Jakobus 1, 12-18

Predigt am 9. März 2014 von Andreas Hansen über Jak 1,12-18

Liebe Schwestern und Brüder, erinnern Sie sich noch an Ihre Prüfungszeiten? Ihr Konfirmanden kennt Wochen mit drei oder vier schweren Klassenarbeiten. Das ist hart, wenn man spürt: Jetzt kommt es drauf an und ich bin bis an meine Grenze gefordert. Schaffe ich das? Und was ist, wenn ich nicht bestehe? Später kommt der Schulabschluss, das Ende der Ausbildung, Bewerbungsgespräche. Immer wieder werden wir geprüft. Immer wieder sehen wir Erfolg oder Scheitern vor uns. Manche gehen locker durch ihre Prüfungen. Andere sterben fast vor Angst. Manche kämpfen ehrgeizig um Punkte und Erfolge. Und wenn es nicht klappt, sind sie am Boden zerstört. Andere tun keinen Streich mehr, als sie brauchen, um gerade so durchzukommen. Und wenn sie durchfallen, versuchen sie es eben noch mal. Ich finde das schrecklich, dass wir und dass unsere Kinder sich durch so viele Prüfungen quälen müssen. Andererseits ist es ja auch nötig, denn immer wieder, unser Leben lang, gibt es Zeiten der Prüfung für uns: Nicht nur dann, wenn der Beruf uns bis an die Grenze fordert, müssen wir uns bewähren. Wir übernehmen eine Aufgabe in einem Verein, in der Kirchengemeinde oder in der Kommunalpolitik und erleben, wie die Verantwortung und Belastung in manchen Zeiten zu einer rechten Prüfung wird. Persönliche Krisen fordern uns heraus oder überfordern uns: Die Sorge um einen Angehörigen, der körperlich oder seelisch krank ist. Oder wenn wir einander das Leben schwer machen und ein Konflikt so leidvoll ist, dass wir uns trennen müssen. Wie eine Prüfung sind die Übergänge in unserem Leben, wenn wir etwas verkraften müssen, das uns schwer fällt oder traurig macht, vor dem wir uns fürchten, unter dem wir leiden. Die Menschen in der Ukraine sind schwer geprüft. Ihr ganzer Mut ist gefordert. Viel Leid und Unrecht mussten sie verkraften und müssen sie überwinden. Und ganz gleich wie sie nun auch entscheiden, es wird ein harter Weg. Die Ukraine ist ja nur eine von vielen Konfliktregionen, in denen die Menschen unerträglich belastet sind. Viele Länder gehen gerade durch Krisen und sehr schwierige Zeiten. Das Leid und die Spannung scheint gerade an vielen Stellen der Erde eine kritische Grenze zu erreichen. Wir können den ungeheuren Druck, dem die Menschen ausgesetzt sind, nur erahnen. Warum müssen manche Menschen und manche Völker solche Zeiten der Prüfung durchstehen? Ist das Gottes Wille, dass Menschen solche Lasten tragen müssen?

Vorhin haben wir das Wochenlied von Martin Luther gesungen: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen, der hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat getroffen.“ Luther will die Christen gegen die Verzweiflung wappnen. Gott ist eine Burg. Er hilft uns gegen das Böse, gegen das, was uns angreift, gegen die Not. Dennoch trifft es manche Menschen hart, ob sie nun an Gott glauben oder nicht. Und manchmal scheint es, als treibe sie geradezu eine Macht ins Unglück.

Hören wir jetzt den Predigttext für heute, einen Abschnitt aus dem Brief des Jakobus, also dem Bruder Jesu zugeschrieben, der nach Ostern in der Gemeinde in Jerusalem eine wichtige Rolle spielte. Er will mit seinem Brief, ähnlich wie Luther in dem Lied, die Christen seiner Zeit ermutigen:

Jakobus 1,12-18

Selig der Mensch, der die Prüfung besteht, denn wenn er sich bewährt, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott denen verheißen hat, die ihn lieben. Niemand, der in Versuchung gerät, sage: Von Gott werde ich in Versuchung geführt! Gott hat nämlich mit dem Bösen nichts zu tun, und er führt niemanden in Versuchung. Ein jeder wird von seiner eigenen Begierde in Versuchung geführt, wenn er sich von ihr locken und ködern lässt. Wenn dann die Begierde schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt. Die Sünde aber, wenn sie ausgereift ist, gebiert den Tod. Lasst euch nicht täuschen, meine geliebten Brüder und Schwestern! Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben, vom Vater des Lichtes, bei dem es keine Veränderung und nicht die Spur eines Wandels gibt. Aus freiem Willen hat er uns geboren durch das Wort der Wahrheit, damit wir gleichsam die Erstlinge seiner Geschöpfe seien.

Ein Wort bestimmt diese Verse: Es wird mit Prüfung, Anfechtung oder Versuchung übersetzt. Unser Glaube muss sich in Prüfungen, Anfechtungen, Versuchungen bewähren. Wir sind herausgefordert in unserem Glauben. Wir müssen uns wappnen gegen die Versuchung. Es ist wohl kaum die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt. Mit dem, was Jakobus meint, ist nicht zu spaßen. Versucht und im Glauben angefochten sind wir in dem, was uns hart trifft, in dem Unglück, das uns den Boden unter den Füßen nimmt, in den Sorgen, die uns auf den Magen schlagen, in dem Leid, das uns lähmt. Versucht sind wir, an die Macht des Bösen zu glauben und nicht an Gott. Versucht sind wir, dem Bösen zu viel zuzutrauen und nicht Gott zu vertrauen. Angefochten sind wir, wenn wir uns fragen, ob Gott die Welt und uns liebt, oder ob ihm das Leid der Menschen gleichgültig ist.

Jakobus betont: Gott versucht uns nicht. Gott ist nie auf der Seite des Bösen, auf der Seite dessen, was Tod und Leid bringt. Jakobus nennt Gott den Vater des Lichts. Hier ist eine Spannung zu anderen Stellen in der Bibel, etwa zu dem Satz in Psalm 68 „Gott legt uns eine Last auf“, zu der Vaterunserbitte „führe uns nicht in Versuchung“ oder zu Hiob.

Was meint Jakobus, wenn er schreibt: „Gott führt niemanden in Versuchung“? Wir Menschen selbst bringen Leid und Unglück und Tod über andere. Jakobus schreibt von Begierde und Sünde. Unsere Gier nach Macht, unser selbstsüchtiges Streben, immer mehr zu haben und zu beherrschen, vergiftet die Welt und uns selbst. Tagtäglich hören und sehen wir, wie rücksichtslos und brutal Menschen miteinander umgehen. Zumindest ein großer Teil des Bösen und des Leides auf der Welt ist von uns Menschen gemacht. Gott lässt das Leid zu, das Böse, das wir Menschen verschulden. Gott hindert auch nicht das Unglück, das wir nicht erklären können, wie Krankheit oder Unfall. Aber Gott spielt nicht mit uns. Er stellt uns nicht auf die Probe wie Versuchskaninchen. Er will nicht, dass Menschen leiden. „Gott führt niemanden in Versuchung“ heißt: Gott will nicht das Böse, das Leid oder den Tod. Gott will unser Leben. Von allem Anfang an steht Gott auf der Seite des Lebens. „Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben, von dem Vater des Lichts…“ Gott schenkt das Leben. Er will das Leben in seiner Fülle und Schönheit. Gott liebt seine Geschöpfe. Wie sehr Gott uns liebt, erfahren wir in Jesus Christus. Er selbst setzt sich der Macht des Bösen, dem Leid, der Gewalt, dem Tod aus. Gott ist an der Seite all derer, die Leid tragen. Er sagt ihnen, er sagt uns: „Ihr sollt leben. Ich trage und überwinde Schuld und Leid und Tod für euch. Ihr sollt leben.“ Jakobus nennt das Evangelium von Jesus Christus das „Wort der Wahrheit“. Gott hat uns geboren durch das Wort der Wahrheit. Gott schenkt uns Leben, neues, heiles Leben durch Jesus Christus. Wir sind immer noch angegriffen durch Leid und Unglück. Wir verstehen immer noch nicht, warum es manche Menschen so hart trifft. Aber wir halten uns an das Wort der Wahrheit von Jesus Christus, an sein Versprechen: „Ihr sollt leben.“ Wir halten uns fest daran, dass Gott auf der Seite des Lebens steht. Ihn bitten wir um Glaube und Bewahrung in der Zeit, wenn wir versucht, geprüft, angefochten sind. Ihn bitten wir um Kraft für die Menschen, die Unglück und Leid so hart trifft. Luther singt vom Feind, der uns angreift. In einer Welt voll Teufel will er sich doch nicht fürchten, sondern sich ganz auf Jesus Christus verlassen. Mir erscheint sein Lied immer zu großspurig. Wer mag gelassen bleiben, wenn ihm genommen wird, was er liebt? Luther selbst durfte erfahren, dass Gott ihn in größter Not bewahrt hat. Und dennoch hat er immer wieder tiefe Anfechtung erfahren. Unser Glaube ist nie fertig. Wir sind herausgefordert und manchmal überfordert. In der Zeit der Not bitten wir um das Vertrauen, das uns bestehen lässt.

„Selig ist der Mensch, der die Prüfung besteht“, schreibt Jakobus. Wie bestehen wir unsere Glaubensprüfungen, die schweren Zeiten voller Fragen und Zweifel? „Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren…“. Mit leeren Händen stehen wir da und halten unsere leeren Hände und unsere verzagten Herzen Gott entgegen Der Friede Gottes, der unser Verstehen so weit übersteigt, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

(Lied 382: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr)