1.Petrus 4,7-11

Predigt am 17.8 14 von Andreas Hansen über 1.Petrus 4,7-11

Liebe Gemeinde, wir wollen gut leben. Das behaupte ich für uns alle. Wir wollen gut leben. Über unser eigenes Leben wollen wir sagen können: „Ja, das ist gut, wie ich lebe.“ Oder mit dem Blick zurück: „Ja, das war gut, wie ich gelebt habe.“ Wir haben unterschiedliche Ansichten, was „gut“ ist, aber wir meinen jeder auf seine Weise: Ein gerechtes, richtiges, sinnerfülltes Leben. Und Lebensqualität: ein schönes, glückliches Leben, das wir genießen können. Das wünschen wir uns. Wir wollen gut leben, gerecht und glücklich. Das könnte als Überschrift über dem Predigttext stehen: Wir wollen gut leben. 1.Petrus 4,7-11 (Neue Genfer Übersetzung):

Die Zeit, in der alles zu seinem Ziel kommt, steht nahe bevor. (Luther: Es ist nahe gekommen das Ende aller Dinge.) Seid daher wachsam und besonnen und lasst euch durch nichts vom Beten abhalten. Vor allem aber bringt einander eine tiefe und herzliche Liebe entgegen, denn »die Liebe«, so sagt uns die Schrift, »deckt viele Sünden zu«. Seid gastfreundlich gegenüber euren Geschwistern; nehmt sie gern und ohne zu murren auf. Jeder soll den anderen mit der Gabe dienen, die er von Gott bekommen hat, als gute Verwalter der Gnade, die Gott uns in so vielfältiger Weise schenkt. Redet jemand im Auftrag Gottes, dann soll er sich bewusst sein, dass es Gottes Worte sind, die er weitergibt. Übt jemand einen praktischen Dienst aus, soll er die Kraft in Anspruch nehmen, die Gott ihm dafür gibt. Jede einzelne Gabe soll mit der Hilfe von Jesus Christus so eingesetzt werden, dass Gott geehrt wird. Ihm gehören der Ruhm und die Macht für immer und ewig. Amen.

Gut leben in schwieriger Zeit – darum geht es Petrus, oder dem, der in seinem Namen schreibt. Er deutet nur an, was für seine Gemeinden damals so schwierig ist. Von Bedrängnis und Leid schreibt er. Seine Adressaten lebten in der Fremde, in der Diaspora. Manche meinen, das sei schon die Zeit der ersten Christenverfolgung. Aber es geht um etwas anderes: Die Christen haben im tiefsten Sinn eine Heimat, ein Zuhause gefunden. Seit sie sich zu Jesus gewendet haben und getauft wurden, wissen sie, wo sie hingehören. Zugleich sind sie ihrer nicht-christlichen Umwelt fremd geworden, unverstanden, belächelt, angefeindet. Aber das kann sie nicht wirklich treffen. Nun schreibt Petrus: Das Ziel aller Dinge ist nah. Das Ende ist nah. Auch die Predigt Jesus hatte apokalyptische, endzeitliche Gedanken. Jesus verkündete die nahe Gottesherrschaft. Gott regiert. Gott ist nah. Darum kommt alles zum Ziel. Darum stürzt die Welt nicht ins Chaos. Alles hat ein gutes Ziel.

Liebe Gemeinde, wir hören von so viel Chaos und Leid in der Welt. Bedrängend nah rücken uns die Nachrichten. Der Abschuss des Flugzeugs über der Ukraine, Flüchtlinge in Karlsruhe und in Kenzingen, die Folgen von Wirtschaftssanktionen, die Furcht vor Krieg. Das Leid der Welt betrifft uns. Wir können viele der Nachrichten nicht einordnen. Das Leid der vielen unschuldigen Opfer erschreckt uns. Die Gewalt macht uns Angst. Und dann hören wir: Das Ziel aller Dinge ist nah. Gott regiert. Das Ziel aller Dinge ist eine große Hoffnung, trotz aller Ungereimtheiten unserer Welt. Wir hoffen auf eine Vollendung der Schöpfung, auf Frieden, auf Gerechtigkeit trotz allem, was geschieht.

Ich möchte die Hoffnung vergleichen mit einem Menschen, der ein Kunstwerk betrachtet. Steht er nah vor dem Bild: Sieht er wilde Pinselstriche und Farbkleckse. Geht er ein paar Schritte zurück, beginnt er zu erkennen, was gemeint ist. Gott sieht sozusagen das ganze Bild, von dem wir nur Ausschnitte erkennen und das uns so chaotisch erscheint. „Geh einen Schritt zurück! Versuch dir den liebevollen, hoffnungsvollen Blick Gottes vorzustellen!“ Das meint Petrus, wenn er vom nahen Ende oder Ziel schreibt. Das gilt nicht nur für die große Welt, sondern auch für unser kleines Leben. Auch für unser Leben gibt es ein Ende und Ziel. Unvorstellbar ist das und tröstlich. Auch bei uns und in uns herrscht manchmal Chaos. Wenn wir mit einem Streit oder mit uns selbst nicht fertig werden, wenn uns Trauer bedrückt oder Schmerzen und Krankheit Angst machen. Wohl uns, wenn wir dann gleichsam einen Schritt zurück treten können, uns selbst als Gottes Kind sehen, gelassener werden, vielleicht sogar eine Spur Humor gewinnen.

„Ein Schritt zurück“ – das bedeutet nicht, dass wir weltfremd, unpolitisch, egoistisch nur das eigene Glück suchen. Im Gegenteil: „Jeder soll den anderen mit der Gabe dienen, die er von Gott bekommen hat, als gute Verwalter der Gnade, die Gott uns in so vielfältiger Weise schenkt.“ Wenn wir einander dienen wollen, sind wir nicht distanziert, sondern nah dran an der Not und den Bedürfnissen. Wir haben in meiner früheren Gemeinde einen Themengottesdienst mit dem Titel „Stadtmitte“ gestaltet. Dazu wählten wir diesen Vers als biblisches Leitwort. In Luthers Übersetzung: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ Die Mitte einer Stadt, das pulsierende Herz, das die Stadt am Leben hält, sind die Menschen, die sich einsetzen, die Engagierten, die anderen mit ihren Gaben dienen. Ein Liedvers fällt mir dazu ein: „Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns.“ Ich staune, was engagierte Menschen bewegen können. Gastfreundschaft hebt Petrus besonders hervor. Ein historisches Beispiel: die 150 Anhänger der reformierten Lehre, die 1524 mit ihrem Prediger Jakob Otter Kenzingen verließen, flüchteten nach Straßburg. Dort fanden sie Schutz und Aufnahme. 80 von ihnen hat die Pfarrfrau Katharina Zell aufgenommen – 80 Flüchtlinge über viele Wochen im Haus, wie hat sie das nur geschafft? Darüber hinaus fand sie Zeit, einen Trostbrief an die Frauen der Flüchtlinge in Kenzingen zu schreiben. Petrus nennt uns Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes. oikonomoi steht da. Ökonomen sind wir oder sollen wir sein, kluge Wirtschafter, aufgeweckte, engagierte, politisch denkende Menschen. Die Ökonomie der Gnade Gottes fordert uns heraus. Mit Ökonomie verbinden wir eher erbarmungsloses Profitdenken. „Was sich nicht rechnet, wird abgewickelt.“ Viele bleiben dabei auf der Strecke. So ist das Gesetz des Marktes. Das nehmen wir achselzuckend hin. Aber es ist nicht klug und es wird sich letztlich auch nicht rechnen, wenn wir nur auf den eigenen Profit schauen, wenn wir auf Kosten anderer Gewinn machen, auf Kosten der Natur und auf Kosten künftiger Generationen.

Wir wollen gut leben. Das könnte die Überschrift des Predigttextes sein. Gut ist, wenn wir trotz allem Hoffnung bewahren. Gut ist, wenn wir in allem engagiert leben, einander dienen als Ökonomen der Gnade und Liebe Gottes. Und gut ist drittens, wenn alles im Glauben an Gott geschieht. SDG schrieb Bach unter seine Werke, soli Deo gloria, Gott allein die Ehre. Wir sind, in allem, was wir tun, vor Gott, in einer Beziehung zu ihm. Wir sind nie ohne Gott, obwohl wir doch oft so tun und ihm auf Schritt und Tritt widersprechen. Es gibt keinen Bereich unseres Lebens, in dem Gott nicht ist. „Lasst euch durch nichts vom Beten abhalten.“ schreibt Petrus. Jede Beziehung vertrocknet, wenn da kein Gespräch ist, wenn wir nicht aufeinander hören und einander verstehen wollen. Wir brauen das Gespräch mit Gott, gemeinsam im Gottesdienst und allein im stillen Kämmerlein. Wir brauchen das Gespräch, damit wir uns des anderen vergewissern. So fühlt sich Petrus eins mit Gott: „Übt jemand einen Dienst aus, soll er die Kraft in Anspruch nehmen, die Gott ihm dafür gibt.“ Gut ist unser Leben, wenn wir auf Gottes Kraft vertrauen, die in und durch uns wirkt. Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen