Gott sucht den Menschen – Predigt über Lk 15,1-7

Predigt am 2.7.17 von Andreas Hansen über Lk 15,1-7

Gottesdienst in Sundhouse gemeinsam mit unserer Partnergemeinde

Liebe Gemeinde, Gott sucht den Menschen.
Seine Lust am Finden ist riesengroß. Gott sucht den Menschen und freut sich über alle Maßen, wenn er einen Verlorenen findet.
Seine Freude steckt den Himmel und alle Engel an.
Jesus Christus ist in die Welt gekommen um die Sünder selig zu machen – so hörten wir im Brief an Timotheus.
Gott sucht den Menschen. Jesus sagt: Ich bin gekommen zu suchen und selig zu machen, die verloren sind. So versteht er sich. So entspricht er seinem Vater im Himmel.
Gott ist außer sich vor Freude, wenn ein Verlorener gefunden wird und sich finden lässt. Warum? Weil Gott den Menschen lieb hat und nicht ohne ihn sein will. Weil Gottes Herz an dem Verlorenen hängt. Weil Gott die Sünde hasst, aber den Sünder liebt.

Das Gleichnis vom verlorenen Schaf wird gerne kleinen Kindern erzählt. Es kommt scheinbar ein wenig harmlos daher. Uns fällt das Liedchen ein „Weil ich Jesu Schäflein bin“. Aber wir irren uns, wenn wir Jesu Gleichnis als Kinderkram abtun. Etwas oder jemanden verlieren, verloren gehen oder verloren sein, das ist schrecklich – das wissen gerade Kinder sehr gut. Kinder spüren, wie verletzlich sie sind, wie sehr sie auf gute Hirten angewiesen sind.
Untröstlich sind wir, wenn wir verlieren, was uns am Herzen liegt. Schon kleine Verluste können manche Menschen aus der Fassung bringen.
Wir erschrecken, wenn wir nicht weiter wissen, die Orientierung verlieren, keinen Ausweg sehen.
Ein Abgrund tut sich auf, wenn ein geliebter Mensch mich im Stich lässt, wenn ich sie oder ihn verliere. Dann bin ich allein und verloren. Dann wankt das Fundament meines Lebens.
Verlorenheit kann auch noch ganz anders sein: ein Mensch, der Böses tut und sich darin immer tiefer verstrickt, weil eine Lüge, die nächste nach sich zieht und das Unrecht ihn immer weiter abstumpft.
Gottes Freude über den Gefundenen ist so riesengroß, weil der ihn Verlust so sehr schmerzt, weil die Gefahr für den Verlorenen so groß ist.
„Freut euch mit mir!“ ruft der glückliche Hirte seinen Kollegen zu.
„Freut euch mit mir!“ sagt Jesus zu denen, die seinen Umgang mit Zöllnern und Sündern missbilligen und über ihn „murren“, nörgeln, maulen. Darum erzählt Jesus ja sein Gleichnis, und nicht nur eines, sondern gleich drei Gleichnisse. Das berühmteste, das vom verlorenen Sohn, endet genau so: „Freu dich mit mir!“ bittet der gute Vater seinen Älteren, der nicht mitfeiern will, als der missratene Bruder zurückgefunden hat.
„Freut euch mit mir!“ – Jesus erzählt von der herzlichen Liebe Gottes.
Wie kein anderer versteht er es, Menschen in ihrer Verlorenheit aufzusuchen, sie zu trösten, aber sie auch auf einen besseren Weg zu führen.
Jesus ist ja der gute Hirte.

Zöllner und Pharisäer hören sein Gleichnis und beide bekommen einen heilsamen Schrecken: „Ich bin auch ein verlorenes Schaf.“
Der Zöllner denkt: „Ich würde nie für einen einzigen so viel einsetzen, wie dieser Hirte. Für mich sind Menschen entweder nützlich oder unnütz. Was schert mich der Verlust eines einzigen. Wie sehr muss Jesus die Menschen lieben und wie arm bin ich, dass ich das nicht kenne.“
Der Pharisäer überlegt: „Man lebt entweder gerecht oder ungerecht. Und Gott liebt die Gerechten. Wer verloren geht, ist selbst schuld. Aber dieser Hirte fragt gar nicht nach der Schuld. Er macht einfach alles für sein Schaf, weil er es lieb hat. Wenn Gott so ist, wie Jesus sagt, dann habe ich vielen Leuten Unrecht getan.“
So stelle ich mir das vor, liebe Gemeinde, dass Pharisäer und Zöllner einen heilsamen Schrecke bekommen und sich von Jesu Gleichnis anrühren lassen. Gleichgültig hat der Zöllner Menschen ausgenutzt. Gleichgültig hat der Pharisäer Menschen verurteilt. Dann erfahren sie durch Jesus, wie Gott den Menschen sucht, gerade den Verlorenen, und wie er alles dafür tut, ihn zu finden. Das ist so ganz anders als die herzlose, lieblose Gleichgültigkeit, die einen Menschen einfach verloren gibt.

Ich erschrecke über mich und über uns. Ich erschrecke über die Gleichgültigkeit, die viele Menschen empfinden und die sie selbst trifft.  Wie oft gehe ich und gehen wir gleichgültig über Menschen hinweg. Wir schreiben den ab, der uns nicht passt – „ach, von dem ist doch nichts zu erwarten“. Wir gehen dem aus dem Weg, der uns nichts bringt, der uns nicht vornehm genug ist oder nicht interessant genug. Wir geben andere verloren und fürchten selbst, verloren zu gehen. Wir kümmern uns nicht um die Not, die den anderen neben uns trifft.
Schrecklich ist das, wenn ein Lehrer seinen Schüler verloren gibt, wenn der Schüler spüren muss: Dem  Lehrer liegt gar nichts an mir.
Verstörend kann es wirken, wenn einem Menschen die Wertschätzung entzogen wird, wenn Mitarbeiter oder Mitschüler einen Kollegen abschreiben und ihn aus ihrem Kreis heraus drängen, ihn ausgrenzen und mobben.
Wer fremd ist, bekommt oft keine Chance.
Es gab Zeiten, in denen die Menschen diesseits und jenseits des Rheins einander gleichgültig waren, sich voller Vorurteile begegneten und dann wurde daraus Feindschaft und unendliches Leid.
Vielleicht können wir nicht anders, aber wir blenden die meisten Konflikte unserer Zeit einfach aus, ignorieren sie, verdrängen sie und geben sie damit verloren: die 65 Millionen Flüchtlinge, die zahllosen Opfer von Krieg, die Hungernden in Somalia und in vielen Regionen. Viele Menschen fern und nah rutschen einfach aus unserem Blickfeld.
Oftmals erschrecken wir aber auch darüber, wie gleichgültig und unberührt wir die Nachrichten von großem Leid registrieren und gleich wieder vergessen.
Jesus Ist das Gegenteil von gleichgültig. Er sieht die verlorenen Menschen. Er weiß um die gescheiterten, verzweifelten, verletzten Menschen. Jesus kennt auch die dunklen Stunden von uns, die Zeiten, in denen wir uns verloren fühlen, die Abgründe unserer Seele.
Jesus geht zu den verlorenen Menschen und freut sich über jeden, der sich finden lässt. Es gibt nicht einen, der nicht umkehren müsste. Es gibt nicht einen einzigen, der Gott nicht nötig hat. Und umgekehrt: Gott sehnt sich nach uns. Wir sind Gott lieb und kostbar. So kommt er in Jesus zu uns und sucht uns. Mehr als alles andere will Gott, dass wir ihn brauchen und uns von ihm finden lassen.
Denn Gott sucht den Menschen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen