Wir hören ein Weihnachtslied aus dem Neuen Testament, das wohl älteste Weihnachtslied.
1.Timotheus 3,16
Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Völkern,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die Herrlichkeit.
Das Geheimnis ist viel größer als ich sagen kann. Himmel und Erde berühren sich. Gott und Mensch verbinden sich. Man muss das Geheimnis des Glaubens bekennen, singen, feiern – und es bleibt doch immer noch mehr. Gott wird ein Mensch. Gott wird greifbar, uns nah, menschlich.
Er ist offenbart im Fleisch.
„Fleisch“, das ist Schmerz, Endlichkeit, Tod. „Fleisch“ sind wir. Wir stoßen an Grenzen, finden keinen Ausweg aus ungerechten Verhältnissen, scheitern in Beziehungen. „Fleisch“ sind wir, dem Leid und dem Tod ausgesetzt.
Er ist offenbart im Fleisch.
Gott wird ganz Mensch und ist doch Gott in seinem herrlichen, himmlischen Glanz.
Eine Christuslegende:
Viele wollen das Kind in der Krippe sehen. Da kommen auch drei seltsame Gestalten. Sie schleppen sich daher, zerlumpt und elend, einer trägt sogar Ketten an Händen und Füßen. „Was wollen diese Kerle? Jagt sie fort!“ Aber Josef kommt ihnen entgegen und führt sie zum Kind. „Zu diesem Kind darf jeder kommen.“
So stehen die Drei vor der Krippe und schauen lange und still das Jesuskind an. Es liegt da in seinem Stroh, fast so arm wie sie selbst. Dann geben sie dem Kind ihre Gaben. Der Erste legt einige Lupen auf das Stroh: „Nimm meine Lumpen. Du wirst sie einst tragen, wenn sie dir deine Kleider nehmen und du allein und nackt sein wirst. Denke an mich!“
Der Zweite legt eine Kette dazu: „Nimm meine Fesseln. Sie werden sie dir einst umlegen und dich wegführen. Denke an mich!“
Der Dritte beugt sich über das Kind: „Nimm meine Zweifel und meine Gottverlassenheit. Ich kann sie allein nicht tragen. Teile sie mit mir! Trage sie vor Gott hin, wenn es soweit ist.“
Erschrocken hält Maria die Hände über das Kind. Drohend murren die anderen im Stall. Allen sind die Drei unheimlich. Das Kind aber liegt da, mit offenen Augen schaut es die drei Männer an.
Die erheben sich. Sie strecken sich aus, als ob etwas Schweres von ihnen gefallen wäre. Sie haben den Ort gefunden, wo sie ihre Last niederlegen können. Bei dem Kind ist alles in guten Händen. Aufrecht schreiten sie aus dem Stall. Zuversichtlich und offen sehen sie den anderen Leuten ins Gesicht.
( Nach einer Christuslegende von Werner Reiser: Die drei Gaben.)
Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens. Lange nicht jede und jeder bekennt heute den Glauben. Ebenso damals, als sie noch die Melodie des Liedes kannten. Sie sangen in Hausgemeinden und geheimen Verstecken. Es ist Zukunftsmusik.
Ja, er wird gepredigt den Völkern und geglaubt in der Welt, aber noch nicht von jedem und jeder. Und auch wir singen oft mehr, als wir glauben. Wir singen voll Sehnsucht nach dem herrlichen Glanz Gottes, nach Frieden auf Erden.
Er ist offenbart im Fleisch.
Die elenden Lumpen, die Ketten, die Zweifel sind bei ihm am richtigen Ort. Er ist zuständig für den Schmerz der Welt, für all das, was nicht gut ist. Das Kind in der Krippe ist der Mann am Kreuz. gerechtfertigt im Geist – Die Neue Genfer Über-setzung sagt: er wurde als Sohn Gottes beglaubigt durch Gottes Geist. Wir sehen Jesus am Kreuz wie hier in unserer Kirche mit glänzenden Strahlen, schon im Licht der Auferstehung.
Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln – wir singen und hoffen. Denn ganz sicher ist es, wie es in Werner Reisers Legende heißt: Zu diesem Kind darf jeder und jede kommen. Bei ihm ist der Ort, wo wir unsere Last niederlegen können. Aufrecht schreiten die drei Gestalten aus dem Stall. Zuversichtlich und offen sehen sie den anderen ins Gesicht. Wir begegnen Jesus und gehen aufrecht weiter, aufrecht trotz der Last.
Das große Geheimnis wird lebendige Wirklichkeit, wo wir das erfahren und weitergeben.
Groß und schön ist das Geheimnis des Glaubens.
Amen