1.Korinther 9,24-27

Predigt am 24.1.16 von Andreas Hansen über 1.Kor 9,24-27

1.Kor 9,24-27: Ihr wisst doch, wie es ist, wenn in einem Stadion ein Wettlauf stattfindet: Viele nehmen daran teil, aber nur einer bekommt den Siegespreis. Macht es wie der siegreiche Athlet: Lauft so, dass ihr den Preis bekommt! Jeder, der an einem Wettkampf teilnehmen will, unterwirft sich einer strengen Disziplin. Die Athleten tun es für einen Siegeskranz, der bald wieder verwelkt. Unser Siegeskranz hingegen ist unvergänglich. Für mich gibt es daher nur eins: Ich laufe wie ein Läufer, der das Ziel nicht aus den Augen verliert, und kämpfe wie ein Boxer, dessen Schläge nicht ins Leere gehen. Ich führe einen harten Kampf gegen mich selbst, als wäre mein Körper ein Sklave, dem ich meinen Willen aufzwinge. Denn ich möchte nicht anderen predigen und dann als einer dastehen, der sich selbst nicht an das hält, was er sagt.

Mit ganzem Einsatz verfolgt er sein Ziel. Ein Jahr lang hat er sich konzentriert. Er hat jeden Tag trainiert und alles diesem einen Ziel untergeordnet. Nicht nur den Alkohol hat er weggelassen, sondern alles, was seine Leistung schmälern könnte. Ein Jahr der Entbehrungen. Nur dieses eine Ziel vor Augen. Alles andere war unwichtig. Jetzt steht er hier im Stadion. Gleich wird es losgehen. Den Startblock unter den Füßen. Das Ziel im Blick. Auf die Plätze, fertig, los!

Wir bewundern, was Sportler können, trotz aller Skandale im Profisport. Immer noch schauen wir uns begeistert Fußballspiele, Skispringen oder in diesem Jahr wieder die Olympischen Spiele an. Ein wenig packen kann es einen auch als Freizeitsportler: der Ehrgeiz mehr zu schaffen, die Freude an der Bewegung, auch wenn es am Anfang Überwindung gekostet hat, das gute Gefühl von wohliger Müdigkeit nach dem Training oder nach einer Wanderung zum Beispiel. Der Einsatz lohnt sich.

Ein großer Musiker meinte: „Wenn ich einen Tag nicht geübt habe, merke ich es selbst. Wenn ich eine Woche nicht geübt habe, merken es meine Freunde. Nach zwei oder drei Wochen merkt es das Publikum.“ Zum Leben als Musiker, Künstler, Schauspieler gehört ganzer Einsatz, Leidenschaft, auch Verzicht auf vieles andere. Das merken wir selbst als Freizeitmusiker oder Hobbykünstler. Die Freude über ein gelungenes Stück und die Freude am Erleben von Musik oder Kunst entschädigt uns weit für die Mühen.

Nur mit ganzem Einsatz ist zu schaffen, was viele in ihrem Beruf und daneben in der Familie leisten. Die Anforderungen sind hoch. Gerade wenn die Kinder klein sind oder wenn einer in der Familie krank wird, ist es leicht zu viel. Wenn wir zusammenhalten, bewältigen wir enorm viel. Im Nachhinein wundern wir uns manchmal darüber.

Mit ganzem Einsatz leben – das sieht für jede und jeden anders aus. Einerseits engagieren sich viele in ihrer Freizeit noch weiter. Wunderbar ist das, wie viele Menschen, sich in der Hilfe für die Flüchtlinge einbringen – sie leisten Enormes und ohne sie würde es gar nicht gehen. Ebenso könnte unsere Gemeinde und jede Kirchengemeinde ohne die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht bestehen.

Andererseits sind viele Menschen heute nicht bereit, sich mit ganzem Einsatz einzubringen. Es ist schwer, Schulleiterstellen zu besetzen. Kandidaten für den Stadtrat finden sich nur mühsam, ebenso Vorsitzende für Vereine, auch Kirchengemeinderäte. Wir brauchen sie dringend, die Leute, die Verantwortung übernehmen und sich zum Wohl aller einsetzen, aber wenige sind dazu bereit. Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Insgesamt sind die Anforderungen im Beruf höher geworden. Aber auch der Anspruch, den jeder für sein eigenes Leben stellt, ist höher. Und die Anerkennung für das Engagement ist oft zu gering. Ich finde es schlimm, wenn „Gutmensch“ ein Schimpfwort ist. Das heißt doch, wer sich für andere, für die Gesellschaft engagiert, der ist ganz schön blöd. Wer schlau ist, kümmert sich nur um den eigenen Kram und den eigenen kleinen Kreis. Aber auf diese Weise wollen wir nicht schlau sein.

Mit ganzem Einsatz übt Paulus sein Amt als Apostel aus. Er kann gar nicht anders. Er muss alles geben, begeistert in seinem Glauben, beseelt von seiner Berufung durch Jesus Christus, getrieben von der Verpflichtung, möglichst alle Menschen zu erreichen. Er ist bereit, auf vieles zu verzichten. Die Christen in Korinth streiten darüber, ob man Fleisch essen darf, das bei der Schlachtung den Göttern geweiht wurde. Paulus sagt: „ Da stehen wir darüber. Wir glauben ja gar nicht an griechische, römische und sonstige Götter, nur an den einen Gott und Vater Jesu Christi. Wir sind frei und können alles essen. Aber wenn ein Mitchrist in Zweifel gerät, weil ich etwas esse, dann verzichte ich lieber ganz auf Fleisch. Ich bin keinem Menschen gegenüber zu irgendetwas verpflichtet. Und doch habe ich mich zum Sklaven aller gemacht, um möglichst viele für Christus zu gewinnen.“ Paulus verzichtet auch auf Lohn. Es ist ihm sehr wichtig, dass er ehrenamtlich Apostel ist, frei und nur Gott und seinem Auftrag verpflichtet. Nun vergleicht er seinen Einsatz mit den Sportlern, die sich alle zwei Jahre in den Isthmischen Spielen bei Korinth messen. Kein Einsatz ist ihnen zu hoch. Alles tun sie für den Siegeskranz. Paulus ist kein Sportler, aber er vergleicht sich mit ihrer Disziplin und ihrem Einsatz. Wie ein Sportler ist er bereit, alles zu tun, um sein Ziel zu erreichen.

Ausgerechnet den Sport wählt Paulus als Bild. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich auf den Boxkampf nicht so eingehe – das ist mir einfach zu fremd. Wir laufen. Unser Glaube ist ein Lauf. Unser Leben ein Lauf. Unbedingt wollen wir ans Ziel kommen. Das kann ich mir vorstellen. Alles was wir tun, muss zu unserem Ziel passen. Kein Bereich unseres Lebens ist da ausgenommen. Unser Verhalten in Arbeit und Freizeit, unter Freunden, in der Familie, was wir tun und was wir lassen, alles gehört zu dem Lauf. Glaube ist nicht ein gesonderter Bereich neben unserem Alltag. Glaube ist nicht eine geistliche Wirklichkeit, jenseits dessen, wie wir arbeiten, essen, lieben und auch streiten. Glauben ist in unserem Leben, in allem. Wie bei dem Läufer muss unser ganzes Leben dem Ziel entsprechen.

Ausgerechnet den Sport wählt Paulus als Bild. Das finde ich großartig! Denn Sport ist zugleich spielerisch, leicht, frei, schön und auf der anderen Seite anspruchsvoll, mühsam bis an die Schmerzgrenze. Sport ist nur mit ganzem Einsatz und den Regeln entsprechend sinnvoll. Paulus redet nicht von einer Freizeitbeschäftigung, sondern von Sportlern wie auf dem Olymp bei Athen oder auf dem Isthmos bei Korinth. Jede und jeder von uns hat sein und ihr Olympia, den Platz, an den wir gestellt sind, wo wir laufen und gefordert sind.

Beides, Spiel und Disziplin machen den Sport aus. Spielerisch leicht und doch voll Engagement und voll Herausforderung ist unser Glaubenslauf. Im Spiel gewinne ich Abstand zu mir selbst. Ich darf etwas ausprobieren, wagen, kreativ, humorvoll, spielerisch eben. Im Spiel bin ich geborgen und frei. Ein Spiel darf ich auch verlieren ohne unterzugehen. Unser Glaubenslauf, unser Leben hat die spielerische Seite. Wir dürfen wie in einem Spiel Abstand zu uns selbst gewinnen. Wir laufen mit ganzem Ernst, so gut wir können. Aber wir dürfen auch scheitern. Unser Lauf zählt nicht erst, wenn wir auf dem Siegertreppchen stehen. Wir sind geborgen und frei. Frei wie im Sport und Spiel dürfen wir laufen, denn unseren Siegeskranz hat Jesus uns längst gegeben. Über Taufsteinen aus früheren Zeiten ist manchmal ein Himmel. Da schweben Engel über dem Täufling und reichen ihm den Siegeskranz. Der Sport hat auch die andere Seite, die Disziplin. Für Paulus ist es der Verzicht um anderer willen, der ganze Einsatz für sein Ehrenamt als Apostel. Disziplin und Spiel, Anspruch und Zuspruch, beides gehört zusammen, auch wenn es sich zu widersprechen scheint. Und so steht auch unser Glaube in dieser Spannung. Wir sind befreit und beschenkt von Gott und wir sind zugleich gefordert, uns mit ganzem Herzen und mit aller Kraft einzusetzen.

Unser Glaube ist wie ein Lauf. Gewiss wird es kein Spaziergang. So vieles bricht gerade auf und ist ungewiss. Gerade erleben wir durch die Flüchtlinge ein wenig von der Not der Welt hier bei uns. Die Konflikte der Welt erreichen uns, Krieg und Terror. Wir können nicht unberührt davon wie auf einer Insel in Frieden und Wohlstand leben So vieles kann auch in unserem persönlichen Leben aus der Bahn geraten. Wir wissen nicht, was uns trifft und wie wir weiterlaufen.

Wir laufen unseren Weg, jede und jeder für sich und auch gemeinsam. Wir laufen, spielerisch, leicht, und doch mit ganzem Einsatz. Im Brief an die Hebräer heißt es: „lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Gott bewahre uns in unserem Lauf. Amen