Predigt am 20.5.17 von Andreas Hansen über Eph 4,1-6
Ökumenischer Gottesdienst mit einem Workshopchor unter der Leitung von Gregor Linßen
Als Gefangener im Herrn bitte ich euch nun: Führt euer Leben, wie es der Berufung, die an euch ergangen ist, angemessen ist, in aller Demut und Sanftmut und in Geduld. Ertragt einander in Liebe, bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens!
Ein Leib und ein Geist ist es doch, weil ihr ja auch berufen wurdet zu einer Hoffnung, der Hoffnung, die ihr eurer Berufung verdankt: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.
Paulus schreibt von einer starken Gemeinschaft.
Die Gemeinschaft ist lebenswichtig.
Die Gemeinschaft ist bedroht.
Wir sind weltweit verbunden, eine Welt. Was in Syrien geschieht, hat Folgen für uns. Die Entwicklung in der Türkei betrifft uns direkt. Der Hunger in Afrika kann uns so wenig kalt lassen, wie die Spannungen in Korea. Es ist lebenswichtig, dass wir uns als Gemeinschaft begreifen. Und doch ziehen wir den Kreis oft viel zu eng. Jeder sieht nur auf seine Interessen und setzt sie durch. Viele Risse gehen durch unsere Welt. Die Gemeinschaft ist bedroht.
Ich sehe die Leute mit dem Smartphone am Ohr. Sie laufen durch die Straßen und führen ihre Gespräche. Manchmal nervt mich das. Aber es ist ja gut, dass sie ihr Smartphone haben. Wichtige Gespräche wären sonst nicht möglich. Zum Beispiel „unsere“ Flüchtlinge warten dringend auf Nachrichten von daheim. Ihr Kontakt zu Familie und Freunden ist eine Lebensader. Sie bleiben verbunden, komme, was da wolle.
Ich sehe die Leute mit den Smartphones zum Beispiel am Bahnhof. Fast jeder schaut auf sein Display oder hat ein Gerät am Ohr. Jede und jeder ist für sich, isoliert, manchmal gefährlich abgelenkt.
Das Smartphone ist ein Symbol für beides: Eine Gemeinschaft, die trotz weiter Entfernung funktioniert, ein Gespräch, das nicht abbricht. Andrerseits auch Vereinzelung, gestörte Kommunikation und in Windeseile verbreitete Lügen.
Gemeinschaft ist ein faszinierendes Erlebnis. Ob man als Gruppe miteinander eine schöne Wandertour erlebt oder im Sportverein an einem Turnier teilnimmt. Ob man in Taizé gemeinsam mit Jugendlichen aus vielen Ländern Ostern feiert oder sich in einem Konzert von der Begeisterung anstecken lässt.
Paulus singt ein Lied aus den ersten Anfängen. Bestimmt hat es die Christen in Ephesus tief berührt und vielleicht konnten sie mitsingen:
„Ein Leib und ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der ist über allen und durch alle und in allen.“
Wie die Europahymne, wie ein Stadiongesang nach dem Sieg klingt die Freude über die Gemeinschaft der Christen. Mitten in der Welt, die so zerrissen ist, feiern wir den Glauben an den Gott Jesu Christi.
Er wird alle und alles zusammenführen.
Er ist der Vater aller.
Unsere Gemeinschaft im Glauben ist so wichtig. Wir brauchen gemeinsame Erlebnisse wie diesen Gottesdienst, damit wir spüren: Wir haben die gleiche Hoffnung, denselben Gott. Die Gemeinschaft des Glaubens gibt uns Kraft. Es macht einfach Mut, das zu erleben.
Glauben ist sicher zutiefst individuell, im Herzen jeder und jedes einzelnen verborgen. Aber Glaube braucht zugleich die anderen, die mit mir glauben, singen, feiern. So stärken wir uns gegenseitig. Gemeinsam können wir viel mehr bewegen. Das Gespräch darf niemals abreißen. Wie die Leute mit dem Smartphone am Ohr brauchen wir einen heißen Draht zueinander.
Liebe katholischen und evangelischen Christen in Kenzingen, wir sind herzlich miteinander verbunden. Zum Glück bilden viele Ehen, Familien und Kreise Brücken zwischen uns. Viele nehmen hier und da an Veranstaltungen teil. Und doch denkt und handelt jede Gemeinde in eigenen Bahnen und Mustern. Wir haben einander noch nicht selbstverständlich mit im Blick.
Paulus singt eine Hymne über das, was uns verbindet. Zugleich ermahnt er, denn natürlich menschelt es in der Gemeinde in Ephesus wie überall: „Ertragt einander in Liebe!“ Wir werden einander manchmal eine Last, die es zu ertragen gilt. Spannungen, verschiedene Meinungen, Konflikte gibt es überall. „Jeder denkt hier nur an sich, nur nicht ich, ich denk an mich.“
Paulus will die Gemeinschaft stärken, die Einheit des Geistes, wie er sagt. Dazu knüpft er ein Band des Friedens. Er knüpft mit drei Fäden. Sie heißen Demut, Sanftmut und Geduld.
Demut ist der Mut vom hohen Ross zu steigen, der Mut, eigene Schwächen zu sehen, Kritik zuzulassen, Fehler einzugestehen. Demut befreit vom Perfektionswahn. Demut ist bereit zu lernen. Wir Christen brauchen kein aufpoliertes, kratzerfreies Selbstbild. Wir dürfen so bedürftig und unvollkommen sein, wie wir sind. Gott erträgt uns und sagt ja zu uns, trotz unserer Macken.
Sanftmut verzichtet auf Gewalt. Sie muss, auch im Streit, andere nicht verletzen und klein machen. Sanftmut ist nicht Schwäche. Es kostet mehr Kraft, nicht loszubrüllen, wenn uns einer ärgert. Es ist oft mutiger nicht loszuschlagen. Wer nicht bereit ist andere zu achten, sollte keine Macht bekommen.
Geduld, eigentlich steht da Großherzigkeit, Großmut. Wir brauchen weite Herzen. Wie gut eine Gemeinschaft ist, erkennt man daran, wie sie mit den Schwachen umgeht. Dazu gehört die Bereitschaft, jedem Menschen eine Chance zu geben.
„In aller Demut und Sanftmut und in Geduld ertragt einander. In Liebe, bemüht euch, die Einheit des Geistes.“ Kann man so die Welt zum Besseren verändern? Ich glaube ganz gewiss, dass eine demütige, gewaltfreie, großmütige Gemeinschaft von uns Christen stark ist und viel bewegen kann.
Wir können zum Beispiel deutlich, laut und über Parteigrenzen hinweg sagen, welche Formen von Wahlkampf wir akzeptieren und welche wir verur-teilen. Wir dürfen als Christen laut sein, unserem Herr und unseren Werten etwas zutrauen.
„Meine Hilfe kommt vom Herrn“ – das erste Lied und der Satz aus Psalm 121 geben unserem Gottesdienst den Namen.
„Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“
Wir nennen ihn unseren Vater und wir nennen uns seine Kinder.
Ihm vertrauen wir uns an. In ihm gründet unsere Gemeinschaft.
Sie hat eine große, wunderbare Hoffnung für die Welt: „Ein Leib und ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der ist über allen und durch alle und in allen.“ Amen
Nach der Ansprache folgt das Credo:
Wir sind nicht allein;
Wir leben in Gottes Welt.
Wir glauben an Gott,
der die Welt geschaffen hat
und in ihr wirksam ist,
um zu versöhnen und neu zu machen.
Wir vertrauen auf Gott,
der uns beruft, Kirche zu sein,
andere zu lieben und ihnen zu dienen,
Frieden zu suchen
und Bösem zu widerstehen,
Jesus zu verkünden,
den Gekreuzigten und Auferstandenen,
unseren Richter und unsere Hoffnung.
Im Leben, im Tod und im Leben
nach dem Tod ist Gott mit uns.
Wir sind nicht allein.
Dank sei Gott.