Worte Jesu hören? So kann man doch nicht reden, wenn jemand um seinen Arbeitsplatz bangt, wenn ein gelieb-ter Mensch bedrängt ist von Depression oder wenn das eigene Kind mit seinem Leben nicht zurecht kommt. Auch die Leute zur Zeit Jesu hatten große Sorgen. Die Menschen waren weit weniger versorgt und versichert. Wer krank oder behindert war, konnte nur um Unterstützung betteln. Der politische Druck unter der Besatzungsmacht Rom war enorm. Viele gerieten in Schuldknechtschaft. Andere schlossen sich Untergrundkämpfern an. Was für Sorgen überall!

Jesus kennt die Sorgen. Er geht nicht gleichgültig an den Nöten seiner Mitmenschen vorbei. Er weiß, was die Menschen drückt und plagt. Jesus heilt und hilft. Dennoch, in allen berechtigten und belastenden Sorgen sagt er: „Sorgt euch nicht!“ Das ist eine Provokation. Jesus fordert uns heraus. „Ihr Kleingläubigen!“ ruft er, und will unseren verzagten Glauben stärken.

„Wir haben nichts zu fürchten als unsere Furcht.“ sagte Franklin Roosevelt. Da ist was dran. Wenn mich zum Beispiel die Angst vor Höhe packt, bin ich nur noch Angst und keinem vernünftigen Gedanken zugänglich. Ebenso kann sich die Sorge aufblähen und uns beherrschen. Dann sehen wir nicht mehr ein Problem, mit dem man umgehen muss, sondern eine Katastrophe und Untergang. „Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?“ Das Leben selbst ist uns geschenkt. Unser Leib ist uns gegeben. Gott hat für uns gesorgt und wird für uns sorgen. „Sorgt euch nicht!“ Jesus provoziert uns, denn wir sollen vertrauen lernen. Wir können nicht fliegen wie Vögel. Wir sind nicht schön wie Blumen. Auf eine andere Weise sind wir Menschen schön. Auf unsere Weise dürfen wir spielen. Unser Leben ist Gottes wunderbares Geschenk. Gott will, dass wir leben. Darum ist das Sabbatgebot so heilig: Gott gibt uns den Sabbat oder den Sonntag, damit wir das Leben feiern. Selbst die Sklaven und die Ärmsten werden in den Geboten für den Sabbat bedacht. Sie sollen ausruhen und feiern, über die Sorgen hinwegsehen, einen weiten Blick gewinnen. Gott schenkt das Leben.

„Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?“ Uns sind Grenzen gesetzt. Wir sind vergänglich. Unsere Möglichkeiten, unsere Verantwortung, unsere Zeit ist begrenzt. Jeden Abend können wir feststellen, was unerledigt bleibt, welche Arbeit wir nicht geschafft, welche Probleme wir nicht gelöst haben. Wir müssen uns mit dem Erreichten zufrieden geben. Irgendwann müssen wir loslassen, wofür wir Sorge getragen haben, Verantwortung an andere weitergeben. Wie gehen wir mit unseren Grenzen um? Wie machen wir Feierabend? Wie ertragen wir irgendwann das Abnehmen unserer Kräfte? Wir können uns nicht ein Mehr an Leben verdienen. Wir können nicht mehr aus unserem Leben herausholen. Aber wir hoffen: Gott, der das Leben geschenkt hat, hält uns auch an unseren Grenzen. Wir bleiben in seiner Liebe. Gott nimmt uns die letzte und tiefste Sorge ab: An unserem Ende steht nicht Sinnlosigkeit, Chaos oder ein dunkles Nichts. Am Ende, am Ziel des Lebens ist Gott selbst, der uns das Leben schenkte und der uns in all unserer Begrenztheit liebt und uns niemals loslässt.

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ Jesus fragt nach unseren Maßstäben. Was ist uns am wichtigsten? Woran hängt unser Herz? Worum sorgen wir uns? „Reich Gottes“ heißt: Gott regiert. Gott setzt die Maßstäbe. Das Reich Gottes ist der Tisch, an dem alle feiern und jeder genug hat, der Ort des Friedens, wo der Mensch dem Mensch nicht mehr feind ist, der Tag, an dem alle Gott erkennen und ihn preisen. Das Ziel der Schöpfung Gottes. Ist es nur ein Traum, Illusion? Jesus sieht das Reich Gottes ganz nah, greifbar nahe, mitten unter uns, schon jetzt. Darum provoziert er uns:

„Sorgt euch nicht! Vertraut auf Gott, der euch das Leben geschenkt hat! Macht euch frei von falschen Sorgen! Setzt euch ein für Gottes Gerechtigkeit!“ Da haben wir noch viel vor uns.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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Mt 6,25-34 weiterlesen

Lk 17,11-19

Predigt am 6.9.15 von Andreas Hansen über Lk 17,11-19

Lk 17,11-19 Und es geschah, während Jesus nach Jerusalem unterwegs war, dass er durch das Grenzgebiet von Samaria und Galiläa zog. Und als er in ein Dorf hineinging, kamen ihm zehn aussätzige Männer entgegen. Sie blieben in einiger Entfernung stehen und erhoben ihre Stimme und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Und als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, dass sie rein wurden. Einer von ihnen aber kehrte zurück, als er sah, dass er geheilt worden war, pries Gott mit lauter Stimme, fiel ihm zu Füßen auf das Angesicht nieder und dankte ihm. Und das war ein Samaritaner. Jesus aber antwortete: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die übrigen neun? Hat sich keiner gefunden, der zurückgekehrt wäre, um Gott die Ehre zu geben, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.

Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen. Erzählen will ich von all seinen Wundern und singen seinem Namen. Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen. Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir, Halleluja! (EG 272) Wenn das Herz voll ist, fließt der Mund über. Er jubelt und lacht, er singt und tanzt, mit lauter Stimme preist er Gott, weithin ist er zu hören, lacht und weint zugleich vor Freude, kommt zurück zu Jesus, fällt ihm zu Füßen und dankt ihm.

Wer ihn sieht und hört, muss auch lachen und vielleicht sogar weinen. Er wird angesteckt von der tiefen Freude. Danke, Gott, für sein Glück, für die Freude, die du ihm geschenkt hast, für sein Leben. Auch Jesus lacht und freut sich mit dem Geheilten, freut sich, dass er über Gott jubelt in seinem Glück.

„Wann hast du zuletzt gelacht?“ So steht es an der Wand geschrieben. Riesengroß kommt mir die Frage in einer Kunstausstellung entgegen. Gute Frage. Wann habe ich zuletzt von Herzen gelacht? Wir haben Grund zu lachen und zu jubeln. Paulus meint – wir hörten vorhin die Lesung (Röm 8,14-17) – dass wir einen kindlichen Geist bekommen haben. Wir haben Anteil an der Herrlichkeit Gottes. Kinder jubeln und lachen ungehemmt. Sie sind getragen von Vertrauen. Papa und Mama sind ja da. Dieses Vertrauen, diese Weite, diesen Jubel schenkt uns Gottes Geist, ganz ähnlich wie der Jubel des Geheilten. Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir, Halleluja!

„Zu welchem Zweck lebt der Mensch vor allem auf Erden?“ So lautet die erste Frage des Katechismus der Church of England von 1647. Ja, wozu leben wir? Was ist das Ziel? Die Antwort des alten Katechismus: „Der Mensch lebt vor allem zu dem Zweck auf Erden, dass er Gott verherrliche und sich seiner Herrlichkeit in Ewigkeit erfreue.“ „Man´s chief end is to glorify God, and to enjoy him for ever.“ Wir leben dafür, dass wir uns freuen über Gott. „Dein Glaube hat dich gerettet.“ sagt Jesus zu ihm. „Steh auf! Geh deinen Weg! Es ist gut. Geh weiter auf diesem Weg, wie ein Kind an der Hand von Mutter oder Vater.“

Zum Jubeln ist uns nicht immer zumute. Was der Geheilte erlebt hat, wird er gewiss nicht vergessen: Aussätzig sein. Ein Norweger namens Hansen hat den Erreger der Lepra vor 140 Jahren entdeckt. Man nennt sie auch Morbus Hansen, eine scheußliche Krankheit, die den Menschen entstellt, verkrüppelt und umbringt. Die Lepra ist zwar nicht ausgerottet, aber weitgehend unter Kontrolle. Auch Menschen mit anderen Hauterkrankungen nannte man aussätzig. Man hatte Angst vor ihnen. Sie durften nur außerhalb des Dorfes wohnen, getrennt von ihren Familien, zusammen mit den anderen Kranken. Dort hausten sie, geplagt von Schmerzen und Heimweh, ohne einen Funken Hoffnung. Was sie brauchten, wurde weit weg von ihrer Hütte abgelegt. Wenn sie Menschen begegneten, mussten sie Abstand halten und warnen: „Aussätzig!“ Aus dem Mittelalter kennen wir die Klappern und Ratschen der Pestkranken. Die Priester entschieden in Israel zur Zeit Jesu über krank oder gesund, rein oder unrein. Hatte der Priester die Krankheit festgestellt, hielt er eine Art von Totengebet. Aussätzig war wie tot. Außerdem nahm man an: Wer so krank wird, hat bestimmt etwas Schlimmes getan, dass er so schwer bestraft wird. Schrecklich.

Es ist nicht selbstverständlich, dass wir gesund sind. Wir tun viel dafür, dass wir Krankheiten heilen. Enorm gut und wirkungsvoll ist unser Gesundheitssystem verglichen mit vielen anderen Ländern. Wir ernähren uns gesund, treiben Sport und gehen zur Vorsorge. „Hauptsache gesund!“ sagen wir. Dafür ist uns fast kein Aufwand zu groß. Und doch sind wir begrenzt. Es ist großartig, wieviel die Medizin vermag. Aber einmal ist unsere Zeit vorbei. Es ist nicht selbstverständlich, dass unsere Lieben und wir selbst gesund sind. Die Zeit unseres Lebens, jeder Tag, ist uns geschenkt. Das Leben selbst ist Gottes Geschenk.

Noch einmal leben – wie kostbar ist das für den, der aussätzig war! Jeden Tag, jede Stunde wird er genießen. Er wird zu seiner Frau und seinen Kindern zurückkehren. Er darf sie wieder in den Arm nehmen. Er wird seine Arbeit tun und dafür danken. Er wird seine Freunde treffen und mit ihnen das Leben feiern. „Dein Glaube hat dich gerettet.“ Die Begegnung mit Jesus bleibt ein Schlüsselerlebnis für ihn.

Glauben heißt: Alles von Gott erwarten und in allem auf Gott hören, seinem Wort folgen. Keinen Tag könnten wir leben und keinen Atemzug tun ohne ihn. Gott ist nah. Auch wenn wir krank sind, oder ein Mensch, den wir lieb haben: Gott, der das Leben geschenkt hat, ist bei uns. Auch das Leben eines kranken Menschen will und bejaht er – Gott wendet sich nicht ab, wie es Menschen tun. Jesus heilt Menschen und zeigt damit Gottes Willen. In Jesus Christus nimmt Gott selbst das Leid an und überwindet Leid und selbst den Tod. Unsere Gesundheit ist vergänglich. Wir sind begrenzt und zerbrechlich. Und doch beschenkt uns Gott jeden Tag, in allem, woran wir uns erfreuen, was wir können und genießen.

Ausgerechnet der Fremde kehrt zu Jesus zurück und dankt ihm. Die Samaritaner waren Israels Nachbarn, aber sie gehörten doch nicht zum Volk Gottes. Ein wenig unterschied sich ihr Glaube. Sie wurden verachtet. Jesus nennt ihn fremd. Aber gerade dieser Fremde gibt Gott die Ehre. Genau genommen folgt er Jesu Anweisung nicht. Die anderen laufen weiter zum Priester. Er kehrt um als er sieht, dass er geheilt ist. Er gibt Gott die Ehre, indem er lauthals jubelt und Jesus dankt.

Ausgerechnet der Fremde bringt Jesus zum Staunen und Lachen. Ihm ist nichts wichtiger, als Gott zu preisen. „Du hast ja recht“ erkennt Jesus. „Nichts ist jetzt so wichtig, wie dein Jubel. Du hast Gottes Liebe erfahren und jetzt antwortest du.“ Noch einmal sieht Jesus den Geheilten an. Es spielt überhaupt keine Rolle mehr, dass er fremd ist. Sein Glaube ist groß. Er ist ein Kind Gottes, voll Jubel und Freude über das, was ihm geschenkt ist.

„Zu welchem Zweck lebt der Mensch vor allem auf Erden?“ fragt der alte Katechismus. „Der Mensch lebt vor allem zu dem Zweck auf Erden, dass er Gott verherrliche und sich seiner Herrlichkeit in Ewigkeit erfreue.“ Wir alle, jeder Mensch, lebt dafür, dass sie oder er sich freut über Gott, unseren Vater.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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2.Mose/ Exodus 16,2+3+11-18

Predigt am 2.8.15 von Andreas Hansen über 2.Mose 16,2+3.11-18

Gottesdienst auf dem Bombacher Weinfest, katholischer Gottesdienst mit evangelischer Predigt

Wir feiern Weinfest. Es gibt von allem genug: Wein und Saft, Fleisch, Pommes und Salat, alles, was das Herz begehrt.
Und wir leben in Frieden! Wunderbar!
Dann hören wir ausgerechnet hier die Lesung dieses Sonntags: Israel in der Wüste.
Ein langer schwerer Weg liegt vor ihnen,
voll Entbehrungen, Gefahren und Prüfungen.
Israel erinnert sich immer wieder an den Weg durch die Wüste. Und auch wir denken an Wüstenerfahrungen für andere und für uns.
Umso mehr schätzen und feiern wir den Frieden. Wir feiern Weinfest. Und wir feiern auch das Fest des Glaubens. Schalom, das hebräische Wort für Frieden bedeutet „genug haben“. Allen wünschen wir Gottes Frieden.

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