Predigt am 7.6.15 von Andreas Hansen über 5.Mose 6,4-9
Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore.
„Biep“, macht das Smartphone. Eine Mail oder eine SMS ist angekommen. Jemand will uns etwas mitteilen. „Biep“ – zigmal am Tag. Das Smartphone ist immer dabei, in der Handtasche, in der Hosentasche, in der Hand. Wir hören den Signalton; wir sind erreichbar. „Biep“ – „Hör zu! schau her! ich will was von dir, ich hab was für dich.“ Wohl dem, der im Notfall ein Gerät hat, mit dem er Hilfe holen kann, wenn das Auto liegen bleibt oder Schlimmeres. Aber schrecklich, wenn das Gerät alle Aufmerksamkeit frisst. Das Baby brabbelt im Kinderwagen, aber die Mama hat nur Augen und Ohren für ihr Smartphone. Zweie sitzen am Tisch zusammen und jeder starrt auf dem kleinen Bildschirm. Viele wollen unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Tausende von Werbeimpulsen sehen und hören wir Tag für Tag. „Hör zu, schau her, ich will was von dir, ich hab was für dich.“ Markennamen sollen sich im Kopf festsetzen. Produktdesigner wollen uns ein Lebensgefühl verkaufen. Unzählige Informationen sollen uns erreichen. Viele Stimmen sagen: „Hör mir zu!“ Sie wollen uns beeinflussen oder auch manipulieren. Eine Flut von Eindrücken. Wir können uns fast nicht entziehen. Wer meint es ehrlich mit uns? Auf wen sollen wir hören? Letztes Jahr erschreckte uns der ADAC mit gefälschten Umfragen. Die Fifa geht gerade im Korruptionssumpf unter. Geheimdienste zapfen Facebook und Twitter an. Immer wieder bekommt unser Vertrauen einen Knacks. Wer sagt die Wahrheit? Auf wen können wir hören? Wie können wir uns schützen vor den falschen Stimmen?
„Höre Israel!“, ruft Gott. „Hört zu, ich hab was für euch, ich will was von euch. Ich will euer Gott sein, ich allein.“ „Höre“ – immer ist Gott da. Am Morgen und am Abend betet ein frommer Jude das Sch`ma. An der Tür hängt eine Mesusa, eine Kapsel mit einem Zettel darin, darauf steht das „Höre Israel“. „Wenn du kommst und wenn du gehst, denk an Gott!“ Zum Gebet binden sich Juden ähnliche Kapseln an den Arm – „Bei allem, was du tust, denk an Gott!“, und an die Stirn – „In allem, was du wahrnimmst, denk an Gott!“ Gott will sich im Gedächtnis und im Herzen festsetzen. „Höre Israel“ – auch auf dem Sterbebett sollen das die letzten Worte sein. „Halt dich fest an Gott! Vertrau auf ihn allein im Leben und im Sterben!“
Man nennt das Sch´ma Israel das Bekenntnis des jüdischen Glaubens. Aber eigentlich ist es eine Aufforderung: „Höre! Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deiner Kraft!“ Bekannt wird Gott nicht mit Worten, sondern mit dem Tun, das seiner Aufforderung folgt. „Der Herr allein ist unser Gott. Neben ihm sollen wir nichts und niemanden vergöttern. Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Jesus nennt dies das größte und wichtigste Gebot. Er verbindet das Sch´ma mit dem Gebot der Nächstenliebe. Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten sind zwei Seiten derselben Münze. Jesus hat gewiss morgens und abends das Sch´ma gebetet. Sich zu Gott bekennen heißt hören, gehorchen und mit allem Verstand, aller Lebenskraft, allen unseren Möglichkeiten Gott entsprechen.
Z.B.: Herrmann Maas, Pfarrer in Heidelberg in der Zeit der Diktatur. 1938 zerstören die Nazis Synagogen, jüdische Gotteshäuser. Da hängt Maas eine Mesusa an die Tür des Pfarrhauses. „Hört! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein.“ Wer Gott liebt, muss für sein Volk sprechen. Seit Jahren ist der stadtbekannte Judenfreund den Nazis ein Dorn im Auge. Sie versuchen ihn aus dem Amt zu drängen. Er demonstriert weiter für die Juden. Bei der Deportation der badischen Juden nach Gurs im Oktober 1941 begleitet er die Verschleppten. Später wird er zu Zwangsarbeit verurteilt, weil er Juden zur Flucht verholfen hat. Ich bewundere so viel Geistesgegenwart, Vertrauen, Freiheit und Mut. Gott lieben und den Nächsten lieben, Gott bekennen und tun, was nötig ist – beides gehört zusammen.
„Höre! Der Herr allein ist unser Gott.“ Das ist eine große wunderbare Zusage. Israel erzählt, wie Gott sein Volk befreit und bewahrt und ihm immer wieder eine neue Chance gibt. Gott ist die Mitte. Dieses seltsame kleine Volk gibt es nur, weil Gott seine Mitte ist. Viele wollten Israel auslöschen. Und es lebt.
„Höre, Mensch!“ Gott ruft uns. Gott ruft uns in die Freiheit der Kinder Gottes. Wir suchen unsere Mitte. Wir wollen uns selbst finden. Wir setzen uns Ziele. „Wenn ich nur Zeit hätte. Wenn ich nur gesund und fit wäre. Wenn ich das nötige Kleingeld hätte. Wenn ich den Partner für´s Leben fände. Wenn ich mich durchsetzen könnte.“ Wir wollen uns verwirklichen. Dabei können wir vieles erreichen und uns doch verfehlen. Wir sind zerbrechlich. Wir stoßen schnell an unsere Grenzen. Was wir uns schaffen, verlieren wir im Nu wieder. „Höre, Mensch, du hast eine Mitte. Du kannst und musst sie nicht selbst schaffen oder finden. Du brauchst keine Heilslehre, keine Ideologie, kein Glückversprechen. Du bist frei. Du hast eine Mitte, ein Zentrum in Gott. Der Herr ist unser Gott, er allein. Einen anderen Gott brauchst du nicht und sollst du nicht suchen.“ Natürlich sollen wir uns Ziele setzen und nach Glück streben. Aber unsere Mitte ist schon da. Sie liegt nicht in uns selbst, sondern in Gott. Wir müssen uns nicht beweisen und wir dürfen auch scheitern. Unsere Mitte verlieren wir nicht, unsere Lebensbasis, unsere Würde. Wir sind frei. Niemand außer Gott bestimmt über uns. Wir sind geborgen. Niemand reißt uns aus Gottes Hand. Wir sind angenommen. Keine Schuld, kein Leid, nicht einmal der Tod trennt uns von Gottes Liebe.
Und was machen wir nun mit dem ständigen „Biep!“ und „Klingeling“, mit all den Infos, die auf uns einstürmen, mit den Stimmen, den Versprechen, den Forderungen, die an uns zerren und uns lenken wollen? Wir nehmen sie ernst, aber nicht zu ernst. Wir hören ihnen zu, aber wir erwarten nicht zu viel. Wir wahren Abstand. Wir lassen uns nicht vereinnahmen. Das kann lebenswichtig sein, wie das Beispiel von Herrmann Maas zeigt. „Höre, Israel!“ „Höre, Mensch!“ – am Morgen und am Abend, wenn du gehst und wenn du kommst, wenn du lebst und wenn du stirbst: „Höre auf deinen Gott!“ Gott will sich im Gedächtnis und im Herzen festsetzen. Immer und immer wieder sollen wir hören und beten und uns zu ihm wenden. Ob wir nun das Vaterunser oder Psalm 23 beten, oder ein anderes Wort uns täglich und immer begleitet, wir bewahren unsere Freiheit, wenn Gott uns gegenwärtig ist.
Üben Sie mit Ihren Kindern und Patenkindern Worte des Glaubens und Gebete ein. Üben wir für uns selbst ein, erinnern wir uns wieder und wieder, dass wir Kinder unseres Gottes sind.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen